Outback Todesriff. Manuela Martini

Outback Todesriff - Manuela Martini


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Glühbirne warf gelbliches Licht auf den schmalen Flur, von dessen Wänden sich eine Blümchentapete ablöste.

      Andy stapfte hinter Brady her, über einen klebrigen Linoleumfußboden, während Brady eine Tür nach der anderen aufriss als wäre er Immobilienmakler.

      „Die Küche!“ Wie in unserem Wohnwagen, dachte er, stapelweise schmutziges Geschirr.

      „Mein Zimmer.“ Poster von Heavy Metal Bands und Kricket-Stars an den Wänden. Auf dem Bett haufenweise Kleider und Bettzeug, daneben, auf dem fleckigen Teppich, Comic-Hefte. Brady ließ die Tür offen.

      „Und da, Mikes Zimmer.“ Ein schmales Bett, ein hoher Schrank, hinter dessen Türen Klamotten hervorquollen. Spielzeugautos und Plastikfiguren mit Muskeln und Waffen lagen auf dem gewellten und fleckigen Teppich.

      „Und das?“, fragte Andy.

      „Das?“ Brady zögerte einen kurzen Moment. „Das war das Zimmer meiner Eltern. Mein Alter ist schon seit ein paar Jahren tot, und unsere Mum mussten wir in die Klapse bringen, Alzheimer.“

      „Tut mir leid.“

      Brady ging hastig an der Tür vorbei.

      Sie standen in einem altmodisch eingerichteten Zimmer mit abgestoßenen Möbeln und vergilbten Tapeten.

      „Du kannst da auf der Couch pennen.“ Er ließ sich auf das zerfledderte Sofa fallen. „Und eine Veranda gibt es auch. Man kann die ganze Nacht draußen sitzen, quatschen, saufen und rauchen. Hab gerade erst das Fliegennetz hier überall geflickt!“ Brady schob die Verandatür auf. Die Dielen waren morsch, man hätte sie längst streichen müssen.

      Andy gefiel es hier. Und es gefiel ihm noch mehr, dass hier keine Eltern wohnten. Er ließ sich in einen der alten Schaukelstühle fallen und zog ein Päckchen Zigaretten aus der Hosentasche. Ja, ihm gefiel es hier.

      Sie rauchten und tranken Bier. Bald würde es dunkel sein. Die Grillen zirpten.

      „Komisches Leben auf so´ner Mine. Muss man wohl für geboren sein. Ich könnt so was nicht, brauch immer ´n paar Leute zum Quatschen, `ne Kneipe, muss rumfahren ... na ja, was man halt so macht“, sagte Brady. Andy nickte. Genau das hatte ihm auch gefehlt.

      „Ich hab es einfach nicht mehr ausgehalten!“ Andy fühlte sich endlich verstanden. Da kam Mike.

      „He, ihr Säcke, habt ihr mir auch was übrig gelassen?“ Mike zog einen alten Ohrensessel auf die Veranda. Andy fand, dass er aussah, wie ein nicht ganz fertig gewordener Brady. Alles war ein wenig grober als bei seinem Bruder. Überhaupt wirkte Mike, als wäre er zwar nicht besonders helle, aber ein guter Kumpel. Und schließlich kam es ja darauf an, sagte er sich.

      „Mike sorgt immer für was zu trinken, stimmt`s?“, sagte Brady.

      „Ja, ja.“ Als Mike lachte, sah Andy, dass seine hinteren Backenzähne fehlten.

      „Andy will nach Lamina, Opale finden! Hab ihn aber erst mal davon abgebracht!“ Brady öffnete eine neue Flasche.

      „Opale?“ Mike kratzte sich am Hinterkopf.

      „Ja, da muss man richtig schuften. Wär nix für mich!“, sagte Brady und nahm einen Schluck Bier.

      „Ist eigentlich ziemlich cool“, erwiderte Andy, „du bist immer im Freien, sitzt nicht von neun bis fünf im Büro, bist dein eigener Boss und abends gibt`s Lagerfeuer unterm Sternenhimmel.“ Aber er wusste, dass er das alles beschönigte. Er war ganz und gar nicht sein eigenen Herr, und Lagerfeuer gab es nur, wenn jemand sie besuchte.

      „Und dann ist da natürlich der Schotter“, fuhr Andy fort. „Es gibt Gewinner und Verlierer. Die einen finden Opale, die anderen finden nie was.“ Andy zuckte die Schultern. „Niemand kann dir sagen, woran das liegt.“

      Brady grinste Andy herausfordernd an.

      „Und was bist du? Gewinner oder Verlierer?“ Andy zögerte, lachte dann und sagte: „Gewinner natürlich!“

      „Habt ihr auch so ´nen Kohldampf wie ich?“, fragte Brady. Er stand auf und briet in der Küche ein paar Eier. Sie aßen auf der Veranda. Der Mond schimmerte weiß durch die Wolken. Andy fühlte sich wohl. Das hatte er sich immer gewünscht. Als hätte Brady seine Gedanken gelesen, sagte er:

      „Du kannst hier bleiben, so lange du willst.“

      Irgendwann schleppten sie sich ins Haus, weil es kalt geworden war. Bevor Andy sich auf dem Sofa auf die Seite drehte, dachte er an seinen Vater im Camp. Er verdrängte die Gedanken, wollte jetzt nicht an seinem Vorhaben zweifeln – und sich nicht selbst den Abend verderben.

      Als er in der Ferne die raue Stimme eines Didgeridoos hörte, überwältigte ihn endlich der Schlaf.

      In der Nacht tastete er sich im Dunkeln zum Klo. Auf dem Rückweg zur Couch stieß sein Zeh an etwas Hartes, Metallisches. Er fluchte, suchte den Lichtschalter und fand ihn endlich. Das Licht flackerte auf, und er starrte auf einen offenen Kasten mit einer Axt. Erzählten nicht alle von dem Mörder, der seine Opfer mit der Axt enthauptete?

      „He, suchst du was?“ Er drehte sich um. Vor ihm stand Brady in Boxershorts. Breit wie ein Klotz. Die Arme in die Seiten gestemmt.

      „Hab mich in eurem Riesenhaus verlaufen ...“

      Brady musterte ihn mit zusammengekniffenen Augen und klappte mit dem Fuß den Deckel des Kastens zu.

      „Mach nächstes Mal gleich das Licht an.“

      Andy nickte. Hier hat bestimmt jeder eine Axt im Haus, sagte er sich.

       Shane

      Er hatte besser geschlafen als erwartet und wurde erst von seinem Wecker aus dem Schlaf gerissen. Obwohl auch das Pub Frühstück anbot, ging er ein paar Meter weiter, in Best’s Coffee Shop. Er schlang einen zu stark gerösteten Toast mit zu süßer Orangenmarmelade hinunter, spülte mit dem Rest Kaffee nach, und ging, um in Paddy Dunegals Wagen zu steigen, der gerade heranrollte.

      „Na, gut geschlafen?“, fragte Paddy und fuhr los.

      „Ich werde es weiterempfehlen“, murmelte Shane und verbarg nicht seine schlechte Laune. Paddy roch durchdringend nach Duschgel. Und sein kurzes, fellartiges Haar war noch nass.

      „Als ich in Ihrem Alter war, hab ich mir den Ärger aber nicht so raushängen lassen“, bemerkte Paddy und sah ihn von der Seite an. „Haben Sie auch mal gute Laune im Programm?“

      Shane grunzte etwas Unverständliches und sah bis sie ankamen zum Fenster hinaus.

      Das, was am Donnerstag noch ein stattlicher Parkplatz gewesen war, hatte sich in einen Bombenkrater verwandelt. Dunegal stellte den Wagen an der Straße ab und folgte Shane über Teerbrocken und Erdhügel zu dem Kollegen von der Spurensicherung.

      „Wo verdammt noch mal ist der Kopf?“ Shane blickte suchend über die umgegrabene Erde, als könnte ihn dort jemand übersehen haben. Talbot Wood von der Spurensicherung gab ein Zeichen, und Keith Duff schaltete den Bagger aus.

      „Noch nichts gefunden. Sieht schlecht aus. Wir sind fast durch“, rief Talbot zu ihnen herüber.

      „Da haben Sie den Schlamassel!“, meinte Paddy, „jetzt kriegen Sie wohl ziemlichen Ärger mit Billy Henderson. Der will hier endlich seinen Spielclub mit Motel hier bauen. Und jetzt so was!“ Paddy verschränkte die Arme vor seinem immensen Oberkörper. Dann sah er zu Talbot.

      „Wenn Sie nicht gleich diese alberne Kappe gegen ´n richtigen Hut umtauschen, fallen Ihnen heute Mittag die Ohren ab!“

      Talbot griff an seine Ohren.

      „Man merkt, dass Sie noch nicht lange hier draußen bei uns im Busch sind“, Paddy schüttelte den Kopf.

      „Hören Sie mir mit diesem Billy Henderson auf!“, sagte Shane, „der kann mich mal.“ Und er kickte wütend gegen einen Stein. Der verfehlte nur um ein Haar Dunegals Wagen. Dunegal sah Shane wütend an, doch der zuckte nur mit den Schultern und wandte sich


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