Das Ende der Clara. Helmut H. Schulz

Das Ende der Clara - Helmut H. Schulz


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Lösung. "Darauf bist du aber nicht von allein gekommen", sagte Hinrichsen misstrauisch, "dieses Weib hat es dir verraten."

      "Nee, der gläserne Oll-Grell oder wer weiß. Die andere Aufgabe habe ich nebenbei auch gelöst. Der Dritte hat den Sextanten beim Alten gefunden, der brauchte den Kasten als Untersetzer für die Teekanne."

      "Nun lenk mal nicht ab", sagte Hinrichsen. "Ich dachte, wer von uns gewinnt, ist ganz gleich. Das hört sich jetzt so an, als ob du die »CANBERRA« schon gewonnen hast."

      "Kannst ja später mal mitsegeln", sagte ich.

      "Und Dagmar? Außerdem funktioniert deine Idee nur, falls sich nicht noch ein Mitbewerber gefunden hat, also wenn nur wir beide mit unseren Booten an den Start gehen."

      Und dann machten wir unsere Boote klar. Der Skipper kam mit diesem Johannsen und seiner Dagmar und fragte uns, ob es nun losgehen könne. Und schließlich kam auch Oll-Grell angekrückt, klein und krumm und schwarz wie alter Wantendraht, aber gar nicht durchsichtig.

      "Von dir habe ich geträumt, Grell", sagte ich. "Segg bloß? Und was hast geträumt?"

      Aber der Kapitän Johannsen kam heran und erläuterte, wie er den Kurs gelegt hatte, und sagte abschließend, wer als Sieger einlaufe, der bekäme von Dagmar ein Etui überreicht. Wir grinsten.

      "Verlobungsringe", sagte Oll-Grell.

      Ein Wink mit dem Zaunpfahl schien es mir, jedenfalls für mich bestimmt, aber Verlobung hieß noch nicht Hochzeit, und Heirat war auch nicht die letzte Heuer.

      "Also", sagte der dicke Skipper feierlich, "das große Rennen um die alte »CANBERRA« kann beginnen."

      "Das geht schon in Ordnung", sagte Hinrichsen, "aber wenn Sie erlauben, Wedderkopp hat sich da was ausgedacht, und das möchte er Ihnen zuvor verklickern, damit es nicht hinterher großen Ärger gibt."

      Oll-Grell feixte schon wieder, und der Skipper wurde blass um die Nase, es war ihm wohl nicht recht, jetzt noch einen Vortrag anhören zu müssen. Er gab mir ein Zeichen, dass er bereit war zuzuhören.

      "Ich will es kurz machen. Es soll, haben Sie gewollt, ein faires und sauberes, vor allem aber ein wirkliches Rennen werden, ohne Tricks und Finten, sondern hart gesegelt?" Er nickte. "So haben Sie es sich doch gedacht? Und Sieger ist, dessen Boot als erstes einläuft, egal wer es führt, nicht?" "Mann, Johannsen, er ist doch darauf gekommen, wie mich das freut."

      "Also dann tauschen wir mit Ihrem Einverständnis jetzt die Boote", sagte ich.

      "Aber sicher, man tau", sagte der Skipper.

      Das Rennen verlief denn auch glänzend, wir hatten den richtigen Wind auf dem Haff, und der Himmel war blank und hell mit Wolkenfetzen. Jeder hatte des anderen Boot zu führen und musste zusehen, es zu schlagen, damit sein eigenes Boot auf dem zweiten Platz einliefe. Hinrichsen ist wahrhaftig ein Segler vor dem Herren, und wir waren nass wie die Bachkatzen, als wir festmachten. Das große Rennen war damit zu Ende, ich hatte die »CANBERRA« und die Prinzessin mit dem halben Königreich gewonnen, wenn sie es wollte. Sie reichte mir huldvoll das Etui und gab mir einen Kuss, der nicht so besonders ausfiel, aber was nicht ist, das würde schon werden, und sie sagte, sie habe es gehofft, dass einer von uns die »CANBERRA« gewinnen würde. Öffnen sollte ich das Etui nicht gleich, sondern erst drei Tage später. Hinrichsen hatte sich in die Büsche geschlagen, aber ich brauchte ihn auch nicht mehr, ich hatte doch diese Dagmar als Bestmann und Bestfrau. Die Übergabe der »CANBERRA« gelang vorzüglich und musterhaft. Der Skipper stand mit einem Blumenstrauß da, und Prinz Heinrich zückte seinen Schreibeblock, um mir die Liegegebühren aufzuschreiben und um mir eine Versicherung anzudrehen. Um uns herum standen eine Masse Leute, die nicht genau wussten, was hier los war, und die auf einen Schluck Freibier hofften. Daraus wurde aber nichts. Ein bisschen benommen von dem Theater, setzte ich mich auf die Backskiste und studierte die Schenkungsurkunde, ob auch alles in Ordnung war. Mit heutigem Tag ging die Yacht also wahrhaftig in meinen Besitz über, zu ewigen Zeiten in die Hände von Heribert Wedderkopp. Endlich kam Hinrichsen längs, jumpte herüber und gratulierte mir. Zuletzt jumpte auch noch Oll-Grell ins Cockpit, und mir kam eine Ahnung, dass ich ihn mitgeerbt haben könnte und nie mehr los werden würde.

      "Was will der denn hier", sagte Hinrichsen.

      "Lass ihn man, wirst ihn doch nicht los."

      7

      Vom Skipper sahen und hörten wir nichts mehr. Am folgenden Tag hielt ich es nicht mehr aus und fragte Oll-Grell, ob er wisse, wohin der Alte mit seinem Töchterlein abgekommen war, und ich meinte natürlich diese Dagmar, meinen Siegespreis.

      "Ja, isses möglich? Weißt nix? Der ist schon unnerwegens mit sine junge Fruu, nach Affika runter, mit Johannsen. He macht do watt bin Hafen, wie heeßt dat Kaff man bloß?"

      "Immerhin", sagte Hinrichsen, "mein Geschmack war sie nicht, zu mickerig und zu näskloog."

      "Du hast sie nicht gewonnen", sagte ich. "Deshalb mäkelst du an ihr herum."

      "Du aber auch nicht", sagte Hinrichsen, "von wegen Prinzessin und das halbe Königreich dazu."

      "Nee", sagte Oll-Grell, "wat et allens jibt."

      Mein Blick fiel auf ihn, der war vielleicht als Wache gut. Ich machte ihm ein Angebot, und Oll-Grell stellte seine Bedingungen, immer eine Buddel Schluck im Schapp. Als zweiten Mann heuerte ich Hinrichsen, wie ich es ihm schuldig war. Aber er zierte sich, er wollte kein Notnagel sein. "Bist du doch auch nicht", sagte ich, "bist vollwertiges Mitglied der Mannschaft."

      "Ach, und du machst den Alten. Was ist denn eigentlich in dem Etui gewesen?"

      "Das soll ich doch erst am dritten Tag aufmachen."

      "Wie im Märchen. Quatsch, mach es auf."

      Ringe fand ich keine, aber einen Brief vom Skipper an Herrn Wedderkopp.

      Mein lieber Junge! Wenn du diesen Brief in Händen hältst, dann schwimmen wir schon. Es hat uns gefreut, dass du und kein anderer die »CANBERRA« erobert hat. Ich habe es immer gewusst, dass es noch Männer gibt, mit Lust auf das Abenteuer. Unter den neuen Seglern ist die »CANBERR nichts mehr wert, ein paar Besessene ausgenommen. Selbst wenn ich einen Käufer gefunden hätte, ein solches Boot verkauft man nicht auf Ramsch. Denn diese alte Yacht ist eine der letzten großen Legenden. Du wirst es erfahren, sie segelt jedes vergleichbare Boot ohne Mühe aus. Was mich betrifft, so bin ich auch eine Legende, ich glaube noch immer an die Wirklichkeit der Meere, an Wind und Wogen und an das Unvorhersehbare, Unberechenbare der endlosen blauen Straßen. Lass dir von keinem dieser neuen Philister einreden, es gäbe nichts Neues


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