Das Urvieh. Margret Jacobs

Das Urvieh - Margret Jacobs


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immer neu füllten. Dazu nahmen sie Wasser aus einem anderen Behältnis. Dieses stand weiter hinten im Raum, mittig, so dass man es von allen Seiten gut sehen konnte. Es musste eine zentrale Rolle spielen. Nur welche?

      Die Menschen schöpften aus dem großen Behältnis, was reich verziert war. Auch dieser riesige Kelch war fest im Boden verankert und sehr schwer, da er ebenfalls aus Stein war. Jemand hatte ihn rundherum mit Symbolen und Bildnissen versehen. Einige zeigten Menschen, aber auch Tiere waren zu sehen und Pflanzen gab es auch.

      Abellus kannte sich mit den Symbolen dort nicht so gut aus. Aber es war ihm aufgefallen, dass ein Bildnis sich auch in einem Fenster wiederfand. Es war ein Bild, was eher abschreckend war. Und Abellus konnte sich keinen Reim daraus machen, warum es den Menschen gefiel, gleich zweimal in diesem Raum dieses Bildnis zu erschaffen.

      Es zeigte einen fast nackten, männlichen Menschen, wie er irgendwie mit einem Holzding verbunden war. Komische Sache. Abellus konnte sich nicht erklären, was dieses Holzding für eine Funktion haben sollte. Offensichtlich gefiel es dem männlichen Menschen auch nicht, dass er dort war und irgendwie mit dem Holzding eine Einheit bildete. Abellus kannte sich – nach langem Studium der menschlichen Eigenarten – ein wenig mit deren Mimik aus. Und er hätte schwören können, dass dieser Mann an dem Ding, was aus zwei Holzstreben bestand, eins vertikal und das andere horizontal, sein Gesicht nicht aus Freude so verzog. Es war also keine Szene dargestellt, die Freude verbreiten sollte. War das hier ein Raum, der den Menschen nicht zur Freude diente?

      Abellus schüttelte den Kopf. Das Öl in dem Wasser ließ einen pelzigen Geschmack auf seiner Zunge zurück. Er hatte einen robusten Magen. Das Wasser mit Öl würde ihm nichts ausmachen. Mehr quälte ihn der Gedanke, dass er so viele Rätsel in diesem Raum nicht entschlüsseln konnte.

      Gedankenverloren strich er über den kalten Stein des kleinen Beckens und rührte noch mal in dem Wasser herum. Er überlegte noch mal. Die Menschen benutzten das kleine Becken, um eine Hand dort hinein zu tauchen. Die andere wurde trocken gelassen. Das war auch komisch, fand er. Vielleicht war ja so das Öl in das Wasser gelangt. Es befand sich zuerst an einer Menschenhand und wurde dann bei der Berührung mit dem Wasser dort abgewaschen.

      Abellus hatte schon gesehen, dass Menschen es liebten, ihre Haut mit so einer weißen Paste einzuschmieren. Das erschien ihm logisch zu sein. Die Menschen, die er kannte – nur vom Sehen – hatten so merkwürdige helle Haut. Vermutlich war diese weiße Paste eine Art Schutz für die empfindliche Menschenhaut. Er dagegen hatte eine sehr dicke, robuste Haut, die keinen besonderen Schutz benötigte. Meistens rieb er etwas Erde auf seinen Körper, das aber nicht zum Schutz vor der Sonne, sondern er mochte den Erdgeruch sehr gerne und fand es schick, etwas braune Farbe auf seinem Körper zu haben. Die Erdkruste verhinderte auch, dass Erdflöhe ihn plagten.

      Erneut betrachtete er das Öl in dem Wasser. Es war vermutlich weiße Paste, die die Menschen auch an ihren Händen hatten. Das Wasser war nun verdorben. Er würde warten müssen, bis sie es wieder ausgewechselt hatten, bevor er davon erneut trinken konnte. Enttäuscht wendete er sich von dem kleinen Becken ab.

      Er konnte von Glück sagen, dass er so gut in der Dunkelheit sehen konnte, denn der Raum war sehr duster. Er konnte auch in Helligkeit alles erkennen. Seine Augen waren wahre Wunderwerke. Geeignet für die absolute Dunkelheit – was für sein Zuhause notwendig war – als auch für das Licht, was oftmals über der Erde schien.

      Abellus blickte sich um. Die Menschen hatten, seit er zuletzt hier war, nichts verändert. Überhaupt schien dies ein Ort zu sein, wo wenig geändert wurde. Alles stand so da wie immer.

      Manchmal brachten sie Pflanzen von draußen mit und steckten sie in so Behältnisse, die leicht kaputt gingen, wenn man nicht aufpasste. Abellus war das schon passiert. Nicht absichtlich. Er wollte sich das Gefäß mit den Pflanzen darin genauer ansehen, dabei war es ihm aus den Fingern geglitten. Er war sehr erschrocken gewesen, als er das scheppernde Geräusch hörte, das in seine Ohren drang, als das Gefäß in viele, kleine Teile auf dem Steinboden zerbrach. Er hatte die Luft angehalten. Aber es war niemand gekommen.

      Seitdem hatte sich Abellus angewöhnt, möglichst nur dann in dem Raum zu sein, wenn er ganz sicher, aber auch absolut sicher war, dass kein Mensch in der Nähe war.

      Als das Gefäß kaputt gegangen war, war er sich da nämlich nicht sicher gewesen.

      Der Küster seufzte. Er war nicht Schuld daran, dass diese blöde Vase kaputt gegangen war und er fand es ungerecht, dass Pastor Krech ihm den Wert der Vase vom Gehalt abziehen wollte.

      Überhaupt war Pastor Krech ein arroganter Schnösel. Das fand Thomas Baldun. Gut, er wusste, dass er so nicht über seinen Chef denken sollte und schon gar nicht in dieser Umgebung. Aber was sollte er machen? Die Ungerechtigkeiten gegen ihn häuften sich und er konnte damit nicht umgehen. Eigentlich konnte er schon damit umgehen, aber der Umstand, dass sein Dienstherr ein religiöser war, verhinderte, dass er sich angemessen wehrte.

      Er schluckte den Ärger erneut runter und wendete sich dem Abendmahl Geschirr zu. Wütend polierte er das Silber, was immer wieder dreckig zu sein schien. Irgendein Scherzbold – bestimmt jemand aus der Jugendarbeit – hatte sich hier herein geschlichen und zum wiederholten Mal seine Lippen auf das Silber gedrückt. Fette Lippenabdrücke waren an dem Kelch zu sehen. Und das war nicht das erste Mal. Und es geschah immer dann, wenn er den Kelch und den Teller sauber poliert hatte. Und das Schlimmste war, dass Pastor Krech ein mal sonntags zum Abendmahl einen solchen verdreckten Kelch in der Hand gehalten hatte und es bemerkt hatte. Man konnte an seinem Gesicht sehen, dass er am liebsten den dreckigen Kelch in die nächste Ecke geworfen hätte. Aber wie immer hat er sich vor den Leuten aus der Gemeinde zusammen gerissen und so getan, als wäre nichts. Oder fast nichts.

      Allerdings, als dann der Gottesdienst vorüber war, hatte es Thomas Baldun wieder abbekommen. Der Pastor hatte ihn schon seit längerem auf dem Kieker und war sowieso davon überzeugt, dass der Küster seine Arbeit schlampig machte. Das war der erneute Beweis dafür.

      Umso mehr war nun der Küster darum bemüht, alles gründlich sauber zu halten. Aber es war umsonst. Die Lippenflecken tauchten regelmäßig auf. Gegenstände wurden von ihrem Platz bewegt und woanders hin gelegt oder verschwanden ganz. Neulich hing sogar das Kreuz im Ankleideraum des Pastors verkehrt herum. Ein Skandal! Zum Glück hatte es Thomas Baldun rechtzeitig bemerkt, bevor sein Chef den Raum betreten hatte. Manchmal hatte der Küster eben auch Glück. Aber eben auch nur manchmal. Wütend darauf, dass jemand das Abendmahlgeschirr verschandelte und so seine Arbeit zu Nichte machte, machte er sich auf den Weg zum Garten, um dort weiter zu arbeiten.

      Abellus überlegte, was er noch unternehmen konnte. Was würde ihm Freude machen?

      Er schnüffelte an den Pflanzen. Sie waren nicht mehr ganz frisch. Die Menschen ließen sie in den Gefäßen verdorren, bis sie ihre Blätter hängen ließen und manchmal schon modrig rochen.

      Er fand, dass der ganze Raum etwas nach Schimmel roch. Nun, das machte ihm nichts aus. Aber er wusste, dass die Menschen recht reinlich waren und daher wunderte es ihn, dass sie sich ab und zu in einem Raum aufhielten, der nach vergammeltem Wasser roch. Diese Menschen waren sehr sonderbar.

      Da fiel ihm ein, was er noch machen könnte. Er schlich auf Zehenspitzen durch den großen, weitläufigen Raum, an den kargen Bänken vorbei, in den hinteren Bereich des Gebäudes. Dort hielt er sich auch immer gerne auf. Dort gab es viele, kleine Gegenstände, die sich bewegen ließen und die man gut betrachten konnte. Auch setze er gerne seine anderen Sinne ein, wenn er die Rätsel der Menschheit untersuchte. Sein Tastsinn war sehr hilfreich, aber auch sein Mund und seine Zunge gaben ihm wertvolle Hinweise.

      Wenn er mit der Zunge über das merkwürdig schimmernde Ding rieb, das man gut in den Händen halten konnte, schmeckte er einen sehr bitteren Stoff. Das glänzende Ding hatte einen Geschmack, der ihn an einen bitter schmeckenden Pilz erinnerte, der manchmal an Bäumen wuchs. Aber das glänzende Ding war kein Pilz. Eher ein Gefäß, was sich sehr kalt und glatt anfühlte. Drücke er seine Lippen an den Rand des Dings, ging Kälte durch ihn hindurch. Das mochte er besonders im Sommer.

      Vielleicht war das ein Gegenstand,


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