Paradise Valley - Auf den Wolf gekommen (1). Dani Merati
war, beschloss Hugo, noch ein wenig zu jagen. Wenn er mit Layton zusammen herumtollte, verkniff er sich das meistens, da sein Freund es leider nicht mochte. Was merkwürdig war, denn auch Hauskatzen waren im Grunde Raubtiere. Aber ihm machte es nichts aus, ein bisschen Rücksicht zu nehmen, dafür konnte er sich, sobald er alleine war, nach Herzenslust austoben.
Mit Leichtigkeit folgte er einem vielversprechenden Aroma fürs Abendessen und jagte durchs dichte Gehölz. Der Hase war flink, doch lange nicht schnell genug. Hugo schlug zu, rasch und gnadenlos.
Nachdem er sich den Bauch mit dem Snack vollgeschlagen und die Pfoten saubergeleckt hatte, rollte er eine Weile auf dem an dieser Stelle mit Kiefernnadeln bedeckten Waldboden herum.
Er genoss die friedliche Atmosphäre. Der Wald gehörte zu seinen Lieblingsorten, manchmal kletterte er an einer der ausladenden Kiefern hoch und blieb dort die ganze Nacht. Er war zwar wie seine tierischen Artgenossen eher nachtaktiv, aber die menschliche Seite in ihm liebte ein Nickerchen, wann immer es sich anbot.
Seine Lider klappten zu, er knurrte leise und dachte erneut an Layton. Der Kleine war ziemlich unruhig gewesen, als er aufgebrochen war. Natürlich hatte er auch die nervöse Erregung des Katers gerochen, sie jedoch wie jedes Mal ignoriert. Ihm war klar, dass es Layton peinlich wäre, sollte er ihn darauf ansprechen.
Hoffentlich machte er keine Dummheiten. Sein Freund hatte nämlich die Angewohnheit sich kopfüber, ohne vorher nachzudenken, in Schwierigkeiten zu manövrieren. Und er war dann nicht da, um ihn rauszuhauen.
Der Fuchs schnaufte, legte den Kopf zwischen die Pfoten und ließ sich von der Idylle ganz entgegen seiner Natur einlullen. Hier drohte ihm sowieso kaum Gefahr, die Wandler der anderen Arten verließen ihre jeweiligen Reviere äußerst selten.
Doch diesmal war ihm keine Ruhe vergönnt. Ein verführerisches und gleichzeitig bedrohliches Aroma stieg ihm in die Nase und er hob witternd die Schnauze. Raubkatze! Was zum Henker suchten die Mistviecher in ihrem Territorium? Alarmiert sprang er auf.
3. Der Ruf der Natur
Tanner verabschiedete die Lieferanten und schloss die Tür hinter ihnen ab. Das ‚Devil’s den‘ öffnete erst in einer guten Stunde seine Pforten, bis dahin genoss er die ungewohnte Ruhe im Club.
Seufzend lehnte er sich an die Tür, die Arme hinter dem Rücken verschränkt rollte er seine verkrampften Schultern. Er verstand nicht, was mit ihm los war. Schon seit dem Morgen fühlte er sich wie elektrisch aufgeladen und obwohl er seinen Wolf eben ausgiebig hatte jagen lassen, war dieser extrem unruhig.
Dass er über zwei Rudelgefährten gestolpert war, bei denen es gerade heiß zur Sache gegangen war, trug vermutlich zu dem Hormontango bei, der ihn etwas aus der Bahn warf. Normal war er recht zufrieden mit seinem Leben, deshalb verstand er seinen aufgewühlten Zustand nicht. Wahrscheinlich brauchte er einfach wieder was zum Ficken, doch das Angebot unter den Wölfen sagte ihm nicht wirklich zu.
Tanner stieß sich von der Tür ab und schlenderte zur Bar hinüber, wo sein Rudelgefährte Kieran die Regale aufstockte. Sollte sich jemals ein Mensch hierher verirren, wäre er sehr verwundert über das Getränkeangebot des Clubs. Es gab keinen Alkoholausschank.
Wandler verarbeiteten Hochprozentiges anders als ein reiner Mensch. Sie brauchten eine wesentlich größere Menge um überhaupt eine Wirkung zu spüren, was dazu führte, dass manche von ihnen ziemlich schnell in eine Abhängigkeit rutschten. Deshalb hatte er sich entschieden, nur alkoholfreie Getränke anzubieten. Der Erfolg des Ladens bestätigte sein Konzept.
„Hey Kieran, ich bin hinten. Abrechnungen. Melde dich, wenn was ist.“ „Geht klar, Boss. Aber heute ist Mittwoch, wird kaum was los sein.“
‚Hoffentlich behält Kieran recht‘, dachte Tanner auf dem Weg in sein Büro. ‚In der Stimmung, in der ich bin, reiße ich sonst noch jemandem den Kopf ab.‘
***
Layton schlüpfte durch die Küchentür in das gemütliche Cottage, das er zusammen mit seiner Mom und Hugo bewohnte. Schnuppernd stellte er fest, dass seine Mutter nicht zuhause war. Vage erinnerte er sich, dass sie von einer Versammlung der Katzen gesprochen und ihn sogar dazu eingeladen hatte. Er hatte nur abgewunken. Politik war so gar nicht sein Ding. Doch im Grunde wäre es angebracht, sich mehr zu engagieren. Er schimpfte immer über die Ungerechtigkeiten, hatte jedoch noch nie daran gedacht, selbst etwas gegen den Status quo zu unternehmen.
Nun das konnte er ja irgendwann in der Zukunft in Angriff nehmen. Jetzt stand ein dringenderes Problem an. Nämlich seinen verrückt spielenden Geschlechtstrieb befriedigen.
Ihm war zwar mulmig bei dem Gedanken im ‚Devil’s den‘ aufzuschlagen, aber wie lautete das Motto?
Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!
Die Alternativen hießen Handbetrieb - er hatte schon Schwielen auf den Schwielen oder es mit einem der verfügbaren Katzenwandler zu probieren. Und da schüttelte es ihn. Die dritte Möglichkeit, in die nächstgrößere Stadt zu fahren und einen menschlichen Kerl aufzureißen, hatte er verworfen. Beim Sex die Kontrolle über sein Tier zu behalten und nicht aus Versehen die Krallen auszufahren oder mit leuchtenden Katzenaugen aufzufallen, erschien ihm zu anstrengend. Da blieb ja der ganze Spaß auf der Strecke.
Nein, ein Ausflug ins ‚Devil’s den‘ stand an. Er musste nur auf die versteckten Signale achten, den Tölen aus dem Weg gehen und sich nicht provozieren lassen. Na dann, nichts Leichter als das!
Beschwingt schlüpfte er in sein Zimmer, wo er zunächst eine geschlagene halbe Stunde über mehreren Outfits grübelte. Wer hätte gedacht, dass das so schwierig sein konnte.
Bisher war es ihm ehrlich gesagt egal gewesen, was er trug, Hauptsache bequem und robust. Das war eine Grundvoraussetzung für seine Tätigkeit als Erzieher. Die Welpen bis sechs Jahre wandelten sich zwar noch nicht in ihr jeweiliges Tier, was jedoch nichts zu bedeuten hatte. Layton war bereits unzählige Male mit zerrissenen Klamotten und Schrammen nach Hause gekommen. Und er liebte es. Mit den Kindern herumzutollen, ihre unverfälschte Freude zu sehen, war einfach einzigartig. Bei ihnen gab es keinen Klassenkampf, sie unterschieden nicht in Wolf oder Maus.
Er schnaufte. Das war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um mal wieder an die Ungerechtigkeiten in Paradise Valley zu denken. Nicht, wenn er vorhatte gleich unter den wachsamen Augen der Tölen einen Kerl aufzureißen.
Augenrollend schnappte er sich eine einfache Bluejeans und ein tailliert geschnittenes dunkelgrünes Hemd, von dem seine Mom behauptete, es betone seine grüngoldenen Iriden. Na dann!
***
Fasziniert starrte Hugo auf den Leoparden, der sich durchs Blattwerk schob. Die Raubkatze war elegant und riesig. Das war ihm vorher nie so bewusst gewesen, da er mit ihnen meist nicht in ihrer Tierform zu tun hatte. Bei Luna, dieses Fell. Glänzendes goldbraun mit ausgeprägten schwarzen Rosetten - wunderschön!
Wunderschön? Er klatschte sich mental an die Stirn. Was dachte er denn da? Er sollte machen, dass er hier wegkam, sonst endete er als Mahlzeit für den Jäger vor ihm. Seltsamerweise fühlte er sich jedoch überhaupt nicht bedroht. Im Gegenteil.
Der Leopard schnaufte, eine Tatze hieb durch die Luft. Was zum Henker? Die Raubkatze wollte spielen? Nein, wurde ihm im gleichen Moment klar, als ihn die herausbrechenden Pheromone mit der Wucht eines Tsunamis trafen.
Hugo knurrte warnend und ehe er sich besann, wirbelte er herum und setzte mit einem Sprung über einen umgestürzten Ast hinweg. Im selben Augenblick, wo er das tiefe Grollen hörte, erkannte er seinen Fehler. Die Großkatze jagte ihm nach, ein Jäger, der seine Beute einfing.
Und es war keine Angst, die in ihm aufstieg. In seinem Kopf ging alles drunter und drüber, zig Gedanken trudelten nutzlos umher, sein Körper jedoch - besonders sein Schwanz - wusste genau, worauf er scharf war. Das abrupte Inferno, das in ihm explodierte, war ihm zwar unbegreiflich,