Flo... Venezianische Nacht. Angela Hünnemeyer
das war wieder ein Thema für ein neues Buch. Darum horchte ich gespannt, was nun folgen würde. Das füllte meine Sammlung an wertvollen Stoffen. Schmunzelnd schritt ich langsam näher.
Auch Sven hatte sich mittlerweile erhoben, wischte sich mit dem verstaubten Unterarm den Schweiß von der Stirn und sah nun erst recht aus wie Phoenix aus der Asche.
»Bergman, Sven Bergman. Grafik-Design en gros.«
Karsten sah ihn belustigt von der Seite an und wiederholte sein letztes Wort.
»En gros?«
Herr van Steenfelde schaute von einem zu anderen und spürte wohl, dass sie ihn gerade etwas auf den Arm nehmen wollten.
Blitzschnell aber schaltete er. Dieser Lindqvist könnte eventuell Marions Ehemann sein. Mit solch einem Zusammentreffen hatte er nicht gerechnet und wenn er wirklich richtig lag mit seiner Vermutung, dann könnte es für ihn hier gleich übel aussehen. Hatte er wirklich gehofft, dass er Marion alleine antreffen würde?
Marion hatte mit mir über diesen Herrn aus Stuttgart gesprochen. Sie sprach dabei über einen gewissen Christian. Und dieser Herr stellte sich mit diesem Vornamen vor. Zudem hatte er eine nicht zu übersehende deutsche Herkunft, laut Nachname und Aussehen. Ich kombinierte ruck zuck, denn wenn es so war, dass es sich um den besagten Christian handelte, dann könnte diese, eh schon angespannte Situation hier gleich ungut ausgehen.
Schnellen Schrittes kam ich dazu und versuchte zu retten, was noch zu retten war.
»Christian, das ist aber eine Überraschung, dass du doch noch gekommen bist. Ich wusste ja, dass du es bis zur Hochzeit nicht mehr schaffen würdest, aber ich finde das klasse, dass du wenigstens noch vorbeischaust und dir die Zeit nimmst, obwohl du auf Geschäftsreise bist.«
Ich umarmte ihn herzlich und hakte mich bei ihm unter. Mit Kraft versuchte ich ihn wieder Richtung seiner offen stehenden Fahrzeugtür zu manövrieren.
Damit er keine Gelegenheit zu einer unpassenden Antwort fand, plapperte ich munter weiter.
»Du kannst drüben links vor dem Haus parken. Ich gehe vor und du folgst mir einfach, einverstanden?«
Christian van Steenfelde schaute mich verwirrt an, doch ich stuckte ihn mit dem rechten Ellenbogen in die Seite, um ihm ein Zeichen zu geben, dass er schweigen sollte.
Die staubigen Typen vor mir würdigte ich keines Blickes. Sie sollten ruhig merken, wie albern sie sich benahmen und das nun auch vor meinem neuen Gast.
»Jungs, lasst ihr einmal das Fahrzeug kurz vorbei, danach könnt ihr da weitermachen, wo ihr eben aufgehört habt.« Eine kurze Ansage fand ich in dem Moment angebracht und dann schob ich Herrn van Steenfelde in sein Fahrzeug fast hinein.
Flo sah Sven missmutig an und irgendwie fühlte er wieder eine unbändige Wut. Wenn er ehrlich zu sich selbst war, dann galt diese Wut am meisten seinem eigenen Versagen.
Höflich und mit nickendem Kopf wie bei Hofe ließen sie das Auto passieren und Sven war nun klug genug, diesen Streit zu beenden.
»So, das war es dann Herr von und zu. Ich ziehe mich gleich um und dann buche ich einen Flug nach Deutschland.«
»Vergiss aber nicht, Gänseblümchen zu pflücken und dich mit Britt unter dem Apfelbaum zu stellen und zu knutschen. Darin bist du ja wohl geübt. Arme Ava.«
Das saß. Das Wort Ava hatte ihn wieder auf den Boden der Tatsachen zurückkatapultiert. Er musste sie unbedingt sprechen.
Ich drehte mich noch einmal kurz herum, da ich Zeuge dieses Dialoges geworden war und rief ihm zu, dass er reichlich spät daran dachte, wie es Ava ging. Zudem wäre sie bereits dabei, ihre Sachen zu packen.
Danach beachtete ich sie beide nicht mehr und konzentrierte mich auf meinen vermeintlich neuen Gast Christian van Steenfelde.
Dieser hatte sein Auto mittlerweile in die Parklücke gelenkt und stieg aus. Erst dann fanden wir eine Gelegenheit, uns zum einen vorzustellen und zum anderen bat ich ihn eindringlich, sich zunächst wirklich so zu verhalten, als wäre er mein Gast und weiterhin undercover zu bleiben.
Es wäre zu seinem Besten und zum eigenen Schutz in der momentan angespannten Situation. Leider hatte ich nur noch keinen Plan, wie ich Marion vorwarnen könnte. An ihn gewendet meinte ich dann noch schnell:
»Sie sind doch dieser Christian aus Stuttgart, Marions ehemaliger versteckter Liebhaber und Freund?«
Er nickte beklommen, als wäre ihm das alles sehr peinlich. Wie ein kleiner ertappter Junge kam er sich vor.
Doch jetzt war es zu spät. Er hatte sich schließlich zu dieser Reise aufgemacht, also musste er nun durch einige Peinlichkeiten hindurch.
Genau da kam mir die zündende Idee. Ich rief Marion an, denn solange Flo noch hier unten in der Allee zu Gange war, konnte er das Gespräch nicht mitbekommen.
»Marion, ich bin es, Hanna!« Fast flüsternd sprach ich diese Worte ins Handy.
»Wir haben einen neuen Gast, beziehungsweise du hast einen neuen Gast. Christian ist hier.«
Zunächst blieb es still in der Leitung, man hätte eine Stecknadel fallen hören. Doch dann hörte ich Marion entsetzt aufatmend antworten:
»Was sagst du da Hanna? Du meinst Christian van Steenfelde? Das kann nicht sein, nein, das darf nicht sein.«
Ich spürte direkt ihre Panik und grätschte schnell in ihre Worte, die sie gerade weitersprechen wollte.
»Mach dir keine Sorgen, ich konnte das Ärgste verhindern. Zufällig war ich anwesend, hier draußen in der Allee, als er angefahren kam und den Wagen scharf abbremsen musste, weil sich die Herren der Schöpfung mal wieder im Dreck wälzten und den herankommenden Wagen nicht bemerkten.«
»Und was geschah dann?
Ich gehe einmal davon aus, dass mein Gatte und vermutlich Sven wieder einmal einen Kampf auszufechten hatten.
Also was geschah, als Christian Karsten begegnete, denn ich denke, er stieg aus, nicht ahnend mit wem er es da zu tun hatte.«
»Ich kann jetzt nicht lange sprechen, Karsten ist wieder auf dem Weg zu mir.
Aber eines vorab. Christian ist offiziell mein Gast, der meine Einladung zur Hochzeit leider etwas verspätet wahrnehmen konnte.
Ich konnte es noch abbiegen, dass sie sich erkannten. Oder…,«, verunsichert ob Karsten nicht doch den Namen von Steenfelde kannte, fragte ich noch schnell:
»Oder kennt dein Mann den Namen deines damaligen Freundes etwa?«
»Zum Glück nicht. Ich habe versucht, ihn zu schützen. Die Situation, in der er mit mir steckte, hätte ihn mit Sicherheit in eine Klatschspalte befördert. Wäre keine gute Visitenkarte für ihn und sein Pferdegestüt, denke ich.«
Erleichtert atmete ich auf, denn nun konnte ich diesen fremden Gast meiner Person zuordnen, ohne ihn mit anderen Dingen in Zusammenhang zu bringen.
»Hanna,«, schrie Flo von weitem.
»Ich muss das Gespräch beenden. Wir sprechen uns gleich in Ruhe, wenn wir einmal alleine sind.« Eilig drückte ich das Gespräch weg.
Van Steenfelde hatte stumm alles verfolgt. Er nickte verschüchtert und seine Blicke sagten mehr als Danke.
Nun war er froh, dass er mein guter Bekannter war und sich offiziell in Marions Nähe bewegen durfte, ohne dass jemand etwas hinterfragen würde. Alles andere würde sich ergeben.
Schnell flüsterte ich ihm noch zu, dass er sich merken solle, dass ich Hanna und Autorin bin, dass wir beim Du blieben und dass ich vor rund zehn Jahren auf seinem Gestüt Reiterferien verbracht habe.
Insgeheim lobte ich mich jetzt sogar, denn hätte Marion gerade eben nicht von seinem Gestüt kurz erzählt, hätte ich so schnell nicht gewusst, wo wir uns kennengelernt hätten.
Manchmal ist es