Flo... Venezianische Nacht. Angela Hünnemeyer
»Krass? Und dieses Wort aus ihrem Mund? Ja, sie haben recht und es freut mich, dass Sie doch nicht ganz so verstaubt sind, wie ich anfänglich dachte.«
Irritiert aber grinsend stimmte Christian ihr zu. Wenn er eines in den letzten Monaten gelernt hatte, dann war es Selbstironie.
Mit fester Stimme und einer unglaublichen Bestimmtheit fuhr er fort.
»Egal was mich erwartet. Ich habe es geschafft, bis hierher vorzudringen, habe all meinen Mut zusammengenommen, somit werde ich diesen Weg
auch bis zum vermutlich bitteren Ende fortführen.
Ich werde versuchen Marion zu erreichen. Sollte sie nicht ans Telefon gehen, dann fahre ich höchst persönlich bei ihr vor.«
Ihm war klar, dass Marion mittlerweile mit Sicherheit auch über ihre Liebe, ihre vergangene Liebe, mit ihrem Mann gesprochen hatte. Ihn beunruhigte jetzt nur noch eins. Warum befand sich Britt Hansen auf dem Rückflug nach Deutschland?
Er versuchte noch einmal etwas aus Britt herauszulocken, doch sie blieb standfest und schwieg sich darüber aus.
Sie gaben sich zum Abschied die Hand und wünschten sich gegenseitig Glück. Beide wussten, dass sie irgendwann noch einmal etwas miteinander zu tun haben würden und wenn es nur der Grund sein würde, sich gegenseitig mit Worten und Erfahrungen zu trösten.
»Auf gute Freundschaft Britt.« Christian van Steenfelde war erstaunt über seine lockere Art, die er einer Fremden entgegenbrachte.
Vermutlich schweißten gleiche Schicksale die Menschen zusammen.
»Ja auf gute Freundschaft Christian.« Britt presste die Lippen zusammen und nickte. Hastig drehte sie sich herum und eilte hinüber ins Terminal, um sich endlich den nächsten Flug zu sichern.
Sie hatte Glück, denn zeitnah würde eine Maschine, in der es auch noch freie Plätze gab, fliegen.
Geschäftig regelte sie per SMS alles Nötige, um wenigstens nicht ganz so sang- und klanglos zu ver
schwinden. So informierte sie ihren Nochehemann Steffen, der mit ihren beiden Töchtern noch in Schweden verweilte, denn auch ihre Familie war zu Gast auf meiner Hochzeit gewesen, und diese verbrachten nun noch einige Urlaubstage in den Schären.
Ich bekam eine SMS, dass ich mir keine Sorgen machen solle, das Auto am Flughafen bitte wieder abholen möge und dass sie vor allem erst einmal keine Nachrichten oder Anrufe bekommen möchte, um sich zu sortieren und zudem Abstand von allen Ereignissen dringend benötigte.
Was sie allerdings in Deutschland anfangen würde, war ihr noch schleierhaft, vermutlich viele Tage damit verbringen, ihre Wunden zu lecken und zu leiden.
Natürlich spürte sie auch, wie Flo sich zurzeit fühlte, vermutlich genauso wie sie.
Als sie an ihn dachte während sie auf ihr Boarding wartete, nahm sie ihr Handy in die Hand, zögerte zunächst, legte es wieder beiseite und schaute es lange Zeit nachdenklich an. Doch dann ergriff sie es wieder und schrieb ihm.
Karsten,
ich musste gehen, weit weg von allem.
Deine Nähe und jeder Blick in Deine Augen würde uns um den Verstand bringen. Bitte, und glaube mir, es ist besser, wenn wir hier und jetzt unseren Kontakt für immer abbrechen.
Wenn wir dieses nicht tun, es würde uns beide zerstören.
Ich wünsche Dir und Deiner Familie wirklich alles Gute und gebe alles, was Du zu geben vermagst.
Danke für die wunderbare Zeit mit Dir. Du wirst immer einen Platz in meinem Herzen haben. Diese Zeit mit Dir war etwas so Außergewöhnliches und ich weiß, dass es dieses kein zweites Mal geben kann, dass ich das nicht noch einmal erleben werde oder es möchte.
Gebe mir Zeit und vielleicht kann ich Dir eines Tages ohne Schmerz wieder gegenübertreten, alleine schon um Finns Willen. Ich habe ihn so lieb gewonnen.
Bitte bestelle ihm ganz liebe Grüße von mir und drücke ihn einfach einmal herzlich.
Gleich steige ich in den Flieger und wünsche auch nun dir sowie aber auch Marion, alles Beste. Danke für unsere Momente des Glücks. Ich lächel sogar ein wenig, denn eigentlich hatten wir immer nur Momente. Es hat nicht sollen sein, dass wir etwas anderes leben durften. Pass gut auf Dich auf.
Britt
Irgendwie war sie stolz, dass sie ihre wahren Emotionen nicht zum Ausdruck gebracht hatte, denn dann hätte er ihren tiefen Schmerz erkannt und das würde ihn noch mehr belasten.
Er hatte ihrer Meinung nach nun genug damit zu tun, sich mit einer völlig neuen Situation abzufinden, eine Frau, die er liebte nun doch ganz loszulassen und sich zeitgleich noch auf eine neue Vaterrolle einzustellen. Es gab sogar noch einen dritten Punkt. Er würde weiterhin mit Marion leben.
Natürlich war sie ein lieber Mensch, doch ihnen beiden war klar geworden, dass die Ehe nur auf einer rein platonischen Beziehung basierte. Sie muss einen ähnlichen Schock erlitten haben wie sie und Karsten.
Britt schüttelte energisch den Kopf, mehr vor sich selbst, denn sie war ja alleine, außer halt die fremden Fluggäste, die auch gleich mit ihr den Flug nach Deutschland antreten würden. Das Kopfschütteln war eine Antwort auf ihre Gedanken, denn sie hatte kein einziges Mal daran gedacht, dass es hier bald ein neues Menschenkind geben würde, welches es verdient hatte, bei glücklichen Eltern aufzuwachsen.
Großes Schamgefühl bedrückte sie, denn sie dachte auch an den kleinen Finn, der nun ein Ge-schwisterchen bekommen würde und das sollte man sich nun primär vor Augen halten als den eigenen Verlust. Etwas besser ging es ihr jetzt, vielleicht würde sie es dadurch schaffen, die neue Situation anzunehmen.
Sie dachte daran, wie schnell das Schicksal von einer Minute auf die andere das Leben verändern konnte.
Was war denn damals in Köln-Bonn, als sie Jöran über den Weg lief und sie sich beide Hals über Kopf ineinander verliebt hatten?
Also ging es doch und mit dem nötigen Abstand
würde es ihr schon gelingen einen neuen Weg zu gehen.
Manipulativ wirkte sie weiter mit solchen Gedanken auf ihr Inneres ein. Es war ein Schutz um nicht den großen Zusammenbruch und Absturz zu erleben und um halbwegs wieder in ein neues Leben zurückzufinden.
Die Fluggäste wurden aufgerufen und kaum eine halbe Stunde später befand sie sich bereits in der Luft und flog ihrem neuen Leben entgegen.
Bevor sie vor Erschöpfung in einen leichten Dämmerschlaf fiel, schaute sie aus dem kleinen Fenster des Flugzeugs - hinunter auf das immer kleiner werdende Schweden.
Ihre Gedanken galten nun Christian van Steenfelde. Irgendwo da unten steuerte er gerade auf die gleiche Sackgasse zu, in der sie sich auch festgefahren hatte.
Bedauerlich, dass alles so gekommen ist. Wie einfach hätte es sich alles entwickeln können, wenn man miteinander gesprochen hätte, ein offenes Gespräch, welches alles in die richtige Richtung gelenkt hätte.
Armer Christian…, dachte sie.
Völlig erschöpft schlief sie ein.
Flo
Schwer getroffen und gefühlt um Jahre gealtert war Flo an mir vorübergeschlichen und wortlos ins Haus gegangen. Er hatte mich nicht einmal registriert.
Minuten später