Die Missionäre. Gerstäcker Friedrich

Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich


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von seines Bruders Söhnen, eine edle, männliche Gestalt, dabei immer heiter, oft ausgelassen, ja wild, aber seelengut von Herzen und eigentlich der Liebling des alten Barons, der ihn auch als Kind oft Jahre lang in seinem eigenen Hause gehabt und mit erzogen. Franz und Berchta waren deshalb auch - überdies ja schon Geschwisterkinder - wie Bruder und Schwester mitsammen aufgewachsen.

      „Junge," rief ihm der Alte entgegen, indem er ihn in die Arme schloß, „Du triffst gerade zur rechten Zeit ein, um zu spät zu kommen. Wir sind eben mit dem Essen fertig."

      „Thut nichts, Onkel," lachte Franz, „für mich wird schon noch ein kalter Imbiß da sein. Berchta, mein Schatz, wie geht es Dir? Aber ich brauche nicht zu fragen: frisch und blühend wie eine Rose!" Und seinen Arm um ihre Taille /25/ legend drückte er einen Kuß auf ihre Lippen, die sie ihm willig bot. In dem Augenblick sah er den Diakonus, gegen den er sich aber nur förmlich neigte.

      „Also den Braten noch einmal herauf, Claus, aber ein wenig schnell und ein frisches Glas hierher!"

      „Hallo, Claus, mein alter Bursche, wie geht's?" rief Franz, ihm die Hand entgegenstreckend.

      „Danke unterthänigst, Herr Baron,“ schmunzelte der alte Jäger, „famos geht's, so lange die alten Knochen eben noch aushalten."

      „Alte Knochen?" lachte Franz. „Wer weiß, ob Du uns nicht noch Alle zu Grabe trägst!"

      „Das verhüte Gott!" sagte der Alte ernst, „ich möchte es Ihnen und mir eben so wenig wünschen!"

      „Aber was führt Dich so plötzlich her, Franz?" rief der alte Baron, während Claus das Zimmer verließ, „komm, setz' Dich, Junge, und schenke Dir einmal vor allen Dingen ein. Dort neben Dir steht noch ein reines Glas. Unser Herr Johnson hat getrunken, als ob er Vorsteher irgend eines Mäßigkeitsvereins wäre."

      „Was mich herführt?" sagte der junge Mann, der Einladung ohne Weiteres Folge leistend, indem sein Blick aber doch, halb unbewußt, nach dem Diakonus hinüberflog, „reine Familienangelegenheit, Onkel, die wir nachher besprechen. Vorderhand werde ich einmal einen Schluck Wein trinken, denn ich bin durch den Ritt wirklich durstig geworden."

      Der Diakonus Kästner hatte den Blick aufgefangen, so flüchtig er gewesen, und die nachherige Andeutung, daß eine Familienangelegenheit zu besprechen wäre, genügte ihm vollkommen. Er wendete sich gegen den Freiherrn und sagte dabei freundlich:

      „Sie entschuldigen mich wohl, Herr Baron, wenn ich unserem Herrn Johnson hinunterfolge. Es ist auf morgen noch Manches zu besprechen, wobei meine Gegenwart nothwendig sein könnte."

      „Mein lieber Kästner," ries der Baron, „machen Sie keine Umstände. Sie wissen, daß Sie bei mir wie zu Hause sind."

      Der Diakonus nahm seinen Hut, sprach noch leise einige /26/ Worte mit Berchta und verließ dann mit ehrfurchtsvollem Gruß das Zimmer, während ihm Baron Franz wohl vornehm höflich dankte, seiner Gestalt aber mit eben nicht freundlichen Blicken folgte.

      „Sag' einmal, Onkel," begann er auch, wie jener die Thür hinter sich zugezogen hatte, „Du hast dir wohl ein ganzes Nest von solchen Schwarzröcken eingeladen? Dicht vor dem Schlosse begegnete ich ebenfalls einem ältlichen Herrn, der ganz in das Fach zu schlagen schien."

      „Es war ein Missionsprediger, der morgen früh hier predigen will," erwiderte der Freiherr. „Aber was ist das für eine Familienangelegenheit, die Dich hierher geführt? Doch nichts Unangenehmes, wie ich hoffe?"

      „Ich denke nicht," lachte Franz von Schöffe, bei der Frage alles Andere vergessend. „Ich bin glücklicher Bräutigam, Berchta!"

      „In der That?" rief diese, „und mit wem?"

      „Mit Selma von Hohenstein, Euren Nachbarn fast."

      „Mit Selma von Hohenstein?" rief Berchta erstaunt aus.

      „Nun sage mir um Gottes willen, Franz, wie kommst Du dazu?"

      „Das möchte ich auch fragen," schüttelte der Baron mit dem Kopf. „Höre, mein Junge, ich fürchte fast, Ihr Beiden paßt nicht recht zu einander. Du bist ein halber Heide und sie ein tief religiöses, fast schwärmerisches Wesen. Ich begreife auch, aufrichtig gestanden, gar nicht, daß sie Dir nur ihr Jawort gegeben hat."

      „Ist es nicht ein prächtiges Mädchen?" lachte Franz.

      „Das ist sie," bestätigte der Onkel, „aus guter Familie, dabei reich, hübsch, klug und auch gut von Herzen; ich kenne sie ja von klein auf. Doch in Euren Ansichten geht Ihr weit auseinander."

      „Sage mir nur, Franz," bat Berchta, „wie Ihr Euch habt kennen lernen, und daß selbst wir, die nächsten Nachbarn, nichts davon erfuhren."

      „Die Sache ist sehr einfach, mein schönes Bäschen. Hohensteins waren doch kürzlich in Berlin, nicht wahr?"

      „Allerdings." /27/

      „Schön. Dort trafen wir einander, denn bekannt sind wir ja schon als Kinder mitsammen gewesen, und da zufällig einmal das Gespräch auf Religion kam und ich dabei vielleicht einige Ansichten entwickelte, die ihr Besorgniß für mein künftiges Seelenheil einflößten, so ging sie scharf an die Arbeit, um mich zu bekehren."

      „Und ist ihr das gelungen?" fragte der Baron trocken.

      „Leider nicht," seufzte Franz. „Mit dem regen Interesse für mich aber geweckt, und da sie doch wohl einsehen mochte, daß der kurze Aufenthalt in der Residenz kaum ausreichen würde, um ihr Liebeswerk zu beenden, scheint sie beschlossen zu haben, die Sache radical anzugreifen und mich zu heirathen."

      „Du spottest, Franz," sagte Berchta ernst.

      „Wahrhaftig nicht, Schatz!" rief ihr Vetter. „Dort erklärten wir uns allerdings noch nicht, aber das liebe Ding wollte mir nicht wieder aus dem Kopf. Gar so herzlich hatte sie zu mir gesprochen, und eine solche Sorge, solche Angst um mich gezeigt, daß ich von der Zeit an gar nichts weiter denken konnte, als nur eben sie, und da der Vater außerdem in mich drängte, mir nun endlich einen Hausstand zu gründen, packte ich gestern auf, reiste in einem Strich nach Hohenstein und habe gestern Abend um ihre Hand angehalten und sie bekommen."

      „Alle Wetter! das ging rasch -"

      „Heute Morgen litt es mich nun nicht länger, Euch wenigstens hier zu sehen und die frohe Kunde mitzutheilen, und da Selma überdies auf Besuch zu einer Tante mußte und zwei Tage ausbleiben wird, benutzte ich die Zeit und ritt herüber. Voilá tout!"

      „Und glaubst Du wirklich, Franz," sagte Berchta bewegt, „daß Ihr Beide zusammen passen werdet?"

      „Und warum nicht, Schatz?" lachte der leichtherzige junge Mann. „Entweder sie bekehrt mich, oder ich sie. Wenn wir nur einander lieb haben, das Andere findet sich nachher schon von selber, und ich bin fest überzeugt, glücklich mit ihr zu werden."

      „Das gebe Gott!" nickte Berchta.

      „Und meinen Segen hast Du auch, Franz," sagte der /28/ alte Freiherr, „wenn ich auch Berchta's Befürchtung halb und halb theile. Aber das ist Deine Sache; Du mußt sehen, wie Du mit ihr fertig wirst. Uebrigens, wenn Deine Verlobte auf Besuch ist, bleibst Du doch wohl kurze Zeit bei uns?"

      „Wenn Ihr mich haben wollt, heute und morgen. Uebermorgen früh muß ich aber wieder nach Hohenstein zurück."

      „Schön, mein Junge; dann soll Dir Berchta Deine Zimmer gleich in Ordnung bringen lassen," nickte der Onkel; „Du wirst wieder in Deiner alten Stube einquartiert."

      3.

      Die Missionspredigt.

      Der nächste Morgen brach an, und mit ihm kam ein ganz eigenes, reges Leben in das sonst so stille Rothenkirchen, - denn Johnson, der Missionsprediger, war noch am vorigen Tag außerordentlich thätig gewesen und hatte Boten nach allen benachbarten Dörfern ausgeschickt, um seinem Vortrag über jene „Heimath über dem Meer", wie er es nannte, die weiteste Verbreitung zu geben. Er schien auch damit einen ganz außerordentlichen Erfolg zu erzielen, denn wenn sich viele Menschen vielleicht - sobald sie erst genau erfuhren, um was es sich hier handelte


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