Inselromane. Julia Meier

Inselromane - Julia Meier


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auch wenn Oehlenschläger in der erwähnten Autobiographie nicht ohne Stolz vermerkt: „Tre for mig meget hæderlige Recensioner udkom i Tyskland om dette Værk“ (Levnet II: 206).3 Dabei dürfte es sich u.a. um Rezensionen im Literatur-Blatt zum Morgenblatt für gebildete Stände handeln. Darin heisst es am 14.7.1826 (221, 1. Spalte):

      Wir finden historische Charaktergemälde wie bey Walter Scott,Scott, Walter didaktische Ausschweifungen wie in TiecksTieck, Ludwig Novellen, humoristische wie bey Jean Paul, etwas Grauenhaftes wie bey Hoffmann, eine Ruhe, Klarheit und Milde der Darstellung wie in Goethe’Goethe, Johann Wolfgang vons Wilhelm Meister oder NovalisNovalis (Friedrich von Hardenberg) Ofterdingen, und sentimentale Schwärmerey wie in der Insel Felsenburg, die dem ganzen zu Grunde gelegt ist.4

      Diese Worte lassen bestimmte polyphone Aspekte von Oehlenschlägers Roman anklingen, indem sie den Text als Synthese der verschiedenen Strömungen und Richtungen der Romantik beschreiben. Mit der Erwähnung ScottsScott, Walter zieht der Kritiker eine Parallele zum damaligen Hauptvertreter der Gattung des Romans; gleichzeitig stellt er das Werk – und dessen Autor – mit den berühmtesten Namen der deutschen Romantik auf eine Stufe. Damit scheint Oehlenschläger eine Bestätigung seines Anspruchs auf eine bedeutende Position in der deutschen Literatur gefunden zu haben.5 Allerdings erfährt die lobende Stellungnahme der erwähnten Kritik eine Einschränkung im Schlusssatz: „Bey so vielen Vorzügen ist es mir aber doch zuweilen vorgekommen, als ob der sogenannte deus ex machina, der hilfreiche Zufall, allzuoft vom Himmel herabgefallen wäre“ (Literatur-Blatt zum Morgenblatt für gebildete Stände 56/1826: 223, 2. Sp.). Diese Rezension erschien – bezeichnenderweise ohne die kritische Schlussbemerkung – auf Dänisch übersetzt in Kjøbenhavnsposten vom 7.4.1827: Obwohl der Roman, wie erwähnt, in Dänemark mehrheitlich auf Ablehnung stiess, fühlte man sich durch das ausländische Lob offenbar doch geschmeichelt und wollte es möglichst uneingeschränkt zur Geltung kommen lassen. Die zweite Rezension im Literaturblatt zum Morgenblatt für gebildete Stände vom 19.12.1826, verfasst von Karl August Böttiger, schliesst mit den Worten:

      Auch dieser Roman hat seine Unwahrscheinlichkeiten und schwachen Seiten. Möge die Kritik ihr strenges Richteramt noch weiter verwalten. Aber der gebildete Kreis des deutschen Volks ist durch diess Erzeugnis eines Dänen wirklich reicher geworden! (Böttiger 1826: 403, 2. Sp.)

      Diese insgesamt sehr wohlwollende Besprechung wurde von Christian Wilster in Kjøbenhavnsposten vom 23.1.1827 in dänischer Übersetzung integral wiedergegeben. Oehlenschläger verschweigt in seiner Autobiographie jedoch nicht, dass es in Deutschland auch ablehnende Rezensionen seines Werkes gab. Seine Worte „Nogle andre reve det ned“ (Levnet II: 206)6 beziehen sich vermutlich u.a. auf die ausführliche, in den Blättern für literarische Unterhaltung Nr. 2 vom 3.7.1826: 5–8 und Nr. 3 vom 4.7.1826: 9–11 erschienene Besprechung des 1. und 2. Teils, die in der Beilage zu den Blättern für literarische Unterhaltung Nr. 3 vom 30.3.1827 mit der Rezension des dritten und vierten Teils fortgesetzt wurde. Diese durchwegs missbilligende Beurteilung wird eingeleitet mit einer Bemerkung betreffend „Hr Oehlenschläger, der längst und mit Ehren in der deutschen Literatur Eingebürgerte“, die zeigt, dass Oehlenschläger zu jener Zeit tatsächlich in gewisser Weise zu den deutschen Dichtern gezählt wurde, dies hauptsächlich aufgrund seiner „so überaus gelungene[n] Behandlung des Märchens von der Wunderlampe“ und als „Dichter des Correggio“, wie der Rezensent in Erinnerung ruft. Umso herber seine Enttäuschung über Oehlenschlägers Roman, den er Punkt für Punkt mit der Insel Felsenburg vergleicht, der aber seines Erachtens in keiner Weise an Schnabels Werk heranreicht. Abgesehen von „tiefem Gefühl in einigen Zügen“ und „treffenden Bemerkungen über Welt und Leben“ findet er kaum Positives in dem „mancherlei Fadaisen und Trivialitäten“ enthaltenden Text. Eine lange Liste von Anachronismen und sonstigen Ungereimtheiten, die Oehlenschläger unterlaufen seien, bildet den Hauptinhalt der Rezension, die im Übrigen explizit auf die Vorrede des Autors verweist: Der „ermattende Leser“ wisse je länger, je weniger, „was der Umschmelzer mit dieser ganzen Operation eigentlich beabsichtet [sic], und wie er die in der Vorrede so hochgestellten Tendenzen derselben zur Erfüllung gebracht habe“ (Beilage zu den Blättern für literarische Unterhaltung 3/1827: ohne Seitenzahlen). Und geradezu karikierend nimmt die Rezension Oehlenschlägers Vorhaben auf, bestimmte „Skizzenzüge“ aus Schnabels Buch zu übernehmen und auszumalen (IS I: IX), wenn es weiter heisst:

      […] oder fiele es nicht überall in die Augen, dass gerade Das [sic], was aus seiner buntscheckigen Uebertünchung als kräftiger Pinselstrich hervortritt, meist nur die Grundzüge des alten Bildes sind, welche sich mit Gewalt nicht haben vertilgen lassen. (Beilage zu den Blättern für literarische Unterhaltung 3/1827: ohne Seitenzahlen)

      Obwohl diese Rezension in den dänischen Zeitungen nicht erschien, wurde sie mit grosser Wahrscheinlichkeit dennoch vom Kreis der gebildeten Leser in Kopenhagen rezipiert, da die Kenntnis der deutschen Sprache zu Beginn des 19. Jahrhunderts in Dänemark – zumindest bei den oberen Ständen – noch immer sehr verbreitet, ja, selbstverständlich war (vgl. Winge, V. 1996: 57).

      Um auf die anfangs gestellte Frage betreffend mögliche Wechselwirkungen der dänischen bzw. deutschen Rezeption zurückzukommen: Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die lobenden deutschen Rezensionen, die in einer Kopenhagener Zeitung publiziert wurden, die Ansicht über Oehlenschlägers Roman veränderten. Immerhin zeigt die Tatsache ihres Erscheinens in Kopenhagen ein gewisses Bemühen um eine Ehrenrettung Oehlenschlägers; ebenso drückt sich darin wohl auch ein beginnender Nationalstolz aus, der durch positive Signale aus dem Ausland, besonders aus dem so wichtigen deutschen Bruderland, Nahrung erhalten sollte. In Deutschland dagegen ging das Interesse an dem „in die deutsche Literatur eingebürgerten“ dänischen Dichter nicht so weit, dass man die Existenz einer dänischen Version seines Romans und deren Rezeption in Dänemark auch nur zur Kenntnis genommen hätte.

      In den Literaturgeschichten wird der Roman, sofern er überhaupt Erwähnung findet, ebenfalls eher negativ beurteilt, wie folgende Beispiele zeigen: Vilhelm Andersen sieht ihn als Flucht aus der unbehaglichen Gegenwart in das Paradies der Kindheit und als Abschluss einer romantischen Periode, die Oehlenschläger statt mit Ideen, nur noch mit Stoff aus seinen Erinnerungen habe füllen können (Andersen, V. 1964/1924: 109–110). Gustav Albeck kritisiert das Werk als „ulideligt lang og udtværed“ (Albeck u.a. 1967: 111).7 Billeskov Jansen hält es für ein Zeugnis der Krise, in der sich die romantische Erzählung in den 1820er Jahren in Dänemark befunden habe (1969: 132), während Erik Svendsen, Steffen Auring und Søren Baggesen es als Versuch Oehlenschlägers werten, sich in die beginnende dänische Romantradition der 1820er Jahre einzuschreiben, wobei der Autor aber die Zeichen der Zeit nicht richtig erkannt habe, wie die bereits damals veraltende Form der Subskriptionseinladung für die dänische Ausgabe zeige (1984: 409). Etwas positiver bewertet einzig Fritz Paul den Roman, wenn er schreibt: „Interessanter scheint heute der ‚biedermeierliche‘ Oehlenschläger, u.a. in seinem vielleicht bisweilen unterschätzten Roman Øen i Sydhavet“ (1982: 93–94). Eine vergleichsweise ausführliche Behandlung findet sich in der von Jürg Glauser herausgegebenen Skandinavischen Literaturgeschichte, zu deren Leitprinzipien es nach den Worten des Herausgebers gehört,

      dass neben den grossen Texten der Klassiker, die es natürlich zu beschreiben gilt, auch andere, weniger bekannte Phänomene wahrgenommen werden, so dass sich die Darstellung nicht lediglich als Abfolge kanonisierter Werke liest, sondern möglichst facettenreiche und differenzierte Einblicke in das literarische Geschehen zu unterschiedlichen Epochen und in unterschiedlichen Ländern vermittelt. (Glauser 2016: XV)

      Diesen Grundsätzen ist es zu verdanken, dass Oehlenschlägers Roman als ernstzunehmendes Werk eingestuft wird; laut Klaus Müller-Wille gehört er zu den „ersten Beispielen eines selbstbezüglichen Romans in Dänemark“; der Autor unterstreicht dabei „das hohe selbstreferentielle Niveau […], welches den Roman aus heutiger Sicht auszeichnet“ (Müller-Wille 2016: 151).

      Wie die in der älteren Forschung generell eher ablehnende Rezeption erwarten lässt, gibt es nur sehr wenige Arbeiten, die sich spezifisch mit Oehlenschlägers Roman auseinandersetzen. Eine längere Besprechung widmet ihm Vilhelm Andersen in Et Livs Poesi, seiner dreibändigen Monographie über Oehlenschläger, in der er vor allem biographische Gegebenheiten


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