RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4). Indira Jackson

RAYAN - Die Serie (Teil 1 - 4) - Indira Jackson


Скачать книгу
dankbar oder wenigstens erleichtert zu sein, begegneten sie ihm mit Furcht und Verachtung – er war der Schlächter. Nun ja, er wollte ja ohnehin nicht hier bleiben. Job erledigen und weiterziehen! Nichts anderes zählte.

      Und tatsächlich musste er sich eingestehen, dass er sich manchmal auch vor sich selbst fürchtete, denn in keinem Moment hatte Yusuf ihm leidgetan, der sich das selbst eingebrockt hatte. Erst seinen Stamm verraten und dann die Konsequenzen nicht tragen wollen. Hätte er sich gleich kooperativ gezeigt, wäre ihm die Tortur erspart geblieben.

      Zwei der Männer schleppten den wimmernden Yusuf ins Zimmer. Jemand hatte sich die Mühe gemacht ihm zumindest notdürftig die Hände zu verbinden, um den Männern den schlimmsten Anblick zu ersparen.

      Trotzdem bot er ein entsetzliches Bild. Seine Kleidung war voller Blut. Seine Augen waren rot unterlaufen und über sein Kinn lief ihm Speichel. Am Geruch war erkennbar, dass er sich ebenfalls selbst besudelt hatte.

      Rayan hatte ihm zuerst Metallspäne unter die Nägel getrieben und danach die Nägel einzeln ausgerissen, sodass inzwischen an keinem der Finger mehr ein Nagel war und seine Finger eher blutigen Stumpen glichen. Das Wichtigste war daran das Timing - man musste sich Zeit lassen, alles langsam machen, damit der Gefangene genau sah, was als Nächstes auf ihn zukam. Jemand hatte einmal gesagt, dass foltern eine Kunst war – Rayan hatte dies für Polemik gehalten, sah inzwischen aber ein, dass zumindest ein gewisses Geschick und Veranlagung dazu vorhanden sein musste.

      Stockend, mit schwacher Stimme, aber ohne weiteres Zögern erzählte Yusuf seine Geschichte.

      Scheich Yuemnue al Harun hatte er vor etwa einem halben Jahr durch Zufall in der Oase von Farah beim Handeln getroffen. Er hatte beim Wetten auf Straußenkämpfe viel Geld verloren, erheblich mehr als er jemals besessen hatte und der Scheich hatte ihn vor seinen Gläubigern gerettet, indem er alle seine Schulden tilgte – auf einmal! Mit Zockern, die ihre Verluste nicht begleichen konnten, machte man in der Regel kurzen Prozess und hängte sie einfach auf. Dieses Schicksal hatte sein Retter ihm erspart. Er hatte ihm das Satellitentelefon gegeben und ihm gesagt, er müsse nichts Schlimmes tun, sich nur ab und zu melden. Ein netter kleiner Plausch mit seinem neuen Freund, nichts weiter.

      Und so hatte er sich immer weiter in seine ausweglose Lage hineinmanövriert.

      Rayan hörte der Geschichte emotionslos zu. Es war nichts Neues für ihn – im Grunde liefen diese Geschichten doch immer gleich ab. Irgendeinen Verlierer fand man immer, wenn man einen Verräter nötig hatte.

      Er hatte selbst bereits zu ähnlichen Methoden gegriffen, wenn er Insiderinformationen über Objekte seines Auftrages benötigte. Der Zweck heiligte die Mittel. Doch ihm war klar, dass die Geschichte für die Männer im Raum neu und es für sie wichtig war, zu verstehen, wie einer der ihren zu einem Verräter werden konnte.

      Es musste bereits gegen vier Uhr morgens sein, die Sonne würde bald aufgehen und am liebsten wäre Rayan irgendwohin gegangen, wo er alleine war. Schlafen würde er jetzt ohnehin nicht können.

      Nach einer Weile versuchte er, die Geschichte in Richtung der eigentlich relevanten Fragen zu lenken: Wie viel hatte Yusuf an Yuemnue verraten? Welche Details kannte er? Was war sein Plan? Und wie hatte dieser die Stämme überzeugen können?

      Yusuf schien erfreulicherweise nicht allzu viele Details gekannt zu haben. Er hatte die Anzahl der Krieger und Pferde von Zarifa durchgegeben und den Stand des Trainings und der Kampffertigkeit der einzelnen Männer, soweit er sie beurteilen konnte, da er selbst kein Krieger war.

      Dies waren jedoch alles Informationen, die nicht mehr relevant wären, würde Rayans Plan aufgehen.

      Der schlimmste Schaden wäre also gewesen, hätte Yusuf etwas vom am Vortag Besprochenen verraten können, was er und Hanif jedoch verhindert hatten.

      „Was machen wir nun mit ihm?“, fragte einer der Männer. „Aufhängen“, antworteten die meisten prompt. Bevor sie zur Aktion schreiten konnten, trat Rayan wieder nach vorne „Wir nehmen ihn mit – wir brauchen ihn noch, er hat einen Job zu erledigen.“

      Und wieder sagte er dies so bestimmt, dass keiner seine Entscheidung infrage stellte.

      Überrascht hob Yusuf den Kopf, er hatte mit seinem Leben abgeschlossen gehabt, nun begann er, vorsichtig wieder Hoffnung zu schöpfen.

      Rayan, der dies bemerkt hatte, lächelte kalt. „Wenn du wüsstest, wie der Job aussieht, den ich dir zugedacht habe“, dachte er bei sich.

      Sie einigten sich darauf, in zwei Stunden loszureiten, inzwischen brachten sie Yusuf wieder nach unten in den Kellerraum, wo er nicht entwischen konnte. Er wäre zwar kaum im Stande zu laufen, angesichts seiner Lage konnte man jedoch nicht sagen, ob er nicht doch ungeahnte Kräfte entwickeln würde. Sicher war sicher.

      2014 - Rub’al Khali, Oase Sabya - Überraschende Einladung

      Als Rayan und Hanif am folgenden Mittag mit den Männern in der Oase namens Sabya einritten, wartete eine Überraschung auf sie.

      Es handelte sich um einen Boten, der ihnen eine Einladung von Fürst Tarek al Abbas überbrachte. Er habe in der Oase von Tayma, nur zwei Tagesritte nördlich von hier, sein Lager aufgeschlagen, um die Hochzeit seiner einzigen Tochter Jamila zu feiern.

      Als er gehört habe, dass Scheich Suekran al Medina y Nayran persönlich in der Nähe sei, hätte er sofort den Boten mit einer Einladung losgesendet. Er wartete schon einige Tage hier auf ihn.

      Rayan sagte dem Boten, er solle sie zunächst ihre Pferde versorgen lassen und er wolle sich jetzt erst um seine Männer kümmern. Er würde ihm etwas später am Tag eine Antwort zukommen lassen. Es ging ihm darum, erst einmal Zeit zum Nachdenken zu gewinnen.

      Daher entfernte sich der Bote und Rayan rief Hanif und seine Gruppenführer zur Beratung zusammen.

      Sie kamen schnell überein, dass es sich wohl um eine ehrlich gemeinte Einladung handelte, der Fürst war immer ihr Verbündeter gewesen und hatte keinerlei Grund, ihnen eine Falle zu stellen.

      Aber mit der gesamten Reiterschar den Umweg nach Tayma auf sich zu nehmen, machte keinen Sinn, vor allem, da die Verletzten so bald wie möglich Ruhe benötigten. So kam man überein, dass nur ein kleiner Trupp den Scheich nach Tayma begleiten sollte, das Gros der Krieger würde wie geplant nach Zarifa weiterreiten.

      Rayan ließ den Gesandten nochmals kommen und bedankte sich bei ihm für die freundliche Geste und das Warten. Er solle seinem Herrn ausrichten, dass Scheich Suekran gerne die Einladung annahm und sich morgen früh mit fünf seiner Männer und einer seiner Ehefrauen in Richtung Tayma aufmachen würde.

      Der Bote konnte ein leichtes Erstaunen beim Erwähnen der Ehefrau nicht verbergen, fragte jedoch nicht genauer nach. Stattdessen verbeugte er sich und mit der Versicherung, die positive Nachricht mit Freuden seinem Herren zu überbringen, ritt er davon.

      Rayan fluchte. Das hatte ihm gefehlt. Er hatte mit Hanif hin und her diskutiert, was sie mit Carina tun sollten. Letzten Endes waren sie übereingekommen, dass es besser wäre, sie mitzunehmen. Dann aber offiziell als Frau. Ehefrauen waren weitestgehend tabu für andere, sodass das Risiko für Carina relativ gering war.

      2014 - Oase von Sabya - Die Verwandlung

      Der halbe Tag Ruhe hatte sowohl den Menschen als auch den Pferden gutgetan und so brach der große Pulk an Reitern am nächsten Morgen einigermaßen erholt auf. Die Männer freuten sich, dass sie in wenigen Tagen daheim sein würden.

      Zurück blieben Rayan, Hanif, Jassim, Nihat, zwei weitere Männer dessen Namen Carina nicht kannte und sie selbst.

      Rayan hatte es grinsend Nihat überlassen, ihr beizubringen, dass sie gerade zur Ehefrau befördert worden war und wie zu erwarten, nahm sie diese Nachricht nicht gerade mit Begeisterung auf.

      Als Hanif ihr dann am Abend vor ihrer Ankunft in Tayma noch schmunzelnd ihr Gewand überreichte, war sie kurz davor, um sich zu schlagen. Als gestandene, europäische Frau fiel es ihr wesentlich


Скачать книгу