Anaconny. Lewis Cowley
kann sie bis zu einem Jahr ohne Nahrung auskommen, wenn sie vollgefressen ist. Das hat jedenfalls Herr Reiner gesagt, und der muss es ja wissen.“
„Trotzdem gefällt mir das nicht, dass sie so still da sitzt.“ sagte der andere Arbeiter. „Das heißt, dass sie jeden Moment angreifen kann.“
„Aber keine Menschen.“ belehrte ihn der Kollege. „Außerdem ist sie satt und noch nicht ausgewachsen. Sie will nur in ihr neues Haus.“
Zwei Monate waren vergangen. Es war an einem Freitag Mittag, als der Innenbaumeister als letztes die automatische Tür verschlossen hatte. Sie war elektronisch so gesteuert, dass nur Conny und Hubert sie öffnen konnten. Der Mann ging auf den Unternehmer zu.
„Es ist vollbracht.“ sagte er. „Hier steht nun das ungewöhnlichste Bauwerk der heutigen Zeit.“
Schon kam Architekt Wendler auf Hubert zu.
„Alles, was Sie wollten, ist hier realisiert worden.“ bestätigte er. „Man könnte fast sagen: Ein Traumschloss für Conny.“
„Danke an alle.“ sagte Hubert leise. Dabei teilte er Geldscheine aus, die er allen Arbeitern in die Hände drückte.
Er beobachtete noch, wie alle Männer in ihre Fahrzeuge stiegen und abfuhren. Dann wandte er sich an seine Schlange und sagte:
„Geh in dein Haus.“
Conny hatte erfahren, wie sie ihr Haus öffnen konnte. Sie streckte ihre Schwanzspitze aus und führte sie in das kleine Loch. Ein hochsensitives Gerät registrierte die Körperwärme von Conny und schon öffnete sich die schwere Tür, die 27 Tonnen wog.
Conny kroch nach vorne. Sie hatte die Innenausstattung noch nie gesehen. Jetzt trat sie ein und erblickte etwas Einzigartiges: Ein riesiges Bad, 16 x 16 Meter, in dem ständig warmes Wasser einlief. Viele Pflanzen, die das Amazonasgebiet nur annähernd darstellten, doch Conny betrachtete sich das Paradies, ohne zu wissen, wo sie anfangen sollte. Insgesamt dürfte das Haus 1000 m2 groß sein.
Dann wandte sie sich um und schaute ihren Papa still an. Hubert schlang seine Arme um Conny und sagte:
„Es macht mich so glücklich, dass es dir gefällt.“
Was nun folgte, kam einer Liebesszene gleich. Conny umschlang ihr Herrchen, allerdings ganz zart. Dann schaute sie ihn wieder an. In ihren Augen zeigte sich eine Reaktion, die Hubert bereits kannte. Dann näherte sie sich ihm und ihr Maul berührte seinen Mund. Hubert wagte keine Bewegung, denn er wusste: Das war ihre Art, zu sagen:
„Ich hab dich lieb, Herrchen.“
Fast eine Minute lang blieb sie bewegungslos. Hubert wusste, dass Ungeduld hier nicht angebracht gewesen wäre. Unter diesen Umständen wäre es auch nicht möglich gewesen, denn wie sollte er sich aus der Umarmung der Schlange befreien können? Er sah nur die glücklichen Augen von Conny.
Doch dann löste sich die Schlange von ihrem Herrchen und ging in ihr Haus. Die Tür schloss sich und Hubert konnte sie zischen hören. Er hatte vorsichtshalber Lautsprecher in die Steine eingebaut und im Inneren waren auch Überwachungskameras installiert. Schnell lief er in sein Haus und schaltete die Monitore an. Conny hatte ihn während der Bauarbeiten wochenlang nicht mehr besucht und so konnte er die Kameras einbauen. Er schaltete die Monitore an und sah eine äußerst glückliche Schlange. Sie tobte durch ihr Haus und sprang in die riesige Wanne. Dabei spritzte viel Wasser heraus. Doch ein großer Bodengully nahm das Wasser wieder auf und so konnte keine Überschwemmung entstehen. Hubert hatte wirklich an alles gedacht.
Er schaltete die Monitore auf Standby. Sollte seiner Schlange, aus welchen Gründen auch immer, etwas zustoßen, so konnte er ihr helfen, denn die Kameras waren auch an sein Handy gekoppelt. Das war allerdings nicht nötig, da er nie ohne seine Schlange ausging. Hubert wähnte seine Anakonda sicher und legte sich hin.
Am nächsten Tag überschlugen sich die Ereignisse, denn Hubert hatte trotz aller Sicherheitseinrichtungen für Conny eines übersehen. Fast 300 Kinder standen vor ihrem Haus. Conny wusste nicht, wie sie die Tür von innen öffnen konnte, denn Hubert hatte es ihn nicht gezeigt. Da auch sein Haus völlig schallisoliert war und er alle Geräte abgeschaltet hatte, bemerkte er nicht, was draußen los war.
Doch Conny war nicht dumm. Sie entdeckte ein kleines Loch, rechts an der Tür, das mit dem von außen identisch schien. Sie streckte ihre Schwanzspitze hinein.
Jetzt öffnete sich die schwere Tür. Sofort strömten viele Kinder hinein und bestaunten Conny´s Haus. Die Schlange verhielt sich fast wie ein Fremdenführer. Sie zeigte den Kindern ihr Bad und auch ihre Toilette, die zwar etwas seltsam aussah, aber sehr praktisch war. Eine lange Kette ragte nach unten und sie zeigte ihren kleinen Besuchern, wie es funktionierte.
Viele Kinder kuschelten sich an Conny. Trotz ihrer Größe war sie ganz friedlich. Eine Szene war unvergesslich, als ein kleiner Junge ein Fleischstück aus seiner Tasche holte und es Conny vor das Maul hielt.
Die Schlange öffnete weit ihr Maul und der Junge warf das Fleisch hinein. Sofort verschlang die Anakonda das Fleischstück. Dann reckte sie ihren Kopf zu dem kleinen Jungen.
„Schmeckt´s?“ fragte er.
Langsam glitt Conny´s Zunge aus dem Maul und schleckte den Jungen ab. Die anderen Kinder standen bewegungslos da und verfolgten die Szene. Hätte Hubert das gesehen, wusste er: Es war ihre Art, einem fremden Kind Danke zu sagen.
Doch das Haus rief nicht nur Kinder auf den Plan. Ein Mann zeigte sich sehr ungehalten. Er drängte sich in Conny´s Haus und schrie:
„Ich mach euch fertig!“ stieg in seinen Wagen und haute ab.
Wer war der Mann? Niemand schien eine Antwort darauf zu finden. Doch nun trat Hubert aus seinem Haus. Er hatte noch eine Arbeit fertig gemacht und sah nun, was los war. Kaum hatte er sich über die Situation ein Bild gemacht, tauchte schon ein Wagen auf.
Es war Kurt.
Sofort sprang er aus sein Auto und lief auf Hubert zu.
„Er war hier.“ rief er. „Leider habe ich ihn verpasst. Mein Wagen ist ja nicht so schnell.“
„Wer soll hier gewesen sein?“ fragte Hubert.
Schon erfuhr er von einigen Kindern, was geschehen war.
„Das kann nur dieser Rudi gewesen sein.“ erkannte Hubert. „Wer sonst.“
„Er war es auch.“ bestätigte Kurt. „Jetzt weiß er, wie er dich fertigmachen kann.“
„Du musst ihm unbedingt zuvorkommen.“ befahl Hubert.
„Ist schon erledigt.“ grinste der Reporter. „Ich verwette mein edelstes Körperteil dafür, dass er nächste Woche keine gute Figur macht.“
„Ich verlass mich auf dich, tschau.“ sagte Hubert.
Schon war Kurt verschwunden. Hubert konnte sich jetzt dem Gedränge widmen, das unzählige Kinder in Conny´s Bad unternahmen. Die Riesenschlange schien sich nicht daran zu stören, im Gegenteil. Viele Kinder hatten sogar Badesachen dabei oder zogen sich aus. Dann sprangen sie in die gigantische Badewanne, die eher einem ungeheuren Whirlpool glich. Conny gesellte sich dazu und die Kleinen durften sogar auf ihrem Rücken reiten. Belustigt beobachtete Hubert das Geschehen und jetzt kam ihm eine gute Idee. Warum nicht daraus ein Geschäft machen?
Er beobachtete, wie die Kinder im Conny´s Pool schwammen und auch auf ihrem Rücken ritten. Das war es. Ein kleines Loch in die Hauswand und schon konnten Kinder Spendengelder einwerfen. Dieses Geld könnte Hubert für Fressen und Pflege investieren.
Als er sah, wie liebevoll Conny mit den Kindern umging, fasste er seine Idee um. Conny würde sich um die Kinder kümmern und er um ihre Haltung. Hubert war total besessen von dieser Idee, dass er sich noch heute Nacht einen Plan ausdenken würde.
Am nächsten Montag rief der Unternehmer den Baumeister Klose an. Der sollte ihm eine Art unterirdischen Hochsicherheitstresor bauen. Der Mann war von der Idee begeistert und rief seine Truppe zusammen. Die ganze Sache sollte am Tag und möglichst