Outback Todesriff. Manuela Martini

Outback Todesriff - Manuela Martini


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Er kratzte sich den verfilzten Bart und bemerkte Andy. „Auch nicht von hier.“ Er musterte Andy von oben bis unten.

      „Bin auf der Durchreise.“

      „Ja, ja, auf der Durchreise sind sie alle, die Jungen, was will so einer wie du auch hier in diesem Nest, was Jo?“ Er suchte bei Jo Zustimmung, doch sie kramte unter der Theke nach Tüten.

      „Willst sicher an die Küste?“ Er wippte auf den Schuhspitzen.

      „Nein, nach Lambina.“

      „Lambina?“ Der Alte zog die Stirn in Falten. „Was willst´n da? Opal, was? Soll aber nix mehr zu holen sein. Und die Aborigines geben nix her, haben ihren Native Title drauf. Die haben überall ihre dreckigen Pfoten drauf, wo es was zu holen gibt. Würd mich ja nicht wundern, wenn die mit dem Toten da was zu tun hätten. Ich würd an die Küste geh’n, wenn ich so jung wär wie du, was Jo?“ Der Alte gab ein krächzendes Lachen von sich und meinte zu Jo gewandt: „Haben gestern gerade von Peter gesprochen. Ist doch wieder Pferderennen und Rodeo.“ Er hustete. „Is’n Jammer!“ Er seufzte. „Sag Peter ´en schönen Gruß!“

      „Was wolltest du Rick?“, fragte Jo.

      „Ach ja, hätte ich fast vergessen. Die Zeitung von heute.“ Sie griff hinüber zum Zeitschriftenstapel. Er gab ihr einen Dollar, nahm die Zeitung und drehte sich im Weggehen noch einmal um.

      „Solltest dich beeilen, Junge, von hier wegzukommen. Es gibt Regen. Ungewöhnlich für die Jahreszeit.“

      Andy sah ihm nach. Die Türglocke bimmelte und dann war er wieder mit ihr allein. Etwas hinderte ihn daran, einfach Auf Wiedersehen zu sagen und zu gehen.

      „Er hat Recht. Wenn man erst mal hier festsitzt ...“, sagte sie und machte sich ans Ordnen der bereits gewissenhaft gestapelten Zeitungen. Als Andy die Tür aufzog, bimmelte es.

      „Du hast deine Cola vergessen!“ Er drehte sich um, nahm die beiden Dosen und konnte ihre Finger für eine Sekunde berühren. Wieder auf der Straße, fragte er sich, was so eine Frau wohl an so einen Ort verschlagen hatte.

      Es war zwei Uhr mittags. Er sollte sich beeilen wegzukommen. Wenn er Glück hatte, könnte er heute Abend schon dreihundert Kilometer weiter sein. Und so stapfte er den brüchigen Bürgersteig entlang. Die Läden hier hatte man aufgegeben. An manchen Türen klebten noch angerissene Aufkleber SALE und VISA CARD und PUSH und PULL. Andy legte die Hände an eine Scheibe und sah hinein. Von den Wänden blätterte der Putz. An einem Schrank hing ein vergilbter Bilderkalender mit einem Foto, das schneebedeckte Gipfel und eine Blockhütte zeigte. Von den Wänden baumelten Steckdosen an blanken Drähten; Teppichfliesen schimmerten grünlich. An manchen Stellen hatte man sie weggerissen, darunter kam grauer Beton zum Vorschein, auf dem der Teppichklebstoff gelbbraune Schlieren hinterlassen hatte. Hier will keiner bleiben, dachte Andy. Vielleicht war jemand im Pub, der ihn mitnehmen konnte.

       Shane

      Nach dem Lunch fuhr Shane mit Paddy zur Polizeistation, einer dünnwandigen Baracke, die man wegen der üblichen Überflutungen des Warrego Rivers auf Stelzen erbaut hatte. Paddy Dunegal schien nicht besonders begeistert zu sein, als Shane Drucker und Computer auf dem Schreibtisch in Paddys Büro installierte. Argwöhnisch beobachtete er ihn und räumte nur sehr widerwillig einen mit Papierstapeln, Ordnern und Zeitungen zugemüllten Schreibtisch frei.

      Shane tat so, als sei ihm das völlig egal, erledigte die notwendigen schriftlichen Arbeiten, schrieb einen SITREP, einen Situation Report, ließ die Firma kontaktieren, die die Bauarbeiten ausführte und ordnete an, den Arbeiter ausfindig zu machen, dem damals der Fehler unterlaufen war. Anschließend las er noch einmal die Aussage von Keith Duff, der die Leiche gefunden hatte und rief dann Jack im Brisbaner Headquarters an.

      Jack hatte keine guten Neuigkeiten:

      „Jetzt machen die uns da oben ganz schön Feuer unterm Arsch! Ich komm die nächsten Tage nicht mehr zum Schlafen. Ann ist verdammt sauer!“ Shane erinnerte sich, dass Ann wie Kim am Anfang stolz auf ihren Mann und seinen Erfolg gewesen war und gern das höhere Gehalt angenommen hatte, dann aber, als Erfolg und Geld selbstverständlich geworden waren, von ihrem Mann verlangt hatte, sich mehr der Familie zu widmen. Er wählte die Nummer des für die Region zuständigen Detectives Philipp Russell in Charleville. Er war aber nicht erreichbar und Shane ärgerte sich, dass Russell es offenbar überhaupt nicht für nötig hielt, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Russell war es doch, der sich hier auskannte und auf dessen Hilfe er angewiesen war. So musste er sich zunächst mit Dunegal und Webster zufrieden geben.

      Der Kollege von der Spurensicherung kam herein und teilte Shane mit, dass sie den Kopf noch nicht gefunden hatten und morgen weitermachen würden. „Dr. Lee“, berichtete er, „ist schon mit der Leiche abgeflogen, ich soll Ihnen ausrichten, dass sie sich so schnell wie möglich meldet.“ Sie war also gegangen, ohne sich von ihm zu verabschieden, dachte Shane, und er ärgerte sich schon wieder. Alles lief irgendwie falsch. Er hatte keine Ahnung, in welche Richtung er ermitteln sollte. Vielleicht ein Ritualmord? Vielleicht hatte ja sogar Kate Recht, mit ihrer Bemerkung, dass der Täter ein Aborigine sein konnte. Nein, er hatte das Gefühl, der Falsche hier zu sein. Er sollte nicht hier sein! Und wieder dachte er an Eliza Lee. Sie hatte ihn in seiner Eitelkeit verletzt, als sie einfach so gegangen war. Nein, es lief nichts so, wie es laufen sollte.

       Andy

      Er ging an einem kläffenden Hund auf einem Pritschenwagen vorbei, der an seiner Leine zerrte, überquerte die Straße und stieß die Schwingtür des Pubs auf. Im Pub weiß immer einer Bescheid, wie es weitergeht, dachte Andy.

      Keine Minute brauchte er, um zu wissen, dass das keine gute Idee gewesen war.

      Schummriges Licht, Geruch nach Rauch und Bier, dunkle, schwere Tische und Stühle, fünf Männer; zwei mit karierten Hemden und alten Hüten lehnten mit einem Bier an der Bar, ein anderer mit struppigem Haar und Bart spielte gelangweilt an einer der Pokermaschinen. Die anderen beiden hockten an einem Tisch und rauchten. Hinter dem Tresen zapfte eine Frau Bier. Blechern klimperte einer dieser ewig gleichen Countrysongs aus den Lautsprechern. Als er hereinkam drehten sich alle Köpfe zu ihm.

      „Ein FourX“, bestellte er an der Theke.

      „Bist du schon achtzehn?“, fragte die Frau und musterte ihn. Sie hatte unreine Haut, auf den Wangen geplatzte Äderchen und vom Rauchen eine raue Stimme. Die Männer lachten. Die Frau lachte auch und meinte:

      „Na ja, die Cops sind ja weg.“ Sie zapfte ein Bier und die Männer lachten wieder.

      „Zwei fünfzig“, sagte sie und stellte das randvolle Glas auf den Tresen. Andy zählte das Geld passend ab. Dann nahm er einen Schluck, holte Luft, nahm seinen Mut zusammen und fragte in die Runde:

      „Ich will heute noch weiter in Richtung Süden. Kann mich einer von euch vielleicht mitnehmen?“

      „Wenn ich hier fremd wäre, würd ich auch abhauen! Wo sie doch gerade den Toten gefunden haben“, bemerkte die Frau an der Theke.

      „Kate, red’ doch nicht so!“, schaltete sich der Typ am Spielautomaten ein, „der denkt sonst, wir murksten hier Fremde ab!“ Er grinste breit und die anderen Männer lachten wieder. In dem Moment kam Rick, der knochige Alte aus Jos Laden, vom Klo. Er machte seinen Gürtel zu.

      „Junge, du bist ja immer noch da“, krächzte er.

      Die Frau zapfte dem Alten ein Bier. Andy fühlte sich unter den zotteligen Männern unwohl.

      „Ich such noch ´ne Mitfahrgelegenheit Richtung Süden“, wiederholte er.

      „Warum fährst du nicht zur Küste, wie ich’s dir geraten hab?“ Rick stürzte das Bier hinunter.

      „So ´n Arschgesichtchen wie du gehört an die Küste zu Mama!“, fing der am Spielautomaten wieder an.

      „Oder zu den Schwanzlutschern“, brummte einer an der Theke, worauf alle laut lachten, nur Rick und die Frau nicht. Da trat der Alte näher zu Andy, so dass er dessen Atem riechen konnte.

      „Jos


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