Palmer :Black Notice. Stephan Lake

Palmer :Black Notice - Stephan Lake


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hättest dir das ersparen können. Also?“

      „Shit, wir haben dein verdammtes Bild bekommen und deinen verdammten Namen. Wir sollten auf dich warten.“

      „Wir?“

      „Die Jungs und ich.“ Hernandez nickte hinter sich in Richtung der Veranda, von wo laute Musik herüberdrang. „Man hat uns gesagt, du bist regelmäßig auf dem Plaza. Wir haben uns abgewechselt, heute war ich an der Reihe. Was soll das, meine Finger brechen, Mann, war das echt nötig? Shit, ich versteh dich nicht. Was bist du für einer? Fuck.“

      „Wieso hast du mich hierher bestellt? Nach Benson Trail?“

      Hernandez hustete, lehnte sich wieder zur Seite, spuckte wieder Blut auf den Boden. „Ich sollte dich aus Santa Fe weglocken. Niemand kennt uns hier, deswegen haben wir diesen beschissenen Scheißort ausgesucht.“

      Palmer schüttelte den Kopf. Er war nicht regelmäßig auf dem Central Plaza in Santa Fe. Ab und zu, ja, aber nicht regelmäßig. Wenn jemand den Plaza aussuchen würde, um auf ihn zu warten, konnte es Wochen dauern, bis er ihn dort traf.

      Blut lief dem Mexikaner in Fäden die Wange hinunter und von dort auf den Boden. Er atmete immer noch schwer und starrte auf seine Hand und auf seinen Finger, den Palmer immer noch festhielt.

      „Du solltest an deiner Sprache arbeiten“, sagte Palmer, „wirklich. Ein paar Flüche weniger und du wärst gleich viel sympathischer. Also, ein bisschen. Hauptproblem allerdings ist, Hernandez, was du bislang gesagt hast, das war gelogen. Und ich rate dir, lüge jetzt nicht: Von wem habt ihr den Auftrag?“ Er bog den Zeigefinger wieder nach hinten.

      Die Antwort kam schnell. „Von der Lady, Mann, wir haben den Auftrag von der Lady, shit, nicht brechen, come on now, lass los, Mann, lass mich gehen. Ich weiß sonst nichts.“

      Palmer hielt fest.

      „Welche Lady?“

      „Geh rein, sie wartet drinnen auf dich. Du kannst sie nicht übersehen. Shit, Mann, was bist du bloß für einer?“

      10

      Hernandez hatte Recht, die Lady war nicht zu übersehen. Weiße Bluse mit Rüschen, weißer Westernrock, weiße geschnürte Westernstiefel. Sie stand vor einem der leeren Tische in der Ecke, als wüsste sie nicht, ob sie sich setzen oder so schnell wie möglich von hier verschwinden sollte.

      Sie sah zu ihm herüber und nickte.

      Er ging an ihr vorbei zum Tresen, wartete bis Danny guckte und hob zwei Finger. Klopfte sich dann den Staub von den Hosenbeinen und schaute sich noch einmal um. Er sah die beiden Frauen von der Veranda, die ihn wieder ansahen, dieses Mal ohne zu lächeln, und die gleichen Gesichter von zuvor. Local crowd. Einige musterten die Lady in ihrer seltsamen Kleidung. Manche der Frauen grinsten, manche der Männer grinsten auch, aber anders. Auch jetzt sah er niemanden, der nicht in die Bar gehörte. Außer der Westernlady.

      Danny schob ihm zwei Guinness zu, die Schaumkrone cremefarben, nicht zu dick und nicht zu schmal, perfekt gezapft. Dannys fragenden Blick auf die Lady in Weiß beantwortete er mit elf Dollar und einem Achselzucken, nahm die Gläser und ging hinüber zu ihr.

      „Guinness?“ Laut, die Band spielte wieder.

      Sie nickte.

      Er stellte ein Glas vor sie, setzte sich und nahm einen Schluck, ohne ihr zuzuprosten. Kühl, rauchig mit einem malzigen Nachgeschmack, wie immer. Er stellte sein Glas auf den Tisch.

      Sie war blond, schlank, nicht älter als Ende zwanzig, nicht groß und nicht klein. Gepflegt. Attraktiv. Etwas zu viel Makeup und roter Lippenstift für seinen Geschmack, und sie hatte beides nicht nötig. Ihre weiße Rüschenbluse stand weit offen, was sie auch nicht nötig hatte.

      Als ob sie Palmer Zeit für seine Beobachtungen hatte geben wollen, setzte sie sich erst jetzt, nahm ihr Glas und trank ebenfalls, einen kleinen Schluck. Sie verzog ihr Gesicht.

      Palmer sagte, „Es kribbelt auf der Zunge, irgendwie pelzig, wie bei einer allergischen Reaktion. Trotzdem trinke ichs immer wieder. Keine Ahnung, warum.“ Nach vorne gebeugt, damit sie ihn verstand.

      Sie sagte, „Vielleicht sollten Sie mal ein anderes Bier probieren.“

      Die Stimme warm und eine Spur dunkler, als er erwartet hatte. Die Worte ohne erkennbaren Akzent. Amerikanisch, das auf jeden Fall. Ostküste vielleicht.

      „Ich bin nicht so der abenteuerliche Typ“, sagte er.

      „Ein anderes Bier probieren ist für Sie ein Abenteuer?“

      „Trinken Sie Taedonggang, dann wissen Sie, was ich meine.“

      „Taedong...?“ Achselzuckend.

      „Nordkorea“, sagte Palmer. „Fast noch schlechter als Budweiser.“

      „Sie waren bereits in Nordkorea?“

      Palmer antwortete nicht.

      „Ich würde tatsächlich jetzt lieber ein Taedong...“, sie schüttelte den Kopf, „aus Nordkorea trinken, als dieses Glas leer zu machen.“

      „Taedonggang. Ich glaube nicht, dass das hier möglich ist“, sagte er und wartete.

      Sie streckte ihre Hand über den Tisch. „Special Agent Kristina Azone.“ Schmale Finger. Rotlackierte Nägel, passend zum Lippenstift. Kein Ring.

      Special Agent. Border Patrol.

      Sie hatten die Westernlady geschickt, ihn zu verhaften? Ehrlich?

      Palmer griff die Hand und spürte einen kräftigen Druck und weiche, sehr kühle Haut. Anstelle des Guinness hätte er ihr einen heißen Kaffee mitbringen sollen. Er ließ die Hand los.

      „Warum haben Sie sich so verkleidet, Special Agent Azone? Sie sehen aus wie in einem Westernmusical aus den Fünfzigern. Jeder hier starrt Sie an.“

      „Kristina“, sagte sie und zog ihre Hand zurück. „Ich war noch nie in einer Westernbar. Ich dachte, das tragen Frauen hier.“

      „Das Roadhouse ist keine Westernbar, sondern eine Bar im Westen“, sagte er.

      Und wartete.

      Wie hatte sie sich das vorgestellt? Er würde seine Hände über den Tisch strecken und sich ihr ergeben, dann Handfesseln aus der Handtasche, Miranda Rights und weg?

      Sie sah ihn an.

      „Ich könnte eine zweite Meinung gebrauchen“, sagte er schließlich. „Die vier da oben spielen angeblich Jazz, aber ich finde, das hört sich nicht nach Jazz an. Was meinen Sie, Agent, ist das Jazz?“

      „Ich weiß, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig“, sagte sie.

      „Fangen wir mit New York an. Woher wussten Sie, dass ich dort sein würde?“

      „New York?“

      „East Bronx.“

      „Bronx? Was ...?“

      Ihre Entgegnungen kamen nicht schnell und nicht langsam. Nicht so schnell, als hätte sie seine Frage erwartet, und nicht so langsam, als wollte sie testen, ob er von sich aus auf den Zusammenhang käme.

      Wusste sie nichts von New York?

      Hm.

      Er würde es ihr nicht leicht machen. Kein Wort freiwillig. Kein Geständnis.

      „Gut, dann sagen Sie mir, woher Sie meinen Namen kennen, Agent Azone.“

      „Kristina, bitte. Und ich nenne Sie ...?“

      „Palmer.“

      Sie nickte, „Palmer“, rückte ihren Stuhl zur Seite und legte das rechte Bein über das linke.

      Ihr Rock rutschte auseinander. Im Augenwinkel sah Palmer einen Teil ihrer nackten Oberschenkel, schlank und weiß. Sie machte keine


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