Mann meiner Träume. Nicole Knoblauch
zweite zu bekommen.“
„Man kann seine Ehefrau nicht verlassen und eine andere heiraten!“, warf er mit triumphierendem Lächeln ein.
Richtig, die Scheidung würde es auch erst nach 1789 geben. „Die Revolution wird viel verändern. Mann und Frau müssen nicht mehr ein Leben lang zusammen bleiben. Man kann sich scheiden lassen.“
Er nickte bedächtig. „Das heißt, meine Frau und ich wollen nicht mehr zusammenleben?“
„So in der Art, ja.“
„Was heißt 'so in der Art'?“
Ich seufzte. Gut, die Wahrheit: „Sie wird kein Interesse an der Scheidung haben.“
„Aber ich? Betrügt sie mich? Liebe ich eine andere?“
Die Fragen kamen immer schneller. Meine Antworten immer zögernder. „Nein, Ihr müsst Eure Macht festigen und wollt dafür eine Frau aus einem Kaiserhaus. Joséphine kann keine Kinder bekommen und Ihr braucht einen legitimen Erben.“
Er nickte und schürzte kurz die Lippen: „Ich werde illegitime Kinder haben?“
„Zwei Söhne.“ Nur die hatte er offiziell anerkannt.
Abwehrend verschränkte er die Arme vor der Brust. „Von einer Frau?“
„Nein, von zwei.“
Seinen Blick skeptisch zu nennen, wäre untertrieben. „Aha!“ Mehr sagte er nicht. Dann kam er zum ursprünglichen Thema zurück: „Und meine Verlobte verlasse ich, da ich meine erste Frau kennenlerne?“ Er zögerte kurz. „Ich wage kaum, zu fragen: Ich liebe meine Verlobte nicht?“
„Ich weiß nicht, ob Ihr Eure Verlobte lieben werdet.“ Ich hatte mir nie Gedanken über Napoléons Gefühle für Désirée Clary gemacht. Es gab zwar noch einige seiner Briefe an Désirée, doch sie klangen eher belehrend als liebend. Nicht zu vergleichen mit den heiß glühenden Briefen an seine erste Frau Joséphine.
„Sicher ist, dass Ihr von ihr getrennt sein werdet. In dieser Zeit trefft Ihr Joséphine und heiratet sie. Wenn ich das richtig verstehe, soll sie Eure große Liebe sein."
Er stützte das Kinn auf die Hände und musterte mich aufmerksam. „Man könnte glauben, Ihr könntet diese Frau nicht leiden.“
Ich muss überrascht ausgesehen haben, denn er sagte mit einem schiefen Grinsen: „Euer Tonfall hat sich verändert, als Ihr den Namen Joséphine ausgesprochen habt.“
Die Bücher hatten recht: Er war ein guter Beobachter und hatte mich ertappt.
„Na ja, irgendwie stimmt das. Ich glaube nicht, dass ich sie mögen würde.“
Die Wahrheit war, dass ich mich immer gefragt hatte, was er an dieser Frau gefunden hat. Sie belog und betrog ihn und er verzieh ihr wieder und wieder. Vielleicht stimmt es, dass Liebe blind macht. Er bemerkte jedenfalls irgendwann, was sie trieb - und zahlte es ihr mit gleicher Münze heim. Geliebt hat er sie aber auf seine Weise bis zum Schluss. Was wohl geworden wäre, wenn sie seine Gefühle erwidert hätte?
„Ich werde sie lieben?“ Er runzelte die Stirn. „Das macht keinen Sinn. Vorhin sagtet Ihr, ich würde sie verlassen. Aus Machtgier, wenn ich das richtig verstanden habe.“
Das hatte ich zwar so nicht gesagt, aber gemeint. Wie sollte ich ihm das erklären? „Jede Liebe, die nicht erwidert wird, stirbt irgendwann.“
Seine Miene verschloss sich. „Sie liebt mich also nicht. Wird es den Frauen und Kindern gut gehen?“ Sein ernster, nüchterner Tonfall, sollte wohl verbergen, wie wichtig ihm diese Frage war.
„Ja. Ihr werdet Eure Kinder finanziell absichern. Eure Verlobte wird einen Eurer Marschälle heiraten und durch Joséphs Frau wird sie zu Eurer Schwägerin. Und was Joséphine angeht: Sie wird ein Leben in Ruhm und Ansehen führen und nicht nachtragend sein.“
Schon als ich Joséphs Namen erwähnte, schürzte er die Lippen und zog die Brauen hoch. „Ihr meint meinen Bruder Giuseppe? Warum nennt Ihr ihn Joséph?“
„Die ganze Familie wird die Namen ändern. Giuseppe wird zu Joséph, Luciano wird Lucien, Anna wird Elisa, Luigi wird Louis, Paola nennt sich Pauline, Annunziata wird Caroline, Girolamo wird Jerôme und Ihr werdet Napoléon Bonaparte und dann Napoléon I. Für Franzosen einfacher auszusprechen.“
Er starrte mich mit offenem Mund an. „Ihr kennt die Namen all meiner Geschwister? In der Reihenfolge ihrer Geburt? Der kleine Girolamo ist gerade mal zwei Jahre alt. Ich habe ihn noch nie gesehen.“ Kopfschüttelnd fragte er weiter: „Wir sprachen von der Liebe. Was ist mit meiner zweiten Frau? Werde ich mit ihr glücklich?“
„Sie wird Euch den ersehnten Sohn schenken.“
Mehr wollte ich dazu nicht sagen. Nichts vom Ende, von Verbannung, Einsamkeit und Schmach. Ich hatte schon viel zu viel gesagt.
Das Gefühl gehen zu müssen, traf mich wie ein Schlag. Etwas in meinem Inneren zog mich von ihm weg. Ich kann es nicht besser beschreiben.
„Was soll ...“, begann er, doch ich unterbrach ihn: „Es tut mir leid, ich muss gehen.“
Er hielt mich zurück. Die Berührung zauberte ein Lächeln auf mein Gesicht.
„Wie alt seid Ihr, Marie?“
„Neunzehn.“ Glatt gelogen. Ich war siebenundzwanzig. Aber ich befand mich in einem Traum – und neunzehn passte besser zu sechzehn.
„Drei Jahre älter als ich. Woher kennt Ihr mich? Meinen Namen? Meine Familie?“
Ich hatte gehofft, er würde diese Frage nicht stellen. Also beschloss ich, sie einfach nicht zu beantworten. „Ich muss gehen.“
Erneut hielt er mich am Arm fest. „Werde ich Euch wiedersehen?“ Er errötete leicht. „Ich möchte Euch ein Geschenk machen, falls ich Kaiser werde.“
Würden wir uns wiedersehen? Ich würde gerne den etwas älteren Napoléon treffen. Der hier war fast noch ein Kind. „Möglicherweise“, antwortete ich mit ebenfalls brennenden Wangen und lief in die Nacht hinein.
„Wow, das nenne ich einen abgefahrenen Traum.“ Anna hatte aufmerksam zugehört und lehnte sich jetzt entspannt zurück.
„Sag ich doch. So was habe ich noch nie erlebt. Der Traum hielt mich den ganzen Tag gefangen.“ Versonnen lächelte Marie in ihr Weinglas.
„Und ich dachte, du wolltest nicht mit mir über Stefan reden.“
„Das auch.“ Sie grinste und streckte sich. „Alles war so real, Anna. Ich habe echte Erinnerungen, die nicht so klar sind.“
„Hast du eine Idee, warum du so etwas träumst?“
„Weil ich mich in den letzten Wochen wieder mit ihm beschäftigt habe? Ich habe viel gelesen und bin meinen Lieblingsfragen nachgegangen.“
Anna ließ ihre Cousine nur aus einem einzigen Grund weiter reden: Ihre große Erleichterung darüber, dass es Marie endlich besser zu gehen schien. Deshalb hörte sie zu, obwohl sie das alles mehr als einmal gehört hatte.
„Was trieb diesen Mann an?“, fragte Marie gerade. „Wie wurde er der Mensch, der er war? Wie begründete er sein Handeln? Warum sah er im einen Moment so klar und zog im nächsten scheinbar blind in den Untergang? Wieso wartete er einmal besonnen ab und schlug dann unüberlegt zu? Setzte sich mit einem Lächeln über alle Regeln hinweg, um sich ihnen im nächsten Moment zu unterwerfen? Das ist wahnsinnig spannend!“ Marie blickte zu Anna und lächelte reumütig. „Entschuldigung. Da ist meine Begeisterung mit mir durchgegangen.“
„Macht nichts.“ Anna streckte sich ausgiebig. „Ich freue mich ja, dass du wieder die Alte bist. Den Zombie, zu dem Stefan dich gemacht hatte, mochte ich nämlich nicht.“
„War unerträglich,