Schwarzer Freitag. Peter Schmidt

Schwarzer Freitag - Peter Schmidt


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Erinnerung als die einzig angemessene Bezeichnung für das, was er von sich gab. Dann richtete er sich vor mir auf und begann mein Gesicht zu lecken.

      Ich versuchte eine Zeit lang vergeblich seiner langen Zunge zu entgehen.

      Doch sobald es mir gelang, den Kopf unter meinen erhobenen Armen zu verbergen, signalisierte mir sein drohendes Knurren, dass seine Kieferkräfte ausreichen würden, um mit einem einzigen Biss meinen Unterarmknochen zu zertrümmern.

      Ich ließ hilflos die Arme sinken.

      Er arbeitete sich langsam von meinem schütteren Kopfhaar über Stirn, Augen und Wangen zum Kehlkopf vor, und als er dort angelangt war – als ich seinen säuerlichen Atem roch und das Funkeln in seinen besessenen Augen entdeckte –, begriff ich endlich, welche Art von Liebkosung das war.

      Genau die gleiche, die man einer Hähnchen- oder Hammelkeule angedeihen lässt, bevor man sie in Stücke reißt. Er nahm mit seiner Zunge Maß. Er war auf meinen Kehlkopf scharf. Er zögerte den Augenblick des Zubeißens nur hinaus, um den Genuss zu steigern ...

      Ich schlug mit der Faust gegen die Verandascheibe. Einmal, zweimal, dreimal ... während seine funkelnden Augen keinen Blick von mir ließen!

      Das Singen hinter den Mauern verstummte für einen Moment. Aber anstatt die Pause beherzt zu nutzen, brachte ich nur einen einzigen, kläglichen Hilferuf heraus. Dann verstopfte mir die feuchte Zunge der Bestie auch schon den Mund, und ich sank würgend in mich zusammen, kauerte ohnmächtig auf dem kalten Stein.

      Das schien meinen Freund mit dem Stummelschwanz königlich zu amüsieren. Er hatte mich auf seine eigene Körpergröße verkleinert. Sein Selbstbewusstsein wuchs ins Unermessliche, er umsprang mich (oder das, was von mir übrig war) so begeistert, als treffe er einen alten Bekannten wieder.

      Warum ging man ohne Klappmesser vors Haus?

      Was brachte einen aufgeklärten Menschen mit zwölf Semestern Philosophiestudium dazu, sich schutzlos, barfuss und im Bademantel vor die Haustür zu wagen?

      "Mistvieh ..."

      Anscheinend beherrschte er die deutsche Sprache auch nicht viel schlechter als mancher Einheimische, denn die Antwort, die er mir knurrend und zähnefletschend zukommen ließ, war unmissverständlich:

      "Ein einziger Biss in die Kehle, mein Lieber, und all deine Arroganz entpuppt sich als das, was sie ist: als menschlicher Allmachtswahn, als erfolglose Verdrängung des Gedankens, dass wir sterblich sind – ein armseliger Haufen Moleküle und durch eine einzige scharfe Zäsur unwiderruflich in den letzten, den endgültigen Aggregatzustand zu überführen ..."

      Ein vorüberhoppelndes Kaninchen rettete mir an diesem Morgen das Leben!

      Es kam aus dem Uferschilf wie jener gute Schutzengel, auf den nur die wahrhaft Gläubigen hoffen dürfen. Der Lohn eines gottgefälligen Lebens. Wäre das Tier weiß statt braun gewesen und ein gleißender Lichtstrahl über ihm in den Himmel gestiegen, hätte man es als wunderbare Erscheinung bezeichnen können.

      Der Jagdinstinkt der Bestie erwachte. Sie versuchte mich in Schach zu halten und sich zugleich den hübschen dunkelbraunen Gevatter Plüsch einzuverleiben.

      Das Kaninchen saß mit gespitzten Ohren auf der Wiese und äugte neugierig herüber, als erwarte es jeden Augenblick den Auftakt der Jagdsaison ...

      Aber uns beide zu fressen, war für Rottweiler Schitteck eine Rechnung, die nicht aufging. Die Gier hat schon manchen um den Erfolg gebracht.

      Als ich frierend, mit blutender Hand und zerschundenen Füßen an meiner Verandatreppe angelangt war, flog drüben eines der Fenster auf, und Elviras erboste Altfrauenstimme rief: "Schitteck, sofort bei Fuß! Wirst du wohl gehorchen ..."

      Die Kreatur gehorchte. Sie wusste, wer ihr Herr und Meister war. Einer solchen Stimme widersetzt man sich nur einmal.

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