Fälschung. Ole R. Börgdahl
streng und lächelte dabei. Sie machte eine kurze Pause. »Da fällt mir ein anderes Thema ein, entschuldige. Papa hat gestern Abend etwas angedeutet, wegen der Apotheke. Er wollte aber, dass du mir selbst sagst, wie die Sache steht.«
»Natürlich«, sagte Noël nachdenklich. »Natürlich, es geht dich ja schließlich auch etwas an. Ich fliege nächste Woche wieder nach Tahiti. Ich bin vor zwei Wochen zuletzt dagewesen, als du in Paris warst. Es ist Bewegung in die Sache gekommen. Monsieur Schwarzer hatte noch drei andere Angebote, wie du weißt, offenbar gute Angebote. Es war mehr als ich bereit war zu zahlen. Er hat mich aber angerufen. Es war gleich, nachdem du fort warst. Er möchte gerne, dass ich seine Apotheke bekomme, weil sein Vater und unser Großvater Freunde und Geschäftspartner waren. Ich habe ihm natürlich gesagt, dass es für mich auch etwas bedeuten würde, wenn ich quasi in die Fußstapfen meines Großvaters trete, aber ich habe ihm auch gesagt, dass die Höhe der Abstandszahlung für mich genauso wichtig ist und dass ich nur begrenzte Mittel besitze.«
»Und was hat er daraufhin gesagt, ihr seid euch aber noch nicht einig geworden, oder?« Florence sah ihren Bruder kritisch an.
»Noch nicht. Als ich das letzte Mal auf Tahiti war, haben wir nur über alte Zeiten gesprochen, das heißt, er hat über alte Zeiten gesprochen. Du kennst doch das Haus in der Rue Orleon mit der Apotheke und den beiden Wohnungen darüber. Er hat mir noch einmal alles gezeigt, dass alles in Ordnung sei und dass der neue Besitzer nichts weiter investieren müsste. Er hat mir sogar die Bücher gezeigt. Die Umsätze waren in Ordnung.« Er stutzte. »Nein ich muss sogar sagen, dass sie sehr gut waren.«
»Du meinst also, dass die Ablöse, die er verlangt, durchaus gerechtfertigt ist?«, fragte Florence.
»Durchaus, völlig in Ordnung«, begann Noël plötzlich ein wenig zu schwärmen. »Das Haus wurde in den letzten fünf Jahren nach und nach komplett renoviert. Eine der Wohnungen ist gut vermietet. Eigentlich passt alles.«
»Du weißt, ich möchte natürlich, dass du auf Nuku Hiva bleibst, weil wir beide schon so lange zusammenarbeiten«, sagte Florence mit ernster Stimme. »Nachdem Papa uns das Geschäft überlassen hat, haben wir viel Engagement in alles hineingesteckt und die Apotheke zu dem gemacht, was sie heute ist. Ich könnte hier auch alleine weitermachen, aber wenn du tatsächlich nach Tahiti gehst, wäre es mir gar nicht möglich, dich hier sofort auszuzahlen.«
»Das ist auch nicht notwendig.« Noël setzte sich jetzt auf Florence Schreibtisch. »Das Einzige was ich mit Monsieur Schwarzer bisher ausgehandelt habe, ist, dass ich die Ablöse in drei Jahresraten zahle, vorausgesetzt, das Geschäft kommt überhaupt zustande. Mir geht es nur um die Summe generell. Ich weiß, dass jemand gut anderthalb Millionen Francs mehr bietet als ich.«
»Und was ist mit den Wohnungen. Willst du dort einziehen?«
»Nein, das ist alles zu klein. Monsieur Schwarzer wohnt selbst noch direkt über der Apotheke in einer der Wohnungen. Ich weiß nicht, ob er ausziehen will und ob er Tahiti sogar ganz verlässt. Wir müssen uns wohl etwas auf der Insel suchen. Nächste Woche geht es noch einmal ums Geld und dann werde ich endgültig eine Entscheidung treffen.«
»Vorausgesetzt, es klappt, wann würdest du dann auf Tahiti mit der neuen Apotheke anfangen?«
Noël überlegte. »Isabelle und ich rechnen mit Oktober oder November. Du siehst, ich bin noch eine ganze Weile da, und bevor ich fortgehe, helfe ich dir noch, damit du das Geschäft hier alleine führen kannst. Vielleicht kannst du ja später noch einen Apotheker anstellen, der mit dir zusammen die Arbeiten erledigt, die die anderen nicht machen können.«
»Komisch«, sagte Florence nachdenklich, »das Gleiche hat mir Colette auch empfohlen.«
»Wer?«, fragte Noël überrascht.
»Colette Halter, meine Freundin, die in München lebt, in Deutschland. Ich habe sie vor ein paar Tagen noch besucht.«
Noël nickte. »Hat sie das gesagt? Na siehst du, wenn das schon jemand Fremdes so sieht, dann könnte es doch eine Möglichkeit sein, wobei ich glaube, dass du es auch allein schaffst, ganz sicher.« Er machte eine Pause und erhob sich wieder von ihrem Schreibtisch. »Wir werden sehen, wie es ausgeht. Isabelle würde zwar im Prinzip auch gerne hierbleiben, aber Tahiti reizt sie genauso. Tahiti ist für uns eben ein bisschen, wie anderswo die Großstadt. Es gibt mehr Möglichkeiten, auch für die Kinder. Hier gibt es zum Beispiel keine Oberschule.«
Florence schwieg zu diesem Thema. Sie und ihr Bruder waren auch auf den Marquesas aufgewachsen und es hatte ihnen nicht geschadet. Sicher lag es daran, dass ihre Eltern sich den Privatunterricht leisten konnten, der später das Studium im Ausland ermöglichte. Die gleichen Möglichkeiten hatten aber auch ihre beiden Neffen. Wie immer es ausginge, Florence würde es akzeptieren. Sie würde die Apotheke auf Nuku Hiva auch alleine führen können, schließlich blieben ihr ja noch die Mitarbeiter. Mit ihnen war sie ein eingespieltes Team. Irgendwo klingelte das Telefon. Noël horchte und stellte dann fest, dass es aus seinem Büro kam. Florence ließ sich in ihren Schreibtischstuhl sinken. Sie blickte zur Decke, wo der Ventilator leise surrte. Nach einigen Minuten stand sie auf, mit dem Ziel, im Labor vorbeizuschauen und auch dort kurz Hallo zu sagen.
4 Der Auftrag
Die Digitalkamera hatte Simon ganz vergessen. Er musste sie vorgestern im Cabriolet seiner Frau liegen gelassen haben. Colette hatte sie gefunden, als sie am nächsten Tag wieder ihren Wagen benutzte und sie hatte sie für ihn zu Hause auf den Schreibtisch gelegt. Er nahm die Kamera und steckte sie ein. Dann fuhr er ins Büro. Heinz Kühler war im Index nicht fündig geworden. Der Index war eine Liste mit Angaben zu gestohlenen Kunstwerken. Das Bild, das ihnen dieser Edmund Linz angeboten hatte, war dort nicht aufgeführt. Ein erstes Ergebnis lag also vor. Die Begutachtung durch einen Experten stand heute Nachmittag an. Noch war es ein ganz normaler Kundenauftrag, sicherlich mit Potential, wie Simon immer gerne sagte, wenn es um Werteinschätzungen der ihnen angebotenen Objekte ging. Simon saß an seinem Schreibtisch und sah sich einige Unterlagen durch, die ihm Frau Hoischen heute Morgen ins Büro gelegt hatte. Er fasste sich an die Innentasche seines Jacketts. Ihm fiel die Kamera wieder ein. Er hatte das Ölgemälde vor zwei Tagen fotografiert, an dem Tag als Edmund Linz es ihm präsentiert hatte. Die Kamera steckte nicht in seinem Jackett. Er hatte sie in seine Aktentasche gelegt, als er auf dem Parkplatz vor dem Gebäude ausgestiegen war. Er bückte sich nach seiner Tasche, die neben dem Schreibtisch lehnte. Er nahm die Kamera heraus und legte sie vor sich auf den Tisch. An der Kamera befand sich eine kleine Klappe, hinter der die Speicherkarte steckte. Er fummelte sie heraus und führte sie in den Kartenleser seines Computers ein. Die Karte funktionierte jetzt wie eine Diskette. Das Betriebssystem reagierte sofort und zeigte den Speicherinhalt an. Als er das Foto von dem Ölgemälde gemacht hatte, mussten sich noch andere Aufnahmen auf der Kamera befunden haben, dachte er, als ihm insgesamt achtzehn Dateien angezeigt wurden. Mit einem Doppelklick öffnete er eines der Bilder. Das Programm benötigte einige Sekunden, bis das Foto angezeigt wurde. Er war nicht überrascht, Colette und Florence vor einem gedeckten Tisch in einem Restaurant zu sehen. Er schmunzelte über die Pose der beiden. Simon ging die einzelnen Aufnahmen durch. Bilder von der Innenstadt und noch eines aus einem Restaurant. Die viertletzte Aufnahme war schließlich das Foto des Ölgemäldes. Er vergrößerte die Anzeige und ging so dicht wie möglich an das Bild heran, ohne zunächst den digitalen Zoom zu benutzen. Dadurch hatte er eine noch recht gute Auflösung. Die Aufnahme war klar, die Bildpixel traten noch nicht hervor. Erst jetzt zoomte er auf dem Monitor einzelne Bereiche des Bildes heran. Er sah noch einmal auf die Signatur und den Titel des Bildes. Er vergrößerte diesen Ausschnitt noch weiter, aber die Auflösung wurde zunehmend unschärfer. Er kopierte sich die Datei schließlich auf seinen Computer, in einen neuen Ordner. Dann löschte er die Fotographie des Ölgemäldes von der Speicherkarte, nahm sie aus dem Lesegerät und steckte sie zurück in die Kamera. Er wollte Colette den Fotoapparat wieder nach Hause mitbringen, weil er nicht wusste, ob sie ihre eigenen Bilder selbst schon gespeichert hatte. Er verstaute den Apparat in seiner Aktentasche. Dann holte er aus der untersten Schublade seines Schreibtisches eine dünne Mappe. Es waren die Unterlagen zu dem Ölgemälde, die ihm Edmund Linz gestern vorbeigebracht hatte. Es handelte sich sowohl um den von Edmund Linz selbst angefertigten Laborbericht als