Outback Todesriff. Manuela Martini

Outback Todesriff - Manuela Martini


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Seitenblick zu.

      „Nein. Keiner. Lediglich ´ne Frau vor zwei Jahren, ist aber wieder aufgetaucht. In Darwin. Hatte sich in einen Fleischpastetenverkäufer verliebt, der sich dann als Heiratsschwindler entpuppte.“ Paddy schnalzte mit der Zunge und schüttelte den Kopf. „Eins sag ich Ihnen, hier hat es so was noch nie gegeben!“ Und es klang, als empfände er es als persönliche Beleidigung, dass jemand es wagte, Unruhe in sein Reich zu bringen.

      Die breite Straße war voller Schlaglöcher, denen sich nicht immer ausweichen ließ. Rechts und links der Straße schlossen sich die Vorgärten einfacher Holzhäuser an. Lehmfarbige Rasenflächen zeugten von der Trockenheit. Grau fleckige Caravans klebten an den dünnen Wänden der Häuser, deren Bewohner entweder zuerst im Caravan gelebt und dann das Haus daran gebaut hatten, oder zur Erweiterung des Hauses einfach einen Caravan dazugestellt hatten. Eine Schule, ein Haus mit der Aufschrift CWA – Country Women Association. Shane sah niemanden auf der Straße. Kein Wunder, dachte er, schließlich war es ein Uhr mittags und über dreißig Grad heiß. Er war schon öfter an solchen Orten gewesen, und die Ermittlungen hatten sich immer zäh gestaltet, und wenn sie noch so zerstritten untereinander waren – gegen einen fremden Detective aus der Stadt hielten sie plötzlich alle zusammen.

      Sie bogen in eine Seitenstraße und fuhren etwa einen Kilometer stadtauswärts. Am Ende der geteerten Straße konnte Shane einen großen Parkplatz sehen, einen Bagger, Autos und mindestens zwanzig Menschen.

      „Detective Philipp Russell aus Charleville ist vor einer Stunde zurück gefahren, hatte einen wichtigen Termin“, sagte Dunegal beiläufig bevor er losstapfte. Shane ärgerte sich, dass der für die Region zuständige Polizist nicht dageblieben war. Was bildete sich dieser Russell eigentlich ein?

      „Wir haben alles abgesperrt“, sagte Paddy und schwitzte schon wieder wie ein Schwein.

      „Das hoffe ich!“, murrte Shane, schritt ein paar Meter über einen offensichtlich erst kürzlich geteerten Parkplatz zu der Gruppe von Menschen, die von einem rot-weißen Band davon abgehalten wurden, näher an die Grube heranzutreten. Da blieb Paddy Dunegal plötzlich stehen, sodass Shane beinahe auf ihn geprallt wäre. Paddy drehte sich zu ihm um und sein Ton hatte es Warnendes:

      „Falls Sie es nicht wissen sollten: Ich hab mal einen gefährlichen Mörder gefasst. Und zwar allein.“ Paddy lockerte seinen Hemdkragen. „Sehen Sie die Narbe? Nur einen halben Zentimeter von der Halsschlagader, an den Rippen hab ich auch eine.“

      Shane hoffte, er würde sich jetzt nicht auch noch das Hemd vom Leib reißen.

      „Dass die mich bei der Beförderung übersehen haben“, fuhr Paddy fort, „ist mir ganz recht. Mir gefällt es hier. Und meine Leute verteidige ich wie ´ne Schlangenmutter ihre Jungen. Nur, damit wir uns verstehen, Sie und ich.“

      Gerade noch rechtzeitig dachte er an das Foto von ihm in der Zeitung, er wollte ja nicht hier und jetzt seine Karriere vollends beenden. Also nickte er nur, bückte sich unter dem Band hindurch und stand direkt vor dem Aushub. Unter ihm lag ein zweifellos menschlicher Körper, ohne Kopf und ohne Kleidung, in einem weit fortgeschrittenen Verwesungsstadium. Er hätte nicht sagen können, ob der Tod genauso lange oder länger zurücklag als bei der Leiche, die er am Morgen bei Howard gesehen hatte. Ein kleiner, filigraner Mann war damit beschäftigt, die Hände der Leiche mit Plastikbeuteln zu verkleben, damit eventuell vorhandene Gewebereste unter den Fingernägeln oder Fingerabdrücke untersucht werden könnten. Ein anderer, bulligerer Mann mit militärischem Kurzhaarschnitt machte gewissenhaft von allen Seiten Aufnahmen.

      „Das ist Constable David Webster.“ Dunegal schlug seinen Arm auf die Schulter eines jungen, schmächtigen Polizisten, der an der Absperrung wartete. David Webster streckte Shane eifrig die Hand entgegen. Sie war feucht. „Willkommen in Coocooloora“, sagte er hastig und errötete dabei. „Das hat er schön gesagt, oder!“ Dunegal lachte und Webster sah unbehaglich drein.

      Plötzlich flutete Adrenalin in seine Blutbahn, und riss ihn heraus aus seinem Zustand der müden Übellaunigkeit. Die Schwarzhaarige im weißen Overall mit ihrem Köfferchen ... musste die Gerichtsmedizinerin sein. Er hatte sie noch nie gesehen. Vielleicht war sie neu?

      „He, Detective, Sie sind doch der Detective! Also, dafür lass ich keinen Sarg ankarren!“, krächzte es aus einer anderen Richtung. Vor Shane baute sich eine kleine, ältere Frau in rosafarbener Kittelschürze auf.

      „Ah, Abigail, das ist Detective Shane O’Connor“, begrüßte Paddy die Frau, die unablässig ihren graugelockten Kopf schüttelte. Tremor, dachte Shane, oder Parkinson ...

      „Das ist Abigail Hicks, die Bestattungs-unternehmerin.“ Dunegal schob, für seinen Körperbau besonders sanft, Abigail in Richtung Shane.

      „Letzte Woche hatten wir ´n schönes Begräbnis, ´n weißer kleiner Sarg“, plapperte sie munter vor sich hin, „ich hab noch ´n paar kurze rote Rosen draufgesteckt. War die kleine Miller, war wirklich süß!“

      Shane wusste nicht, ob sie mit „süß“ das Mädchen oder den Sarg meinte. Er reichte ihr die Hand, die sie übersah. „Aber das hier ist wahrscheinlich einer der alten Ureinwohner“, ging es weiter, „die wollen ja sowieso lieber in ´nem Baumstamm beerdigt werden. Ich pack’s jetzt. Hab noch ´ne Menge Schreibkram zu erledigen. Ach Gott, heut ist ja Mittwoch. Wahrscheinlich steht er schon vor der Tür.“

      „Hoho, Abigail, hast du ´nen neuen Verehrer?“ Paddy Dunegal lachte, dass Bauch und Kinn waberten und seine Schweinsaugen fast in den Speckfalten verschwanden.

      „Nachdem du ja regelmäßig einschläfst!“, erwiderte sie, ohne eine Miene zu verziehen. Paddy lachte noch lauter, sagte: „Du alte Hexe!“

      Wo ist sie, überlegte Shane indessen, und schaute sich erfolglos nach der Gerichtsmedizinerin um.

      „Aber wenn’s dich beruhigt, ich erwarte keinen Verehrer, sondern den Blumenstrauß von meiner Tochter“, sagte Abigail und wandte sich an Shane: „Schickt sie mir alle zwei Wochen, weil sie mir zu meiner Beerdigung keine Blumen mehr kauft, sagt sie.“

      „Praktisch veranlagt, ihre Tochter“, sagte Shane, er wollte nicht ganz unhöflich sein. Wenn man sich es mit den Leuten verdarb, konnte man gleich wieder heimfahren.

      „Was?“ Abigail hielt sich die Hand ans Ohr.

      „Sie hört schlecht“, erklärte Paddy. Abigail rammte ihren Gehstock auf die Erde. „So, ich werde ja hier nicht mehr gebraucht, he, Detective, wenn Sie länger hier sind, besuchen Sie mich mal, freu mich über ´nen jungen Mann, der ´ne Tasse Tee mit mir trinkt!“

      Shane sah ihr nach, wie sie zu dem klapprigen Pritschenwagen zockelte, an der Tür rüttelte, fast rückwärts umfiel, als die Tür quietschend aufsprang, und sich irgendwie hineinhievte.

      „Sie fährt noch?“, fragte Shane.

      „Was dagegen?“, blaffte ihn Paddy an. Shane seufzte.

      Der Roadworker, Keith Duff, ein gedrungener, zäher Mann, stellte sich vor und erklärte, dass sein Vorgänger Alkoholprobleme gehabt und vor einem halben Jahr unter anderem die Stromkabel für die Beleuchtung des Parkplatzes vergessen habe. Weshalb er, Keith, mit seinem Kollegen ein Stück der geteerten Fläche wieder habe aufreißen müssen, wobei er diesen Fund am Morgen gemacht habe. Shane notierte Name und Firma.

      „Und was war vorher an der Stelle?“ Keith Duff zuckte die Schultern.

      „He, Paddy, was vorher an der Stelle?“, fragte Shane verärgert.

      Ein stämmiger, vierschrötiger Mann löste sich aus der Gruppe von Menschen. „Was soll hier schon gewesen sein?“, raunzte er und schob sich den Hut aus der Stirn. „Sehen Sie sich doch mal um! Hier wächst kein verdammtes Gras. Nichts für Rinder. Nichts war hier! Gar nichts!“

      „Na, dann ist ein Parkplatz natürlich eine geniale Lösung“, sagte Shane trocken. Schon jetzt hing ihm der ganze Ort mit seinen idiotischen Einwohnern zum Hals heraus.

      „Gehört das Grundstück Ihnen?“, wandte er sich an den bulligen Mann.

      „Verdammt,


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