Tahiti. Gerstäcker Friedrich

Tahiti - Gerstäcker Friedrich


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wolle er und der andere Mitonare und Pu-de-ni-a doch einmal sehen, ob sie nicht aus diesem Wi-wi auch einen Christen machen könnten, wenn das auch vielleicht schwieriger halten würde, als einen verheiratheten Mann aus ihm zu machen. Er wußte in der That gar nicht, was er vor lauter Lust und Vergnügen angeben sollte, und es fehlte nicht viel, so hätte er wirklich ein paar Mal bald zu tanzen angefangen, nur daß er sich noch immer zur rechten Zeit dabei erwischte. - Das hätte sich doch im Leben nicht für einen Mitonare geschickt.

      So vergingen René die nächsten drei Wochen in einem Glück, von dem er früher nicht geglaubt hätte, daß es eine Menschenbrust im Stande wäre zu fassen; aber nicht allein Sadie und der Mitonare gewannen ihn in dieser Zeit weit lieber, je näher sie mit ihm bekannt wurden, nein, auch die Eingeborenen der Insel, denn das leichte, fröhliche Temperament des jungen Franzosen sagte auch ihren Neigungen gerade zu. Sie sahen ihn gern, und der alte König, außer dem hochklingenden Titel eine sehr unschuldige Persönlichkeit, die jedoch trotzdem viel Einfluß auf die übrigen ausübte, wurde sein bester Freund. Allerdings hatte ihm René mehrmals Geldgeschenke gemacht, was ihm des Mannes Herz zuerst öffnete; als er aber später mit Sadie hinüberkam und der alte Mann erfuhr, in welchem Verhältniß die Beiden standen, und daß René sogar beabsichtige einer seiner Unterthanen zu werden, da versicherte er ihm denn auch, daß er ihn, falls sein Schiff wirklich wieder zurückkommen solle, nicht mehr /71/ ausliefern werde, und daß der weiße Mann Capitain - wie Raiteo als Dolmetscher übersetzte - schon sehen solle, wie sie ihm eine Nase drehen wollten. Er dachte nämlich keineswegs daran, den einmal erhaltenen und in der That schon theils benutzten, theils vertheilten Fanglohn wieder heraus zu geben.

      Am komischsten betrug sich Raiteo; - trotzdem daß er früher sich die größte Mühe gegeben hatte, des Flüchtlings habhaft zu werden, ja sich damals sogar nicht scheute, Verrath zu gebrauchen, um seinen Zweck zu erreichen und den ausgesetzten Lohn zu verdienen, so that dieser doch jetzt, als wenn er gleich von dem ersten Augenblick an des jungen Mannes Hauptfreund und Beschützer gewesen wäre. Er erklärte ihn auch bald für seinen innigsten tajo und trug wohl Sorge dabei, daß er René besonders darauf aufmerksam machte, wie uneigennützig er damals den Dolmetscher zwischen ihm und den Uebrigen abgegeben habe, und wie einige kleine Stückchen Geld, selbst jetzt noch dafür ausgelegt, keineswegs zu spät kämen. René war klug genug, sich auch diesen Burschen, den er übrigens leicht durchschaute, zum Freund zu halten, und ein paar Thaler thaten dies denn auch, wenn Versicherungen nur irgend einen Maßstab für Raiteo's Gefühle geben konnten, auf das Vollständigste.

      René schrieb übrigens in dieser Zeit nach Frankreich, um nicht allein einen Theil seiner noch dort stehenden Gelder, sondern auch Empfehlungsbriefe für Papetee unter seiner Adresse an den französischen Consul nach Tahiti übersandt zu bekommen. Wenn er ihrer auch jetzt noch nicht bedurfte, wußte er doch nicht, wie sich seine Verhältnisse in späteren Zeiten gestalten würden, und er wollte jetzt wenigstens nichts versäumen, dem vorzuarbeiten. Den Brief mußte er natürlich liegen lassen, bis sich einmal Gelegenheit fand, ihn nach Papetee, der Hauptstadt Tahitis, zu schicken.

      Das Herz des kleinen Mitonare gewann er sich übrigens noch auf ganz besondere Weise durch den regelmäßigen Besuch seiner Kirche, in der er allerdings nichts von der Predigt verstand, aber doch die Melodien der Hymnen mit summte, und den Mitonare nur in dem Glauben befestigte, daß doch uoch am Ende ein Christ aus ihm zu machen sei. Der gute /72/ kleine Mann war viel zu unschuldig, auf den Gedanken zu kommen, daß René einzig und allein Sadie's wegen das Gotteshaus besuche.

      5.

      Das Geständnis.

      Das Einzige, was jetzt manchmal Sadie sowohl als auch den kleinen Mitonare beunruhigte, war das so außergewöhnlich lange Ausbleiben des Mr. Osborne. Wenn auch die Missionäre ihre bestimmte und feste Wohnung hatten, so geschah es übrigens doch gar nicht selten, daß sie kleine Abstecher nach anderen Inseln machen mußten, wo keine festen Prediger wohnten. Widrige Winde hielten sie dann oft länger auf, als sie im Anfang selber beabsichtigt; keinenfalls ließ sich ihre Rückkunft immer vorher genau bestimmen.

      So standen die Sachen, als eines Morgens, in den letzten Tagen des Februar, ein Bursche über die Berge herüberkam und meldete, der Missionskutter - ein kleines Fahrzeug das sic Alle gut genug auf der Insel kannten - sei in Sicht und halte gerade nach hierher zu. Gegen Mittag umsegelte es auch die südliche Spitze der Insel, und von Sadie's Licblingsplätzchen aus konnten sie sein Näherkommen deutlich beobachten.

      Sadie und René standen dort schweigend Hand in Hand - war ihnen Beiden doch das Herz übervoll, denn in dem kleinen Fahrzeug kam der Mann, der ihr Schicksal entscheiden sollte - und Keins von ihnen wagte, dem, was ihr Herz bewegte, Worte zu geben. Als aber der Kutter sich immer mehr und mehr näherte, jetzt sogar in die natürliche Einfahrt der Korallenriffe, von einer günstigen Brise getrieben, einbog und in dem ruhigen Wasser pfeilschnell auf /73/ seinen gewöhnlichen Ankerplatz zuglitt - als die Segel fielen, der Anker niederschlug und das kleine Fahrzeug herumschwingend kaum mehr als hundert Schritt vom festen Land der Insel ab einbog, da sagte René leise, Sadie zu sich herüberziehend:

      „Willst Du zuerst allein mit Deinem Vater reden, Sadie, oder wollen wir ihm Beide zusammen entgegengehen? - wie ist es Dir am liebsten?"

      „Ich weiß es nicht, René," flüsterte das Mädchen schüchtern - „ich weiß es nicht - oh, mir ist auf einmal so bang und weh um's Herz, als ob ich irgend ein großes Unrecht gethan hätte - und ich bin mir doch nichts Bösen auf der weiten Gotteswelt bewußt. Ich glaube, ich fürchte mich meinem Vater entgegen zu treten - und er ist doch so gut - so unendlich gut."

      „Dann laß mich zuerst mit ihm sprechen, Sadie," bat René - „laß mich zu ihm gehen - ich habe Papiere, die ihn über meine Abkunft und Verhältnisse beruhigen können. Ich bin kein gewöhnlicher Matrose, wie sie hier über diese Inseln zerstreut sein sollen; das allein ist auch die Ursache, daß ich nicht im Stande war, an Bord jenes Walfischfängers zwischen dem rohen, wüsten Volk auszuhalten. - Wenn er hört, wie innig wir uns lieben, kann er ja nichts gegen eine Vereinigung mit Dir einzuwenden haben. Aber was hast Du? - was erschreckt Dich so sehr, Du süßes Lieb?"

      Der Ausdruck in Sadie's Zügen ließ sich nicht verkennen - irgend etwas mußte sie beunruhigt haben, aber sie schüttelte schweigend mit dem Kopf und blickte nur scharf nach dem Kutter hinüber, an dessen Seite jetzt ein kleines Boot niedergelassen war, um den zurückkehrenden Missionär an Land zu rudern. René hatte auf das Fahrzeug, mit der Geliebten beschäftigt, gar nicht mehr geachtet; als er aber jetzt der Richtung ihrer aufgehobenen Hand folgte, sah er, wie vom Bord des Schooners zwei dunkelgekleidete Männer in die Jolle niederstiegen, statt Einem.

      „Kennst Du den Mann, der dort mit Deinem Pflegevater kommt?" frug er das Mädchen. /74/

      Sadie nickte langsam und schweigend mit dem Kopf und sagte endlich leise:

      „Das ist der einzige Mann, das einzige Wesen anf dieser Insel, das ich fürchte - und ich weiß nicht weshalb. - Er hat noch Niemandem Böses und Vielen schon Gutes gethan, aber er ist so ernst und streng, und ich weiß nicht, aber wenn ich mir seinen Gott als einstigen Richter denke, so überläuft mich's mit Fieberfrost. Feste Formeln und Gebräuche hat er dabei, von denen er nicht weicht, ja von deren Beobachtung er unser Seelenheil abhängig wacht, und nur wenn ich dann meinen Pflegevater dagegen reden höre, ist es mir wie Trost und Linderung für das kalte Wort des finstern Mannes."

      „Das ist der Mann denn, von dem Du mir schon gesprochen, Sadie," sagte René - „aber wo wohnt er? - was thut und treibt er?"

      „Er ist Missionär wie mein Vater, aber der ärgste Feind, den Deine Landsleute auf den Inseln haben können. Sein Name ist Rowe, und obgleich er auf Tahiti seinen festen Wohnsitz hat, besucht er doch, als eine Art geistlicher Oberhirt, zu Zeiten die einzelnen Inseln, ihren Zustand zu untersuchen und an dem Sonntag, wo er sich dort aufhält, zu predigen. Aber so lange er auf der Insel ist, hörst Du kein Lachen und Singen fröhlicher Menschen, siehst keine Blume in den Haaren der Mädchen - selbst die Kinder fürchten den Mann."

      „Und was kann er uns schaden, Du holdes Lieb," sagte René - „Dein Pflegevater allein hat Deine Hand zu vergeben, und wenn es selber dann Dein Wille ist, was kümmert uns da der stolze Priester?"

      „Aber


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