#2 MondZauber: VERSUCHUNG. Mari März

#2 MondZauber: VERSUCHUNG - Mari März


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und Daddy an Silvester auf eine blöde Party zu begleiten und auch sonst wenig von der aufgesetzten Dekadenz ihrer Eltern hält, schert sie sich kurzerhand den Schädel kahl.

      Als selbsternannte Außenseiterin hängt sie am liebsten mit ihrer besten und einzigen Freundin Emily ab ... bis zu jenem Tag, als Lyra plötzlich Dinge erlebt, die von normal meilenweit entfernt sind. Ihr Körper verändert sich, was auch Klassenschönling Niklas wahrnimmt, in den Lyra schon ewig unglücklich verknallt ist. Aus der übergewichtigen Emo-Fee wird auf magische Weise ein It-Girl im Mainstream-Look. Je mehr Lyra erkennt, dass sie anders ist, desto öfter versucht sie, dieses Anderssein durch Normalität zu kaschieren.

      Es gelingt ihr nicht.

      Natürlich nicht!

      Denn Lyra ist nicht einfach nur anders, sie ist ein Hybrid, der selbst für die magische Welt eine Seltenheit bedeutet.

      Ihre biedere Familie will dieses Anderssein jedoch verbergen. Großmutter Regina greift zu drastischen Mitteln und sorgt dafür, dass ihre Enkelin in die geschlossene Abteilung der Psychiatrie eingewiesen wird, nachdem Lyra ihren Schulschwarm Niklas fast gekillt hätte.

      Ian, ein gutaussehender Werwolf, eilt ihr zu Hilfe und rettet sie mehrfach aus der Bredouille.

      Aber ist Lyra eigentlich zu retten?

      Lässt sich das Schicksal einfach so ignorieren, unter den gutbürgerlichen Teppich kehren?

      An ihrem achtzehnten Geburtstag soll sich auch Lyra in einen Werwolf verwandeln, doch alles, was sie zustande bringt, ist Chaos, kreischende Mädchen und ein gigantisches Feuer während des Abiballs.

      Die Flucht ist der einzige Ausweg.

      Und was kommt danach ...?

      »Komm, bring es endlich hinter dich! Der Vollmond währt nicht ewig.« Moira zwinkerte ihr aufmunternd zu und griff nach dem Knauf einer riesigen Eichenholztür. Lyra stand vor ebenjenem Portal und verschränkte unschlüssig die Arme.

      Was, wenn es heute wieder schiefgeht?

      Was, wenn ich gar kein Gestaltwandler bin?

      Schließlich hätte sie sich an ihrem achtzehnten Geburtstag verwandeln müssen, also bereits vor zwei Wochen oder aber einer gefühlten Ewigkeit, in einem anderen Universum. Seit sie mit Ian die grüne Insel betreten hatte, war sie in eine komplett andere Welt eingetaucht. Hier, im wunderschönen Süden Irlands, sprach man nicht nur eine andere Sprache, hatte eine andere Mentalität. Nein! Mythen und Legenden gehörten hier zum Alltag wie in Deutschland das Sauerkraut zum Kassler.

      »Jetzt kneif nicht schon wieder, Lyra! Irgendwann ist immer das erste Mal. Das wird schon. Komm!«

      Moira hatte ja recht. Was nutzte es, noch ewig Ausreden zu erfinden und sich zu zieren wie eine Pubertierende. Lyra konnte Ian und seine Schwester nicht enttäuschen. Beide hatten ihr mit viel Geduld und bis ins kleinste Detail erklärt, was passieren würde. Lyra hatte den Erzählungen gelauscht und fand das alles fantastisch. Genau, fantastisch. Doch jetzt mutierte die Fantasy zur Realität.

      Wie sollte sie Moira erklären, dass sie die letzten achtzehn Jahre quasi auf magischer Sparflamme gelebt und noch nie in ihrem Leben etwas gewagt hatte? Wie sollte sie diesem Mädchen, das in der magischen Welt aufgewachsen war, weismachen, dass sie all jene Dinge, die für Moira selbstverständlich waren, nur aus Büchern und Filmen kannte?

      Moira. Allein der Name. Lyra musste zwangsläufig an Doktor Moira Kinross MacTaggert denken – die Expertin für Mutantenforschung in den Marvel-Comics. Passte irgendwie.

      Auf Anhieb hatte sie dieses offenherzige und wunderschöne Mädchen ins Herz geschlossen. Moira war wilder als der Rest des Clans. Und das wollte etwas heißen, schließlich bestand dieser aus knapp fünfzig Werwölfen, die allesamt auf ihren Alpha hörten, den Anführer des Clans, dem Chef der McTires.

      Jeder von ihnen hatte Lyra auf das Herzlichste begrüßt, vor zwei Wochen, bei ihrer Ankunft. Fast jeder. Der beste Freund von Ian, Kenneth, hatte sie auf seltsame Weise taxiert, als sie am ersten Abend zusammengesessen hatten. Irgendetwas in seinem Blick gefiel Lyra ganz und gar nicht. Doch sie konnte nicht einmal ansatzweise vermuten, was es war. Auch ihre magischen Fähigkeiten halfen ihr dabei nicht, zumal die Menschen in ihrem Umfeld davon reichlich besaßen.

      Menschen. Dieses Wort sollte sie zukünftig wohl weniger benutzen. Viel wusste sie noch nicht über Gestaltwandler und Hexen, aber eines ganz gewiss: Sie waren nicht humanen Ursprungs. Jedenfalls nicht so wie Emily oder die Hertzbergs. Bis auf ihre Mutter natürlich. Die war auch irgendwie eine Hexe. Zumindest hatte das ihre Tante Miranda erzählt.

      Das war doch alles irre!

      Und Emily? Wie Lyra ihre beste Freundin vermisste! Mit ihr hatte sie seit Kindertagen alles geteilt: Freud und Leid, Liebeskummer, Eisbecher und Klamotten. Es schien Lyra, als würde diese Zeit schon ewig zurückliegen. Dabei war es gerade einmal ein halbes Jahr her, seit sie die ersten Anzeichen ihrer Verwandlung gespürt hatte. Damals, in der Dachkammer von Regina, die gar nicht ihre leibliche Großmutter war.

      Und nun? Jetzt stand sie vor diesem Portal einer in den Fels gehauenen Höhle, in der die Druidin des Clans auf sie wartete. Genau genommen seit zwei Tagen. Der Mond zeigte in dieser Nacht seine volle Größe. Das Zeitfenster war eng und Lyras Geduld langsam am Ende. Weitere vier Wochen müssten vergehen, bevor sie das Ritual wiederholen könnten.

      Seltsam war das alles. Aber seltsam half ihr nicht weiter. Sie musste jetzt in diese blöde Höhle gehen und mithilfe irgendwelcher heidnischen Zauber versuchen, endlich die Verwandlung abzuschließen. Ian und auch Moira hatten ihr versichert, dass es nicht wehtun würde. Jedenfalls nicht so, wie es in den entsprechenden Filmen immer dargestellt wurde, in denen knackige Kerle zu zotteligen Werwölfen mutierten.

      Lyra hatte da jedoch ihre Zweifel, obwohl sich diese mehr auf das Ergebnis bezogen. Sie dachte an den Abschlussball und an Jenny, die Schulschlampe. Die Erinnerung an die unzähligen Sticheleien während ihrer Zeit auf dem Gymnasium ließ Wut in Lyra aufsteigen. Und noch etwas anderes bahnte sich den Weg durch ihren Geist: Genugtuung. Schließlich war Jenny durchs Abitur gerauscht. Und sie, Lyra Hertzberg, war vom pummligen Mädchen zum schönen Schwan avanciert. Zu einem Schwan mit Superkräften!

      Okay, dann bring ich es eben jetzt hinter mich. Irgendwann ist immer das erste Mal.

      Entschlossen nickte sie Moira zu, auf deren Gesicht ein triumphales Lächeln erschien. Sie drehte an dem gusseisernen Knauf und schob das schwere Holzportal auf. Lyra kannte die Intarsien der reichverzierten Tür auswendig. Efeu bedeckte die Hälfte des Eingangs zu dieser naturbelassenen Höhle, die wahrscheinlich schon vor Tausenden von Jahren den Gestaltwandlern als Tempel und mehreren Generationen von Druiden als Arbeitsstätte diente. Lyra war erstaunt gewesen, als sie erfuhr, dass hier tatsächlich eine Frau für die Spiritualität, die Gesundheit und das Bewahren des alten Glaubens zuständig war. Irland schien eben doch anders zu sein als der Rest der Welt. Trotz der massiven Einflüsse der katholischen Kirche wurde hier das Weibliche verehrt und neben der christlichen Religion in den Alltag einbezogen. Was in weiten Teilen der Welt für absurd erklärt wurde, war hier völlig normal.

      Das laute Knarren der Tür riss Lyra aus ihren Gedanken. Jetzt wurde es also ernst.

      In den Fels gehauene Stufen führten hinab in die Höhle. Sie hatte einen modrigen Geruch erwartet, stattdessen strömte ihr der salzige Duft des Meeres entgegen. Und noch etwas anderes kitzelte in ihrer Nase. Sie roch Feuer und das würzige Aroma dampfender Kräuter.

      »Komm!«, flüsterte Moira, die eine lodernde Fackel aus einer Halterung nahm. Gemeinsam stiegen die beiden Mädchen mehrere Stufen hinab, bis sie in eine riesige Grotte gelangten.

      Lyra war immer der Meinung gewesen, dass sie genügend


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