Baphomets Jünger. Julia Fromme
„Woher wollt Ihr das wissen?“, fragte Rudger. „Immerhin hat der Papst angeordnet, zunächst nicht mit Waffengewalt gegen die Templerniederlassungen vorzugehen.“
„Rudger, sei nicht naiv“, fuhr ihn Gero ungeduldig an. „Was glaubst du, interessiert es den Klerus, was diese Marionette von einem Papst anordnet? Der verkriecht sich hinter Philipp und hofft, dass der Kelch an ihm vorüber geht. Und wenn die geistlichen Herren fette Pfründe wittern, sind sie alle gleich.“
„Gehören wir nicht dem gleichen Klerus an?“, gelang es Rudger noch voller Ironie zu fragen, bevor sie am Torhaus anlangten. Gero warf ihm nur einen genervten Blick zu, dann schwang er sein Schwert und rannte Richtung Tor, dessen hölzerne Flügel bereits unter den schweren Hieben erzitterten.
„Lange können wir es nicht mehr halten“, rief ihnen Bruder Martin, der Torwächter, entgegen.
„Wir müssen Gero von hier fortbringen“, flüsterte Endres Rudger zu. „Er darf nicht in die Hände des Erzbischofs fallen.“ Rudger nickte. Mit kurzen Blicken verständigte er sich mit seinen drei Freunden. Dann umzingelten sie Gero von Mücheln und wollten ihn in Richtung des hinteren Hofes drängen.
„Was zum Teufel macht ihr?“, fragte der Ritter ungehalten. „Wir müssen das Torhaus verteidigen!“
„Nein“, meinte Valten knapp. „Wir haben die Aufgabe, Euch vor den Häschern des Papstes zu retten.“
„Verdammt. Ich lasse mich von euch nicht wie einen unreifen Jungen behandeln. Wenn ihr der Meinung seid, dass wir dem Papst Paroli bieten, dann lasst uns kämpfen. Oder wollt ihr eure Brüder hier im Stich lassen?“ Wütend starrte er seine jungen Ritter an.
Immer wieder hatte sie in den vergangenen Monaten die Kunde von Verhaftungen der Templer in den Ordenshöfen im Rheinland und anderen Teilen des Reiches erreicht. Die Erzbischöfe von Mainz und Köln gingen dabei zwar, im Gegensatz zu ihrem Magdeburger Amtskollegen, nur sehr zögerlich vor, dennoch vermieden sie es, sich dem Papst zu widersetzen. Was aus ihren Ordensbrüdern in diesen Gebieten geworden war, wusste Rudger allerdings nicht. Sie hatten gehört, dass ihre Besitzungen einbehalten worden waren, mehr noch, sogar ihre Familien wurden ihres Besitzes beraubt. In welchem Ausmaß es jedoch zu solchen Übergriffen gekommen war, konnte ihnen hier in Mücheln niemand genau sagen. Aber die Lage wurde immer ernster, denn der Erzbischof von Magdeburg, unter dessen Einflussbereich sie hier standen, ging mit harter Hand gegen die Templer und ihre Familien vor. Doch dass sie so schnell vor den Toren Müchelns stehen würden, hatte keiner geahnt.
Bei Rudgers Weggang aus Wichmannsdorf hatte Friedrich von Alvensleben den jungen Templer gebeten, das Leben Geros von Mücheln zu beschützen. Eine Verhaftung des Komturs sollte unbedingt verhindert werden. Doch konnten sie Gero jetzt schlecht eins über den Schädel ziehen und ihn mit Gewalt fortschleppen. Etwas ratlos standen die vier Ritter um ihren Meister herum. Er hatte ja recht. Wie konnten sie ihre Brüder jetzt hier im Stich lassen. Wenn sie gingen, wären es fünf Männer weniger, die sich den erzbischöflichen Schergen entgegenstellen konnten. Damit würde der Ordenshof zu einer leichten Beute für die Magdeburger.
Rudger erhob die Hand und gebot seinen drei Freunden Einhalt, denn noch immer versuchten sie Gero den Weg zum Torhaus zu versperren.
„Lasst es gut sein“, wies er seine Gefährten an. Sie traten von Gero zurück, dennoch blieb ihre Haltung angespannt.
„Verzeiht Meister“, wandte er sich an den Komtur. „Wir wollten Euch keine Gewalt antun. Doch der Ordensmeister hat uns Euer Leben anvertraut. Was liegt also näher, als Euch aus der Gefahrenzone zu bringen?“ Ein schiefes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. Doch Gero funkelte ihn immer noch wütend an. Auch Endres, Jorge und Valten murmelten eine Entschuldigung. Sie waren nicht ganz einverstanden damit, dass sich Gero nicht zum Rückzug überreden ließ. Allerdings sahen sie sich gezwungen, seinem Befehl, ihn in Ruhe zu lassen, Folge zu leisten.
Wortlos wandte sich Gero ab und eilte in Richtung Tor. Den vier Rittern blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. In dem Moment, als sie an der Pforte ankamen, zerbarsten die Flügel des Tores, und fast ein Dutzend Reiter sprengte in den kleinen Hof.
„Was denken die sich?“, schrie Valten. „Dieses Lumpenpack soll zu spüren bekommen, wen sie hier vor sich haben!“ Die Sorge um Gero war vorerst vergessen. Jetzt zählte nur noch, die Eindringlinge aufzuhalten und niederzumachen. Valten schwang sein Schwert und rammte es dem Kerl, der siegessicher auf ihn zugerannt kam, in den Wanst. Mit einem ungläubigen Staunen auf dem Gesicht sackte dieser leblos in sich zusammen. Doch Valten zog ungerührt seine Waffe aus dem Körper des Mannes, nur um es blitzschnell erneut gegen einen zweiten Angreifer zu erheben. Mit einem lauten Schrei erwischte er auch diesen.
„Lass uns noch paar übrig!“, schrie Endres und sein breites Grinsen verlieh ihm beinahe etwas Diabolisches.
Der Torwächter hatte sich in eine Ecke verzogen und beobachtete das Geschehen mit furchtsamer Miene. „Herr im Himmel, erlaube nicht, dass diese Schergen des Teufels unseren Ordenshof in ihre Hände kriegen.“ Doch nach und nach reifte in ihm die Erkenntnis, dass auch die Ritter seines Ordens mehr teuflischen Gesellen als Menschen aus Fleisch und Blut glichen. Verzweifelt schlug er die Hände vors Gesicht.
Im Schein der Fackeln, die in Halterungen im Torhaus angebracht waren, blitzten die Schwerter der Kämpfenden auf. Immer wieder sausten die Klingen hernieder, die Schreie der Getroffenen erfüllten den Hof, das Klirren der aufeinandertreffenden Waffen hallte von den Wänden wider. Dann war es plötzlich still. Die Eindringlinge lagen erschlagen am Boden.
Bruder Martin lugte vorsichtig zwischen seinen Fingern hindurch. Er sah, wie der Komtur schwer atmend in gebeugter Haltung auf sein Schwert gestützt neben einem Gefallenen stand. Doch schien dieser eine Mann noch am Leben zu sein.
„Macht ein Ende mit ihm, Meister, wie mit den anderen“, hörte er Valten sagen.
Gero schüttelte nur stumm den Kopf. Langsam richtete er sich auf. Sein Blick schweifte über den Kampfplatz. Er holte tief Luft, dann wandte er sich an seine Ritter. Trotzig blickte ihm Valten entgegen.
„Es wird nicht der letzte Angriff des Magdeburger Erzbischofs auf unser Anwesen gewesen sein. Wir werden unsere Verteidigung stärken müssen.“
„Sollen sie ruhig über uns herfallen, sie werden uns nicht besiegen“, meinte Valten wütend. Er schien vergessen zu haben, dass er noch wenige Augenblicke zuvor seinen Komtur aus Mücheln fortbringen wollte.
„Nein“, sagte Rudger leise. Doch in seiner Stimme schwang Bestimmtheit mit. Die anderen ihn starrten sprachlos an. „Glaubt ihr wirklich, Burchard von Schraplau wird zaghafter gegen uns Templer vorgehen als sein Amtsvorgänger Heinrich? Der neue Erzbischof von Magdeburg ist für seine Hörigkeit dem Papst gegenüber bekannt. Und dieser hat unter dem Einfluss Philipps von Frankreich der Vernichtung unseres Ordens nichts entgegenzusetzen.“
„Und was rätst du uns, was wir tun sollen? Haben wir denn eine andere Wahl, als unsere Tore und Mauern zu verstärken und darauf zu hoffen, dass die Bürger der Stadt Halle und die Bauern hier uns beistehen?“, fragte Gero, doch schien in seiner Stimme Resignation mitzuschwingen.
„Genau, lasst uns kämpfen. Sollen sie doch kommen, die Schergen Burchards!“, rief Valten ungestüm.
„Ich sage Euch, was wir tun werden“, meinte Rudger. „Wir verschwinden von hier.“
„Was!“
„Das kann nicht dein Ernst sein!“
„Du machst Scherze!“ Die Ritter starrten ihn ungläubig an, als wären ihm mit einem Mal zwei Köpfe gewachsen.
„Lache ich etwa?“, fragte Rudger mit eisiger Stimme, die den anderen einen Schauer über den Rücken sandte.
„Hört auf“, befahl jetzt Gero, der sich wieder gefasst zu haben schien. „Natürlich werden wir unsren Besitz gegen unsre Feinde verteidigen.“ Herausfordernd blickte er Rudger an. Auch die Ritter, welche schon seit längerer Zeit zum Müchelner Hof gehörten, stellten sich schützend um ihren Komtur.
„Was