Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich

Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich


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und von seiner glühenden Beredsamkeit sowohl, wie von den Schicksalen gesprochen, die ihn selber in jenen wilden Ländern und unter den noch wilderen Stämmen betroffen. Wie oft war er in Lebensgefahr gewesen, wie unzählige Male hatte schon die Kriegskeule des Wilden oder das Opfermesser über seinem Haupt geschwebt! /12/

      Aber allen den Gefahren bot er ruhig, von Gott beschützt, die Stirn, allen war er entgangen, und kühn und unerschrocken schmetterte er dem Racheschrei der Feinde gegenüber die Götzenbilder zur Erde nieder, und pflanzte an deren Statt das Kreuz des Erlösers auf. So wenigstens lauteten die Berichte.

      Der alte Baron von Schölfe hatte die Artikel auch gelesen und sich dadurch in eine ganz eigene Aufregung versetzt gefühlt. Das war einer der alten Kreuzfahrer, wie er sich selber sagte; das war ein Mann, wie sie nur vorige Jahrhunderte gesehen, voll Muth und Ausdauer, allen Ent-behrungen, allen Gefahren trotzend und stets bereit, sein Leben dem zu weihen, dem er seine ganze Seele schon so lange zu eigen gegeben. Es gewährte ihm deshalb eine ganz entschiedene Befriedigung, als er noch an dem nämlichen Abend von dem Diakonus erfuhr, daß der ehrwürdige Mr. Johnson, ein Engländer von Geburt, der aber auch einen ganz vortrefflichen deutschen Brief schrieb, dem Geistlichen in Rothenkirchen die Meldung gemacht habe, daß er selber in den nächsten Tagen dorthin kommen und einen Vortrag über das Missionswesen halten würde. Gastfrei überhaupt im höchsten Grade, erklärte er dem Diakonus denn auch augenblicklich, daß der Mann hier bei ihm auf dem Schlosse wohnen müsse.

      Ganz gegen sein Erwarten schien sich aber Kästner keineswegs über das Eintreffen des Geistlichen so zu freuen, wie er nach seinen früheren Reden erwartet haben mochte. Ja er machte sogar einige Einwendungen: man wisse doch nicht, mit was für einem Mann man es zu thun bekomme. In den Zeitungen würde viel geschrieben - es wäre vielleicht besser, ihn vorher kennen zu lernen, und anderes Derartiges mehr. Wenn sich aber der alte Baron einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, so war er auch nicht so leicht wieder davon abzubringen.

      Und was konnte der Mann nicht Alles von seinen Reisen erzählen; was hatte er nicht erlebt, und welchen tiefen Einblick mußte er durch ihn in das Missionswesen selber bekommen! Es blieb unfehlbar dabei, was er gesagt, und er setzte sich sogar augenblicklich hin, um einen Brief an den ehr-/13/würdigen Mr. Johnson zu schreiben, in welchem er ihn auf das Freundlichste und Herzlichste einlud, für die Dauer seines Aufenthaltes in Rothenkirchen den Scholfenstein zu seinem Absteigequartier zu benutzen; ja der Diakonus mußte versprechen, den Brief gleich am nächsten Morgen mit der richtigen Adresse zu versehen und zu befördern.

      Der Baron erhielt allerdings keine directe Antwort auf sein Einladungsschreiben; aber vier Tage später kam plötzlich ein Junge aus dem Dorf heraufgelaufen und brachte eine Karte von dem indessen eingetroffenen Missionär. Auf dieser zeigte ihm Mr. Johnson nur mit wenigen Worten an, daß er Rothenkirchen erreicht, noch Einiges mit dem Geistlichen unten im Ort zu besprechen habe und dann unverzüglich dem Boten nachfolgen werde.

      Der alte Herr fand das auch ganz in der Ordnung. Es gefiel ihm sogar, daß der Fremde keine weiteren Umstände machte und das freundliche Anerbieten eben so unumwunden annahm, wie es geboten worden. Er war selber kein Freund von langen Weitläufigkeiten, und dieser Herr Johnson hatte draußen in anderen Welttheilen auch wohl eben so oft Gastfreundschaft geboten, wie sie von Anderen empfangen. Dann betrachtet mau etwas Derartiges eben als selbstverständlich, ohne weiter ein Aufheben davon zu machen. Was wußte der Missionär, der vielleicht die Stammbäume von zahllosen indianischen Königen im Kopfe hatte, auch von dem uralten Geschlecht derer von Schölfe - er hätte sonst seinen kurzen Brief jedenfalls etwas anders abgefaßt.

      So vergingen noch mehrere Stunden, und der alte Baron hatte allerdings schon nach einem vorfahrenden Wagen ausgehorcht, als es plötzlich an seine Thür klopfte und diese sich auf sein etwas erstauntes „Herein" auch unmittelbar öffnete. Auf der Schwelle aber stand Mr. Johnson, eine lange, hagere Gestalt mit vorstehenden Backenknochen, kleinen, grauen, aber lebendig umherfahrenden Augen, etwas bleicher Farbe und fest zusammengekniffenen Lippen, aber mit einem unzweifelhaft ausdrucksvollen und intelligenten Gesicht, einfach, aber natürlich schwarz gekleidet, den runden Hut in der Hand, und sagte mit tiefer, klangvoller Stimme: /14/

      „Ich weiß nicht, ob ich die Ehre habe, den Freiherrn von Schölfe in Ihnen zu begrüßen?"

      „Mein Name ist von Schölfe," sagte der Baron, sich unwillkürlich von seinem Stuhl erhebend.

      „Dann erlauben Sie mir," erwiderte der Fremde, „mich Ihnen als Josua Johnson, den Missionsprediger, vorzustellen, den Sie so freundlich waren in Ihr gastliches Haus zu laden. Ich hoffe, ich falle Ihnen hier nicht zur Last -"

      „Mein lieber Herr," sagte der Baron herzlich, „Sie sind uns so willkommen, wie die Blumen im Mai. Wo haben Sie Ihre Sachen? Die Zimmer für Sie stehen schon seit einigen Tagen bereit."

      „Es ist sehr wenig, was ich bei mir führe," lächelte der Fremde, „denn immer auf Reisen, gewöhnt man sich an Einschränkungen und betrachtet eigentlich jedes Haus nur als ein flüchtiges Bivouak. Ich werde Ihnen auch nicht lange beschwerlich fallen, denn mein Weg ist noch weit, und ich darf darauf nicht rasten."

      „Von Beschwerlichfallen kann gar keine Rede sein," lächelte der alte Herr, „wir haben sehr viel Raum im Schlosse und genügend in Küche und Keller, also bitte, thun Sie, als ob Sie zu Hause wären."

      Damit reichte er ihm in seiner offenen Weise die Hand, die der Missionsprediger auch nahm und herzlich schüttelte. Er hatte Menschenkenntniß genug, um im Augenblick zu sehen, daß der alte Baron jedes Wort, das er sprach, auch ebenso meinte. Das Weitere nahm auch keine lange Zeit in Anspruch; ein Diener wurde gerufen, um den Gast in sein Zimmer zu führen; sein Gepäck - ein einziger kleiner Lederkoffer - war schon hinübergeschafft worden, und er wurde dort sich selber überlassen, um erst wieder gerufen zu werden, wenn das Mittagessen bereit sein würde. Aber er brauchte, wie es schien, zu seiner Toilette nicht besonders lange Zeit, denn kaum eine Viertelstunde später zeigte er sich schon wieder unten im Garten, wo er sich auf das Eifrigste mit den dort blühenden Pflanzen beschäftigte und den Gärtner auch nach Manchem in einer Weise fragte, die deutlich verrieth, daß er selber etwas davon verstand. /15/

      Noch war er damit beschäftigt, als er Schritte auf dem Kies hörte und, aufschauend, sich einer allerdings ungewöhnlichen, wenn auch sehr lieblichen Erscheinung gegenübersah. Es war Berchta, die eben mit Claus, ihrem steten Begleiter, aus dem Wald zurückkehrte und den näheren Weg durch den Garten eingeschlagen hatte, um zum Schlosse zu gelangen. Natürlich vermuthete sie keinen Fremden darin zu finden.

      Sie trug ein leichtgeschürztes, hellgraues Kleid, darüber eine ebensolche joppenartige Jacke mit grünen Aufschlägen und Kragen, einen grauen kleinen Hut mit ein paar Birkhahnfedern darauf, und über der Schulter eine leichte und sehr zierlich gearbeitete Doppelflinte, während Claus, der hinter ihr herkam, einen alten Jagdranzen umhängen hatte, aus welchem als heutige Siegestrophäe die rothe buschige Lunte eines erlegten Fuchses herausschaute.

      Berchta sah wirklich bildhübsch aus; von dem scharfen Gang war ihr Gesicht geröthet; der gute Schuß, den sie heute Morgen gethan, gab dabei ihrem Auge einen eigenthümlich lebendigen Glanz, und unter dem kleinen kecken Jagdhut quoll die Fülle der dunkeln Locken reich hervor. Johnson, der Missionsprediger, war auch in der That frappirt von der plötzlich vor ihm stehenden Gestalt der Jungfrau und grüßte befangener, als es sonst wohl seine Sitte war. Berchta aber, die ja wußte, welcher Gast erwartet wurde, und schon aus dem Schnitt des dunkeln Rocks den Geistlichen erkannte, hatte rasch errathen, wen sie vor sich sah.

      „Ehrwürdiger Herr," sagte sie freundlich, „ich vermuthe in Ihnen den schon seit einigen Tagen erwarteten Herrn Johnson zu sehen. Habe ich Recht?"

      „Allerdings, mein - gnädiges Fräulein," sagte der Geistliche fast verlegen.

      „Dann erlauben Sie mir, daß ich mich Ihnen selber vorstelle. Ich hin die Tochter vom Haus, Berchta mit Namen, und fürchte fast, ich habe durch mein etwas längeres Ausbleiben heute das Diner verzögert, aber der Bursche da drin, er Fuchs, machte uns so viel zu schaffen, bis wir ihn aus seinem Bau bekamen, und ohne meinen kleinen wackern Waldmann da, den Teckel, wäre es uns auch gar nicht gelungen." /16/

      „Ich habe gar nicht gewußt," sagte Johnson


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