Flo... Venezianische Nacht. Angela Hünnemeyer
sich selbst gegenüber gab, ohne dass darauf direkt wieder ein Aber erfolgte, war es auch jetzt nicht anders, als Karsten uns erreicht hatte und neugierig stehenblieb.
Er schaute Christian mit einem Röntgenblick von oben bis unten an. Eben war er noch zu sehr in Rage gewesen, wegen Sven, der mittlerweile das Weite gesucht hatte, doch nun hatte er etwas mehr Muße, sich mit dem, wie er dachte, komischen Neuankömmling zu beschäftigen.
Ich sah seinen kritischen Blick, erkannte sofort, wie unwohl sich Herr van Steenfelde fühlte, denn schließlich standen sich da zwei Kontrahenten gegenüber, von dem zum Glück nur einer wusste, welche Position der andere bekleidete.
Das Ganze weckte in mir mal wieder den Beschützerinstinkt, Robine Hood war mittlerweile mein zweiter Name geworden. Seitdem ich in diese Flogeschichte gezogen worden war, war es stets meine Aufgabe, irgendwelche Leute zu beschützen oder Situationen in eine andere Spur zu lenken.
»Geht es dir gut, Karsten?«, flötete ich etwas übertrieben, um ihn abzulenken.
Der Angesprochene ließ seinen Blick von unserem neuen Gast nicht los und murmelte mürrisch, dass ich solch eine blöde Frage nicht stellen sollte, da ich genau wüsste, wie es ihm ginge.
Natürlich hatte er damit recht, doch ein Versuch war es wert gewesen. Vielleicht hatte ich gedacht, wenn ich seine Gedanken wieder in eine andere Richtung justieren würde, wäre Christian nicht mehr im Fokus.
Falsch gedacht, denn Männer, so habe ich die Erfahrung gemacht, konzentrieren sich meist immer nur auf eine Sache und wenn diese erledigt ist, folgt erst die Nächste. Somit änderte sich zunächst nichts an seinem forschenden Blick, den er auf van Steenfelde gerichtet hatte und jegliche Ablenkungsversuche verliefen im Sande.
Gut, dachte ich, wenn das so ist, dann werde ich etwas unternehmen, um diese Situation nicht in eine Ausfragestunde enden zu lassen.
»Christian, hast du dein Gepäck im Kofferraum? Du hast doch bestimmt einige Tage eingeplant oder bist du nur zu einem Kaffee gekommen?«
Der Angesprochene hörte mir kaum zu. Zu sehr war er damit beschäftigt, seinen kräftigen Herzschlag herunter zu drosseln und dem durchdringenden Blick des Ehemanns seiner Geliebten standzuhalten.
»Christian, was ist mit deinem Gepäck?«, versuchte ich ihn erneut wachzurütteln.
Und endlich, er bewegte sein Gesicht in meine Richtung.
»Entschuldigung Hanna, was meintest du gerade?«
»Wo dein Gepäck ist?«
Sich besinnend lief er zum Kofferraum und öffnete diesen. Er holte einen Koffer und ein kleines Handgepäck heraus und schloss die Lade wieder.
Flo legte den Kopf etwas schräg und meinte:
»Auf dass das Haus wieder voll wird. Es reisen ja genügend andere ab. Herzlich Willkommen Herr Christian van Steenfelde.«
Ich schüttelte den Kopf, dachte an das Ausmaß, welches folgen würde, wenn er wüsste, um wen es sich bei diesem Gast handelte.
Karsten verabschiedete sich plötzlich eilig und ich vermutete, dass ihm wieder bewusst wurde, dass er heute ein ganz anderes Thema hatte, als sich mit fremden Menschen zu beschäftigen.
»Puh, der Kelch ist erst einmal an uns vorübergezogen Christian. Glaube mir eines, Debatten oder Dispute mit einem der Herren hier, können sehr anstrengend sein und sogar auch in Kampfgefechten enden. Du hast ja zu deiner Begrüßung direkt den richtigen Einblick erhalten.«
Christian schaute mich zunächst sprachlos und dann fragend an und dann war ich es, die sprachlos wurde als er meinte, dass Britt bestimmt mit der Auslöser für Karstens schlechte Laune sei. Als er dann noch erwähnte, dass sie ihm solche Szenen am Flughafen verschwiegen hatte, konnte selbst ich ihm nicht mehr folgen.
»Du meinst, du hast Britt am Flughafen getroffen? Unsere Britt Hansen?«
»Ja, das habe ich. Sie gab gerade die Fahrzeugpapiere ab, als ich mir meinen Mietwagen abholen wollte. Es war Zufall, dass wir uns kennenlernten.«
Es folgte eine Schweigeminute, ehe er fortfuhr.
»Sie wollte mir nicht verraten, warum sie das Land verließ. Allerdings warnte sie mich auch vor, dass ich Marion bitte anrufen möchte, ehe ich hier vorfahre und dass diese Aktion sehr mutig sei. Jetzt weiß ich, was sie damit meinte.«
»Hat Britt dir noch mehr erzählt?« Inständig hoffte ich, dass er noch nichts von Marions Zustand wusste.
»Nein nichts Besonderes, außer dass wir beide festgestellt hatten, dass wir uns in der gleichen schlechten Lage befinden. Warum haben die beiden Herren eigentlich gerade im Schmutz gekämpft?«
»Das ist eine lange und ziemlich anstrengende Geschichte. Ich habe darüber schon ein Buch geschrieben und das Nächste beginne ich in Kürze. Wie du siehst, Stoff genug um damit eine Enzyklopädie zu füllen. Aber um es kurz zu machen, Karsten ist Marions Mann, das hast du schon herausgefunden und sein Kampfgegner war Sven, Britts Jugendliebe. Er und Britt arbeiten auch zusammen als Grafiker.«
»Dann bekamen sich die Herren in die Wolle wegen Britt?«, grinsend rieb van Steenfelde sich über das Kinn.
»Ja, so kann man es ungefähr sehen.«, gab ich zur Antwort.
Belustigt sah ich ihn an und doch fühlte ich eine aufkommende Nervosität, denn ich wusste, welche Nachricht Christian noch bevorstand und vor allem, musste ich dafür sorgen, dass es nicht bekannt wurde, wer er wirklich war.
Mir war noch nicht einmal klar, ob ich meinem Mann davon berichten sollte, auch wenn ich mich auf ihn voll und ganz verlassen konnte, obwohl er Karstens Bruder war.
Ich atmete tief durch, denn gleich würde es ernst werden.
»Gehen wir in die Höhle des Löwen und bitte verhalte dich in Marions Gegenwart nicht auffällig.
Denk an deinen Selbstschutz, denn ich bin nicht immer in deiner Nähe.«
Ich stockte nach diesen Worten, denn eine Frage hatte ich ihm bislang noch nicht gestellt.
»Warum bist du ihr eigentlich nachgereist?«
Er sah mich mit einem lächelnden weichen Blick an.
»Weil ich sie liebe!«
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