Lustvolle Qualen. Melanie Weber-Tilse
es kam ihr alles wie im Traum vor. Das Meeresrauschen war so dumpf und alles war wie in Watte gepackt. Auch der Ausruf, »Joyce«, war nur von weit her zu hören, dann wurde alles dunkel im sie herum.
Sie lag, es war dunkel und etwas Nasses befand sich auf ihrer Stirn. Aber am meisten fiel ihr die Stille auf. Keine Möwenschreie, kein Meeresrauschen, keine entfernten Stimmen, die der Wind zu ihr trug. Es war aber auch kein Wind zu spüren.
Vorsichtig öffnete sie die Augen, nur um direkt wieder in Sams dunkle zu blicken. Diesmal schauten diese sie sorgenvoll an.
»Alles in Ordnung, Joyce?«
Sie nickte leicht und ihr fiel auf, dass sie bis auf seinen Namen noch kein Wort gesprochen hatte.
Nachdem sie sich geräuspert hatte, schien ihre Stimme wieder sicherer zu sein. »Die Hitze und der Schlafmangel scheinen mich in die Knie gezwungen zu haben.« Wobei sie bei den Worten einen vorsichtigen Blick nach unten warf, um sich zu vergewissern, dass sie nicht nackt war. Das Laken, das vorhin noch Sarahs und ihren Körper geschützt hatte, war nun allein um ihren geschlungen.
»Das ist also Joyce«, erklang da eine belustigte Stimme von der Seite. Wenn das heute so weiterging, würde sie Nackenprobleme bekommen. Sie drehte ihren Kopf zu der Stimme und sah einen hochgewachsenen, schlaksigen Mann im Türrahmen stehen. Hinter ihm konnte sie Sarah erkennen. »Die Joyce, die den kleinen Marine hier um den Finger gewickelt hat.«
»Halt die Klappe, Pete.« Sam schickte ihm einen bösen Blick, aber man konnte genau erkennen, dass die beiden gute Freunde waren. Sarah schob sich an besagtem Pete vorbei ins Zimmer und kam mit einem Glas zu ihr.
Mittlerweile war es ihr peinlich, dass sie immer noch lag, während alle anderen um sie herum standen. Gut, bis auf Sam, der saß an ihrer Seite. Das machte die Situation auch nicht besser. Auch wenn sie sich erhofft hatte, nein sogar gewünscht hatte, irgendwann einmal mit diesem Mann in dieser Position zu landen, hatte sie sich ihr erstes Treffen nicht unbedingt so vorgestellt.
Schon gar nicht halb nackt mit einem Waschlappen auf der Stirn, und noch andere Personen mit im Zimmer.
Sarah wollte sich gerade herabbeugen, als Joyce hochfuhr. »Es geht mir gut, ich kann mich hinsetzen«, fauchte sie los. Das Zucken von Sams Augenbraue registrierte sie zwar, konnte es aber nicht einordnen. Er rutschte zur Seite, und gab ihr den Platz, um sich aufzusetzen.
Auch Sarah hielt die Klappe und reichte ihr nur das Wasser weiter. Joyce wusste, dass sie überreagierte, und doch konnte sie einfach nicht anders. Hinter ihrem PC hatte sie sich verstecken können und nur das geschriebene Wort hatte ihre Emotionen weitergegeben. Aber nun ihm im Angesicht gegenüberzusitzen überforderte sie komplett.
»Sam hat erzählt, dass du dich nicht mehr bei ihm gemeldet hast«, begann nun dieser Pete das Gespräch.
Sie hatte einen kleinen Schluck getrunken und hielt nun das Glas vorsichtig in den Händen. Es zitterte leicht, weil sie noch nicht ganz auf der Höhe war. Ihr Kreislauf spielte noch nicht ganz mit.
»Mein Handy ist im Putzeimer ertrunken und mein Laptop an Altersschwäche gestorben.«
Wieder sah sie das kleine feine Zucken von Sams Augenbraue. War er sauer? Machte er sich lustig? Sie konnte ihn noch überhaupt nicht einschätzen. Seine ausdruckslose Miene verriet auf jeden Fall nicht, was er dachte.
»Heutzutage kann man Laptop und Handy neu kaufen. Dafür gibt es Läden.« Pete grinste über seinen eigenen Scherz.
Sarah dagegen schnaubte und schlug sich sofort auf die Seite ihrer Freundin. »Ich weiß ja nicht was du verdienst, aber unser Gehalt ist mickrig, sodass man sich nicht mal eben beides sofort neu kaufen kann.« Sie hatte die Hände in die Hüften gestemmt und Pete ging tatsächlich einen Schritt zurück.
»Woho, ganz ruhig. Ich wollte hier keinen angreifen.« Beschwichtigend hob er die Hände.
Sarah ließ sich nicht beirren. Jetzt war sie richtig in Fahrt und Joyce konnte dem Spektakel nur noch mit offenem Mund folgen. Diesmal allerdings konnte sie aus dem Augenwinkel erkennen, dass auch Sam Spaß an dem Schauspiel hatte und ein Lächeln seine Lippen zierte.
»Natürlich waren wir in einem Laden und haben ein neues Handy gekauft. Wobei der Verkäufer ein totales Arschloch war. Egal, Joyce hat schon längst ein Neues. Und bevor du gleich dämlich nachfragst, ihre SIM-Karte passt nicht, sie hat keine Micro-Karte.«
Pete hielt die Klappe, drehte sich herum und ging hinaus.
Sarah dagegen drehte sich wutentbrannt zu ihr und Sam um. »Rennt der immer mitten im Gespräch weg?«
»Nein, tue ich normalerweise nicht. Aber ich wollte etwas holen«, erklang da schon wieder Peters Stimme. Er hielt etwas in der Hand. »Eine Stanze. Damit kann man die SIM-Karte in die Micro-Form bekommen. Das hat eigentlich hier jeder Laden.«
«Arschloch«, entfuhr es Joyce. Sie war sowieso noch sauer auf den Verkäufer. »Und Montag knöpft der mir 20 Dollar für die neue Karte ab.«
»Wird er nicht. Ich komme mit«, schaltete sich jetzt Sam ein. »Pete, du hast doch sicher noch einen Laptop für Joyce übrig, oder?«
Als Peter nickte, schaute Sam ihr wieder in die Augen. »Und wir beide unterhalten uns jetzt.«
Sam
Um seine Worte etwas abzumildern, denn sie sah ihn gerade wie ein scheues Reh im Scheinwerferlicht an, erhob er sich und schenkte ihr ein schelmisches Lächeln.
»Aber zuerst solltest du dir vielleicht etwas anziehen, meine kleine Joyce«, sagte er mit einem Augenzwinkern, ehe er sich anschickte den Raum zu verlassen.
Da spürte er ihre zarte Hand an seinem Handgelenk und ihre sanfte Stimme ging ihm direkt ins Herz. »Danke, Sam.«
Als sich ihre Blicke daraufhin trafen, war es, als würde er in ihnen versinken, so bekam er gar nicht mit, dass sie beide knallrot angelaufen waren.
»Wir reden gleich, meine kleine Joyce«, war das Einzige, was er verlegen heraus brachte, ehe er endgültig den Raum verließ, damit sie sich anziehen konnte.
Verdammt was war mit ihm los? ›Reiß dich zusammen Sam. Du hast unter feindlichem Beschuss operiert und warst die Ruhe selbst und nun hast du schon zwei Mal fast die Beherrschung verloren.‹
Aller Wahrscheinlichkeit nach hatte er dem Kerl mindestens die Nase gebrochen, wenn nicht sogar das Jochbein. Denn so schnell, wie der zugeschwollen war ... scheiße. Der Penner hatte aber seine verdammte Fresse einfach nicht halten können.
Aber noch schlimmer war, welche Wirkung sie auf ihn hatte. Fuck, seit wann war er so ein Weichei? Oder hatte Peter doch recht und er spielte sich immer als Ritter auf?
Aber sie diesem Schwein ausgeliefert zu sehen. Hätte er auch so reagiert, wäre es nur - wie war ihr Name, Sarah? Ja! -, wäre es nur Sarah gewesen? Nein, hätte er nicht.
Er merkte gar nicht, dass er im Wohnzimmer bei Sarah und Peter angekommen war, und die beiden scheinbar immer noch am Diskutieren waren, oder doch nicht mehr?
»... Jimmy Hendrix ist mit Sicherheit ein großartiger Gitarrist, aber hast du den von Dragonforce mal gesehen? Dann weißt du, was schnelle Fingerarbeit bedeutet«, schien Peter gerade auf irgendeine Aussage von Sarah zu antworten, welche nun Sam unverwandt und neugierig zu mustern schien.
»Du bist also der ominöse Sam, ja?«, sagte sie mit einem interessierten und offenen Lächeln.
»Wenn ich vorstellen darf, Sarah, das ist Captain Samuel Mouraux Jr., Dr. med. und Privatdozent am Citycollege. Sam, diese reizende Lady ist Sarah Paw, Buchhalterin bei Saxon & Quinn hier im Ort«, kam ihm Peter zuvor, ehe er antworten konnte.
Ein verzücktes Schmunzeln umspielte dessen Lippen, und es war nur zu offensichtlich, dass er noch mehr über sie wusste.
Jetzt ging Sam ein Licht auf, während er freundlich Sarahs Hand schüttelte und erstaunt über ihren festen Händedruck