Wolken, Land und Wasser. Michael Schenk

Wolken, Land und Wasser - Michael Schenk


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Wolkenkrieger

       58. Ein unerwarteter Gegner

       59. Geentert

       60. Mit schnellem Ritt und scharfem Tod

       61. Kein Tag des Ruhmes

       62. Wolken, Land und Wasser

       63. Wolken, Land und Wasser: Karte

       Impressum neobooks

      1. Leriana

       Wolken, Land und Wasser

      Fantasy

      von

      Michael H. Schenk

      © 2021

       An-Nerriva, Handelsschiff der Antari, im Besitz der Handelsfamilie Leri

      „Da kommt etwas auf uns zu … Zwei Tausendlängen voraus.“ Lerianas Stimme klang angespannt. „Es ist groß und fest.“

      „Du redest Unsinn, Kind. Es kommt nicht auf uns zu, sondern wir schwimmen ihm entgegen. Konzentriere dich. Es ist wichtig, dass du das richtig deutest. Käme es auf uns zu, wäre es ein lebendes Objekt. Da wir ihm uns nähern, handelt es sich jedoch wahrscheinlich um kein lebendes Wesen.“

      „Das ist jetzt nicht hilfreich, Vater“, seufzte sie, obwohl sie sich eingestehen musste, dass er natürlich recht hatte.

      „Entspanne und konzentriere dich“, schaltete sich nun Meistermagier Donberon ein. „Du weißt, was davon abhängt. Und manövriere nicht aus der Bewegung, sondern aus dem Halt.“

      Leriana nickte und dachte an das, was man sie seit Kindesbeinen gelehrt hatte. Den Geist von der eigenen Person freizumachen, ihn auszuschicken und mit seiner Hilfe zu erkennen, was sich außerhalb des Unterwasserschiffes tat. „1.800 Längen voraus. Ein großes und massives Objekt. Es dehnt sich zu den Seiten und in der Höhe aus.“ Sie lächelte unwillkürlich. „Es ist die Steilküste der flachen Gewässer.“

      Ihr Vater und der Hochmagier schwiegen und Leriana wusste, dass sie recht hatte. Diese Gewissheit half ihr, sich tatsächlich zu entspannen, trotz der Bedeutung, welche diese Fahrt für sie besaß. Am heutigen Tage prüfte Donberon ihre Fähigkeit des Geistsehens und ob sie künftig in der Lage sein würde, ein Unterwasserschiff, auch in der Finsternis des tieferen Meeres, zu führen.

      Leriana war noch sehr jung und stand gerade an der Schwelle, an der ein weibliches Wesen des Wasservolkes zur Frau wurde. Die langen roten Haare waren zu einem Nackenzopf geflochten und das hübsche Gesicht wurde von grünen Augen dominiert. Sie besaß jene weiblichen Formen, die auch einem Mann der Landmenschen gefallen konnten, solange er die Kiemen an den Seiten ihres schlanken Halses ignorierte. An Land bedeckte Leriana diese mit einem verzierten Halsband, denn bei manchen Landbewohnern riefen die Kiemen ungute Empfindungen hervor. Sie trug die eng anliegende Kleidung der Händler des Wasservolkes: rote wadenlange Hosen und eine grüne Jacke, deren Ärmel bis zu den Ellbogen reichten.

      Schiff und Besatzung gehörten zu den Antari, einem der Clans des Wasservolkes, die in den seichten Gewässern der Küsten lebten. Die Kiemen erlaubten ihnen das Atmen im Wasser und die Lungen wiederum, sich uneingeschränkt an Land zu bewegen. Der Wechsel zwischen Wasser- und Luftatmung war unkompliziert, jedoch von einem kurzen, schmerzhaften Brennen begleitet.

      An diesem Tag führte sie die An-Nerriva. Das Unterwasserschiff war alt und vor vielen Generationen von einem anderen Clan erbaut worden. Damals war sein Rumpf aus Keramik, Klarstein und Stahl das Neueste in der Schiffsbautechnik gewesen. Inzwischen war das Schiff veraltet, da es nicht in mehrere Kammern unterteilt war und es keine metallenen Sprechrohre gab, die eine Verständigung zwischen Bug und Heck erleichterten. Die An-Nerriva maß rund neunzig Längen, war fünfundzwanzig breit und zehn hoch. Von vorne glich sie einer flachen Ellipse, von der Seite einem schlanken Finger. Die Hülle wirkte glatt, wenn man von den flachen Rillen absah, an denen die Keramikplatten der Panzerung aneinanderstießen. Das einst makellose Beige war an vielen Stellen von Grün bedeckt, wo Algen wuchsen. Sie mussten immer wieder mühsam von Hand abgeschabt werden, da sie die Strömungseigenschaften des Schiffes beeinflussten und es langsamer machten. Vorne, am Bug, befand sich die Brücke, die fast rundum mit Klarstein verglast war. Sie bot freie Sicht, sofern das Licht der Sonne bis in jene Tiefe reichte, in der sich die An-Nerriva bewegte. Hinten, am Heck, drehte sich der mächtige Propeller, der das Schiff antrieb und hinter dem die kreuzförmig angeordneten Ruderblätter der Seiten- und Tiefensteuerung montiert waren.

      Ja, die besten Jahre der An-Nerriva waren vorbei. Sie hatte ihre Karriere als Flaggschiff eines Clans begonnen und nun, nach so vielen Jahren, diente sie dem Handelshaus Leri. Lerianas Vater Lerimont hatte sie günstig erstanden und ihr Rumpf bot genügend Raum, um Handelswaren und andere Güter zu transportieren.

      Die Antari des Wasservolkes handelten mit anderen Clans ihrer Art und mit dem Landvolk des nahen Kontinents. Die weiten Wege führten oft durch die ewig finsteren Tiefen des Meeres, in welche das Licht der Sonne nicht reichte. Dann war es überlebenswichtig, dass der Führer eines Schiffes, der Sanari, die Fähigkeit des Geistsehens in Perfektion beherrschte. Dieser Tag sollte zeigen, ob sich Leriana dafür eignete.

      Ihr Vater Lerimont war entsprechend nervös. Die grauen Haare und tiefen Falten in seinem Gesicht verrieten sein hohes Alter. Er wollte die Geschicke seines Schiffes möglichst bald in jüngere Hände übergeben und das Handelshaus künftig von der Stadt aus leiten. Er trug die gleiche Kleidung seiner Tochter, doch als Handelsherr stand ihm zusätzlich eine rote Schärpe zu, die um die Taille getragen wurde und deren beide Quasten an der rechten Hüfte herabhingen. Die Blicke von Lerimont pendelten unruhig zwischen der Tochter und jenem Mann, der über ihr Schicksal entscheiden würde.

      Hochmagier Donberon war noch deutlich älter als der Handelsherr. Sein Haupthaar und der Vollbart schimmerten silbrig. Er trug die weiße Kappe, Jacke und Hose der Magier und, als Zeichen seines hohen Ranges, eine blaue Schärpe mit goldenen Symbolen. Im Augenblick zeigte sein Gesicht ein sanftes Lächeln, was Lerimont ein wenig beruhigte. Der höchste Magier der Antari schien mit den Leistungen der jungen Leriana durchaus zufrieden.

      „Entfernung noch eine Tausendlänge.“ Leriana hätte gerne die Augenbinde abgenommen, die ihr helfen sollte, sich auf das Geistsehen zu konzentrieren. Doch der Blick auf die Instrumente der Brücke oder hinaus ins Meer blieb ihr verwehrt. „Tiefe zweihundert Längen. Kurzarm zurück. Wir müssen langsamer werden.“

      Das Schiff war nicht mit Wasser geflutet, obwohl die Kiemenatmung dies zugelassen hätte. Dies war dem Antrieb der An-Nerriva geschuldet, der aus einer langen Antriebswelle bestand, die eine ungewöhnliche Form aufwies. Obwohl sie prinzipiell einer zentralen Achse folgte, ähnelte sie in gewisser Weise einer Ziehharmonika, denn sie wies Ausbuchtungen auf, die einander gegenüberlagen. Diese waren nichts anderes als eingearbeitete Handgriffe. Die Schnelligkeit des Schiffes beruhte auf der Muskelkraft jener Seemänner, die rechts und links der Welle auf ihren Bänken saßen und durch ihre Kurbelei die Drehrichtung und die Geschwindigkeit bestimmten.

      Koros, der Steuermann der An-Nerriva, wiederholte Lerianas Befehl. „Kurzarm zurück! Wollos, ich kann deine Armmuskeln genau sehen. Entweder legst du dich in die Welle oder ich schneide dir den Zopf! Verdiene dir dein Armgeld. Kurzarm ist befohlen!“

      Der gescholtene Seemann errötete und straffte hastig seine Haltung.

      Die Männer


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