Inselromane. Julia Meier

Inselromane - Julia Meier


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sind dies die „Paratextualität“, die er später unter dem Titel Seuils in einem eigenen Buch behandeln wird,6Genette, Gérard die „Metatextualität“ als stillschweigende oder explizite Kommentierung eines anderen Textes, die „Architextualität“, womit die auf Gattungszugehörigkeit beruhende Verbindung mit anderen Texten gemeint ist, sowie die „Hypertextualität“, jener Typus, mit dem sich Genette in Palimpseste fast ausschliesslich beschäftigt. Er versteht darunter sämtliche Beziehungen zwischen einem Prätext und einem darauf basierenden Folgetext (Genette 1993: 14–15). Seine Bezeichnungen für die entsprechende Textsituation, „Hypotext“ und „Hypertext“, weisen dabei auf die grundlegende Art dieser Beziehung zwischen zwei Texten: Es handelt sich um die „Überlagerung“ des Folgetextes über einen bereits existierenden Text, der dem neuen Werk gewissermassen „unterlagert“ ist, wie das die Vorsilben „hypo-“ und „hyper-“ zum Ausdruck bringen; daraus erklärt sich natürlich auch der Titel Palimpseste, der wiederverwendete Manuskriptseiten bezeichnet, die nach Abschaben oder Abwaschen der Erstbeschriftung neu beschrieben worden waren. Bei diesen schon aus der Antike bekannten und im Mittelalter weitergeführten Praktiken schimmerte manchmal die Erstbeschreibung noch durch, blieb also unter dem überschriebenen Text sichtbar. Auch Genettes Untertitel Die Literatur auf zweiter Stufe bezeichnet die Art der von ihm untersuchten Textbeziehung, die er gesamthaft unterteilt in „Transformation“ und „Nachahmung“; beide Begriffe erfahren zusätzliche Differenzierungen und Gliederungen, je nach Beschaffenheit des Verhältnisses zwischen Hypo- und Hypertext, z.B. aus stilistischer, funktionaler oder gattungsbezogener Perspektive.

      Einen weiteren wichtigen Beitrag zu einer deskriptiven Intertextualitätstheorie leistet die bereits kurz erwähnte, von Ulrich Broich und Manfred Pfister 1985 herausgegebene Aufsatzsammlung Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, die sich zum Teil als Reaktion auf GenettesGenette, Gérard Palimpseste versteht, dessen Gesichtspunkte in verschiedener Hinsicht präzisiert, ergänzt und durch konkrete Analysen von Texten der englischen Literatur, die Genette trotz seiner weitgespannten Untersuchung „nur relativ selten“ berücksichtige, erweitert werden sollen (Broich/Pfister 1985: IX). In den theoretischen Prämissen etablieren die Herausgeber die Unterscheidung zwischen der Einzeltextreferenz, also dem Bezug eines Textes auf einen Prätext, und der Systemreferenz, d.h. der Beschreibung eines Textes im Verhältnis zu Gattungsnormen oder anderen strukturbildenden Textsystemen. Es wird erwähnt, dass diese Unterscheidung sich in anderer Terminologie schon bei Genette finde (Broich 1985b: 49, Fussnote 3), während gewisse Aspekte der Systemreferenz mit Elementen von BachtinsBachtin, Michail M. und KristevasKristeva, Julia Intertextualitätskonzeption übereinstimmten (Pfister 1985b: 54). So gesehen, schaffen die beiden Autoren also auch Verbindungen zwischen dem ontologischen und dem deskriptiven Intertextualitätsbegriff, wobei aber die präzisen Beschreibungen und Definitionen der verschiedenen Formen von Intertextualität für ihre Publikation bestimmend sind.

      In meiner Arbeit stütze ich mich, wie erwähnt, vor allem auf die Konzepte der Polyphonie und der Dialogizität, wie sie von BachtinBachtin, Michail M. entwickelt wurden; ich möchte untersuchen, inwieweit die Präsenz anderer Texte in Oehlenschlägers Roman sich als gleichrangige „Stimmen“ im Sinne Bachtins manifestieren. Auch betrachte ich die verschiedenen, jeweils in zwei Sprachen erschienenen Fassungen dieses Romans als Phänomene, welche die Werkgrenzen durchlässig machen und das Prozesshafte, Dynamische des Textes ins Blickfeld rücken. Dennoch werde ich für die Beschreibung bestimmter formaler Aspekte von intertextuellen Beziehungen auf die Arbeiten von GenetteGenette, Gérard und Broich/Pfister zurückgreifen und überdies andere Erkenntnisse und Beiträge zur Intertextualitätsforschung, wie z.B. von Harold BloomBloom, Harold oder Renate Lachmann, einbeziehen.

      Auch BachtinsBachtin, Michail M. Theorien zur Karnevals- und Lachkultur, wie er sie in seiner umfassenden Untersuchung zu Rabelais und zur Volkskultur von Mittelalter und Renaissance darstellt (Bachtin 1995), haben sich als hilfreich für die Beschreibung bestimmter Phänomene in Oehlenschlägers Roman erwiesen und sollen darum zur Stützung einzelner Analysen meiner Arbeit ebenfalls berücksichtigt werden.

      1.2.2 Übersetzungswissenschaft

      Dass die Übersetzung als solche ihrem Wesen nach ein intertextuelles Phänomen ist, bedarf keiner weiteren Erklärung und ist in der Intertextualitätsforschung trotz unterschiedlicher Richtungen und Konzepte unbestritten. Sie kann als „Spielform der Intertextualität“ eingestuft werden, wie dies Werner von Koppenfels bezogen auf die literarische Übersetzung tut (Koppenfels 1985: 138), indem er KristevasKristeva, Julia Konzept der Intertextualität als „absorption et transformation d’un autre texte“ (Kristeva 1969: 85) auf diesen „generischen Sonderfall“ eingrenzt (Koppenfels 1985: 138). GenetteGenette, Gérard kategorisiert die Übersetzung als „Transformation“ und gliedert sie in die Unterkategorie der „ernsten Transformation“ ein, die er auch als „Transposition“ bezeichnet: „Die augenfälligste und sicherlich verbreitetste Transpositionsform besteht darin, einen Text aus einer Sprache in eine andere zu übertragen: Das ist natürlich die Übersetzung […]“ (Genette 1993: 289). Gleich zu Beginn seiner Ausführungen erwähnt er die zweisprachigen Schriftsteller, die ihr Werk in zwei Versionen verfassen, indem sie es gleichzeitig in zwei Sprachen hervorbringen oder im Nachhinein selbst übersetzen. Der Hinweis steht im Zusammenhang mit der Betonung der Bedeutung des Übersetzens für die Literatur, denn einerseits müssten ja die Meisterwerke [der verschiedenen Literaturen] übersetzt werden, andrerseits würden Übersetzungen oft selbst wieder zu Meisterwerken, wofür er Beispiele von Dichtern anführt, die Werke anderer Dichter übersetzten (Genette 1993: 289). Damit knüpft er im Übrigen an eine der drei Kategorien des Übersetzens an, die NovalisNovalis (Friedrich von Hardenberg) aufgestellt hatte, nämlich an die des „verändernden Übersetzens“, wozu der „höchste poetische Geist“ nötig sei; der wahre Übersetzer müsse „der Dichter des Dichters sein und ihn also nach seiner und des Dichters eigner Idee zugleich reden lassen können“ (Novalis 1962: 353).

      In der Folge geht GenetteGenette, Gérard jedoch auf diese Thematik nicht weiter ein, sondern widmet seine kurze Darstellung der für die Übersetzungswissenschaft nach wie vor zentralen Frage der Übersetzbarkeit. Die Diskussion der synchronen Transposition von einer Sprache in eine andere ergänzt er dabei um eine diachrone Dimension, womit die Probleme gemeint sind, die sich in der Übersetzung durch die Unterschiede zwischen den historischen Entwicklungsstufen der Sprachen ergeben können. Moderne Übersetzungen antiker oder mittelalterlicher Texte bewirkten, dass der Leser die historische Distanz im sprachlichen Ausdruck nicht nachempfinden könne, was allerdings, wie Genette einräumt, im Fall der Antike z.B. für französische Leser ohnehin nicht möglich wäre (Genette 1993: 292–294). Sein Bedauern darüber weist ihn implizit als Vertreter oder doch als Sympathisant der verfremdenden Übersetzung aus, d.h. jener Richtung, welche die Ausgangssprache gegenüber der Zielsprache favorisiert und ihre Eigenart in der Zielsprache wahrnehmbar machen möchte. Diese Strategie vertritt SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich in seinem grundlegenden Vortrag „Über die verschiedenen Methoden des Übersetzens.“1 Er bietet darin eine theoretische Systematisierung des Übersetzens vor allem philosophischer und literarischer Texte, das gerade in seiner Zeit überaus eifrig betrieben wurde und dem deutschen Lesepublikum den Zugang zu einer Vielzahl berühmter Werke anderer Literaturen eröffnen sollte. SchleiermacherSchleiermacher, Friedrich unterscheidet bekanntlich zwei Übersetzungsmethoden, die „einbürgernde“ und die „verfremdende“, wie man sie heute nennt, wobei er unbedingt für die zweite eintritt, denn nur durch eine Übersetzung, die als solche erkennbar bleibe, könne der Leser ein Bewusstsein für das Andere, für die fremde Kultur der Ausgangssprache entwickeln und dadurch eine Bereicherung der eigenen Sprache und Kultur erfahren. Schleiermacher sieht eine solche Dynamik auch generell für die deutsche Sprache: „[…] so fühlen wir auch, dass unsere Sprache […] nur durch die vielseitigste Berührung mit dem fremden recht frisch gedeihen und ihre eigne Kraft vollkommen entwickeln kann“ (Schleiermacher 2002: 92). Am Ende seiner Ausführungen würdigt er die zahlreichen Übersetzungsbemühungen seiner Zeit: „Ein guter Anfang ist gemacht, aber das meiste ist noch übrig. […] Wie sehr schon einzelne Künstler die Schwierigkeiten theils besiegt, theils sich glücklich zwischen ihnen durchgewunden haben, liegt in mannigfaltigen Beispielen vor Augen“ (Schleiermacher


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