Der Reichtagbrandprozess. Walter Brendel

Der Reichtagbrandprozess - Walter Brendel


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Ich habe nach diesen Dingern zum 'Kacheln' gefragt, bis mich ein Mann im Laden darauf brachte, dass dieses Material Kohlenanzünder heißt. Der Händler fragte mich, ob ich Holländer sei. Ich glaubte, dass er damit irgendetwas bezweckte und sagte, dass ich Rheinländer sei. Die Bezeichnung Rheinländer schien mir unverfänglicher, als wenn ich gesagt hätte, ich bin Ausländer. Ich erwiderte also, dass ich nahe an der holländischen Grenze wohne. Bei Heleski habe ich den Kohlenanzünder gegen 17 Uhr gekauft. Ich weiß das daher, weil ich noch eine ganze Zeit warten musste, bis es dunkel wurde ... (Vermerk: Heleski bestätigt die Aussagen in vollem Umfange.) Von Heleski bin ich dann direkt zum Wohlfahrtsamt gegangen und habe mir dort die Gegend angesehen. Dann bin ich noch etwa 1 1/2 Stunden in der Gegend des Hermannplatzes spazieren gegangen. Von dem Geschäft in der Prinzenallee bin ich zum Zentrum gegangen und habe mir das Rathaus und das Schloss angesehen. Hierbei habe ich schon morgens bemerkt, dass das Fenster im Kellergeschoß des Rathauses offen war und dass sich vor dem Schloss die Baustelle befand. Ich habe mir dann sofort überlegt, dass ich zunächst die Sache im Wohlfahrtsamt, das ich mir aber erst mittags richtig angesehen habe, dann im Rathaus und dann im Schloss machen könnte." v. g. u. gez. van der Lubbe

      Die Schilderung, die van der Lubbe von seiner Brandstiftung gab, enthält - wie die Kriminalkommissare Heisig und Dr. Zirpins noch nach dem Krieg versichert haben keinen Widerspruch zu seinen ersten Aussagen unmittelbar nach der Verhaftung, die zum Teil stenographisch festgehalten worden waren. Sie stimmen zudem in jedem Punkt mit den Aussagen van der Lubbes vor dem Reichsgericht in Leipzig überein.

      Auch über seine Motive hat van der Lubbe vor den Berliner Kriminalkommissaren wie den Leipziger Richtern gegenüber stets die gleichen Angaben gemacht. Im Polizeiprotokoll liest sich das so:

Berlin, den 2. März 1933 DIE MOTIVE: "Von vornherein erkläre ich, dass meiner Handlung ein politisches Motiv zugrunde liegt. Ich habe in Holland gelesen, dass jetzt in Deutschland die Nationalsozialisten an die, Regierung gekommen sind. Ich habe schon immer die Politik in Deutschland mit großem Interesse verfolgt und die Zeitungen gelesen, die über Brüning, Papen und Schleicher geschrieben haben. Als jetzt Hitler, die Regierung übernahm, erwartete ich in Deutschland eine Begeisterung für ihn, aber auch eine große Spannung. Ich kaufte mir alle Zeitungen, die darüber berichteten, die dieselbe Meinung hatten. Ich selbst bin links orientiert und gehörte bis der kommunistischen Partei an. Mir gefiel an der Partei nicht, dass sie innerhalb der Arbeiter die führende Rolle spielen und nicht die Arbeiter selbst an die Führung heranlassen will. Ich sympathisiere mit dem Proletariat, das den Klassenkampf betreibt. Seine Führer sollen an der Spitze stehen. Die Masse selbst soll beschließen, was sie zu tun und zu lassen hat. In Deutschland hat sich jetzt eine nationale Konzentration gebildet, und ich bin der Meinung, dass das zwei Gefahren bildet: 1. werden die Arbeiter unterdrückt und 2. wird sich die nationale Konzentration niemals von den anderen Staaten ducken lassen, so dass es schließlich doch zum Krieg kommen wird. Ich habe noch einige Tage die Entwicklung der Dinge abgewartet und dann den Entschluss gefasst, nach Deutschland zu gehen, um mich hier zu informieren. Der Entschluss stammt von mir ganz allein und ich bin auch allein hier nach Deutschland gekommen. Ich habe hier beobachten wollen, wie sich die nationale Konzentration auf die Arbeiterschaft auswirken werde und wie die Arbeiterschaft über die nationale Konzentration denkt ... Ich habe festgestellt, dass die Anhänger der nationalen Konzentration volle Freiheit in Deutschland haben, der Arbeiter aber nicht. Weiter ist der Kampf der Organisation der Arbeiter nicht der richtige, um die Arbeiter zum Kampf für die Freiheit aufzurütteln. Ich habe nun mit den Arbeitern Mittel und Wege besprochen, wie man das richtig machen muß. Das Recht, das die Nationalsozialisten heute haben, das müssen auch die Arbeiter haben. Ich habe zum Beispiel aufgefordert, eine Demonstration zu machen. Da wurde mir gesagt, man müsse sich zuerst an die Organisation, die KPD, wenden, die sich dann die Demonstration überlegen wird... Meine Meinung war, dass unbedingt etwas geschehen müsste, um gegen dieses System zu protestieren. Da nun die Arbeiter nichts unternehmen wollten, wollte ich eben etwas tun. Für ein geeignetes Mittel hielt ich irgendeine Brandstiftung. Ich wollte nicht Privatleute treffen, sondern etwas, was dem System gehört. Geeignet hierzu waren also öffentliche Gebäude, z. B. das Wohlfahrtsamt, denn das ist ein Gebäude, in dem die Arbeiter zusammenkommen, dann das Rathaus, weil es ein Gebäude des Systems ist, weiter das Schloss. Letzteres, weil es im Zentrum liegt und wenn es gebrannt hätte, hohe Flammen gegeben, hätte, die weit sichtbar gewesen wären. Da diese 3 Brände nun nicht funktioniert haben, also der Protest nicht zustande gekommen war, habe ich den Reichstag gewählt, weil das ein Zentralpunkt des Systems ist. Zu der Frage, ob ich die Tat allein ausgeführt habe, erkläre ich, dass das der Fall gewesen ist. Es hat mir niemand bei der Tat geholfen, und ich habe auch im ganzen Reichstagsgebäude keine Person getroffen..." gez. van der Lubbe.

      Dieser Aussage hatten die Kriminalisten Heisig und Dr. Zirpins nichts Wesentliches hinzuzufügen, denn alle ihre Nachforschungen bestätigten die Richtigkeit der Angaben und besonders die Behauptung van der Lubbes, allein gehandelt zu haben.

Im Abschlussbericht der Polizei vom 3. März 1933 heißt es dazu: MITTÄTER? "Die Frage, ob van der Lubbe die Tat allein ausgeführt hat, dürfte bedenkenlos zu bejahen sein. Die Ermittlungen, der objektive Tatbestand und die genauen Feststellungen des Täters selbst beweisen dies. Im Laufe der Ermittlungen ist eine Unzahl von neuen Spuren aufgetaucht, die einer Nachprüfung aber nicht standgehalten haben ... Die Schilderung des Tatortes und der Tatausführungen hat van der Lubbe schon von der ersten Vernehmung an (also vor der Tatortbesichtigung selbst) genau mit allen Einzelheiten, Brandstellen, Beschädigungen und Spuren sowie des Weges, auf dem sie liegen, so angegeben, wie sie ihm noch in Erinnerung waren. Hierzu ist aber nur derjenige in der Lage, der die Tat selbst ausgeführt hat. Einer, der nicht dabei war, konnte dies alles, besonders die nicht planmäßig angelegten kleineren Brandstellen nicht vorher schon beschreiben und nachher praktisch demonstrieren... Über den persönlichen Eindruck, den van der Lubbe macht, ist zu sagen, dass van der Lubbe über eine (allerdings sicher einseitige) Intelligenz verfügt; er ist ein so genannter 'fixer Junge', obwohl er seinem Äußeren nach das Gegenteil zu sein scheint. Er beherrscht die hochdeutsche Sprache, die er aber undeutlich ausspricht, sogar bis in Feinheiten hinein, konnte also nicht nur der Vernehmung folgen, sondern sogar ganze Sätze behalten und inhaltsgetreu, ja sogar wortgetreu wiedergeben. Er verbessert (besonders bei den Motiven) die niederzulegenden Wendungen, die ihm nicht richtig gewählt erscheinen, selbst. Auffallend ist sein Orientierungsvermögen, das er wahrscheinlich bei seinen vielen weiten Wanderfahrten erworben hat. Obwohl er erst acht Tage in Berlin ist, ist er imstande, ganze Straßenzüge zu schildern und Tatorte (nach Anleitung) zeichnerisch darzustellen. Die Rekonstruktion des Tathergangs, die er bei den einzelnen Fällenwahrheitsgetreu schilderte, war, wie die wiederholten Nachprüfungen ergaben, lückenlos... Die Ermittlungen werden von Krim.-Komm. Heisig und Krim.-Komm. Dr. Zirpins geführt." Dr. Zirpins, Krim.-Komm.

      Kriminalkommissar Zirpins ist - wie auch sein Kollege Heisig - stets bei der Auffassung geblieben, dass van der Lubbe die Tat allein ausgeführt hat. In seinem damaligen Abschluss Bericht versucht er allerdings auch den Nachweis zu führen, dass van der Lubbe zu seiner Tat "von dritter Seite" angestiftet worden sei. Nachdem die polizeilichen Untersuchungen schon keine Anhaltspunkte für irgendwelche kommunistischen Mittäter van der Lubbes erbracht hatten, glaubte Zirpins offenbar, es seinen Vorgesetzten - die ja doch an die Mittäterschaft der Kommunisten glaubten - nicht antun zu können, eine Verbindung van der Lubbes mit der deutschen KP zu verneinen. Er berief sich dabei vor allem auf die Aussagen jener angeblichen Augenzeugen Karwahne, Frey und Kroyer, die van der Lubbe zusammen mit dem KPD-Fraktionschef Torgler gesehen haben wollten - Aussagen, die später vom Leipziger Reichsgericht durchweg als unglaubwürdig verworfen wurden.

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