Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski. Knut Freiwald

Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski - Knut Freiwald


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      Vorwort des Autors

       Vorwort des Autors

      Das ist eine der größten Fragen die den Kindern oft gestellt werden, und zugleich eine der schwersten Bürde in jungen Jahren eine Antwort zu geben.

      Viele haben keine Antwort auf diese Frage, aber einige wissen schon sehr früh und genau was sie einmal werden wollen. Erstaunlich dabei, dass gerade diese Kinder auch das werden, egal nun ob Polizist, Arzt, Schauspieler oder Sänger. Sie verfolgen diese Ziele beharrlich. Beispiele gibt es viele. Die Erzählung basiert auf der Autobiographie des Verfassers. Seit frühester Kindheit war es sein Wunsch gewesen, Matrose und später Kapitän zu werden. Geboren am 17. März 1950, in der Lausitz dem heutigen Land Brandenburg, ist sein Lebensweg verbunden mit dem gerade gegründeten Arbeiter- und Bauernstaat, der DDR, auf dem Territorium der 1945 geschaffenen sowjetischen Besatzungszone. Von diesem ersten sozialistischen Staat auf deutschen Boden wurde sein Leben geprägt und beeinflusst durch Kindergarten, Schule, Lehrzeit und im späteren Studium. Mit aller Offenheit werden Probleme, Verstrickungen und Rückschläge, die es auf diesem langen Weg gab, dargelegt. Es wird geschildert, wie er in der DDR Seemann geworden ist, wie er als Seemann in diesem Staat gelebt hat, mit welchen Problemen und Einflüssen er konfrontiert wurde. Dazu gehört auch die Auseinandersetzung, sowohl mit der damaligen Gesellschaft und Politik der DDR als auch nach dem gesellschaftlichen Umbruch mit der heutigen Gesellschaft und Politik der Bundesrepublik Deutschland. Dies dabei immer aus seiner Sicht der Dinge. Sicher wird jeder dazu seine eigene, in vielen Fällen wahrscheinlich eine andere persönliche Meinung haben. Als DDR-Bürger wurde man entweder in diesem Staat geboren, so wie ich, lebte in der damaligen sowjetischen Besatzungszone oder fand sich als sogenannter Übersiedler in diesem Teil Deutschlands nach dem II. Weltkrieg wieder. Jeder musste sich mehr oder weniger mit diesem Staat arrangieren, insbesondere dann, wenn er in diesem Staat eine berufliche Karriere anstrebte. Eigentlich unterscheidet sich das Leben, ob nun in Ost oder West nicht, es wurde, wie woanders auch, gelebt, geliebt und gefeiert. Es gab zufriedene und unzufriedene Menschen bezüglich Staat, Politik und Lebensweise genau wie heute und in jedem anderen Staat der Welt. Es wird immer gesagt, die Rostocker Seeleute gehörten einer privilegierten Schicht an. Privilegiert nur insofern, weil sie ein Seefahrtsbuch besaßen mit dem sie die Seegrenze der Mecklenburger Küste per Schiff überschreiten durften. Die Auswahl für diesen exponierten Arbeitsplatz wurde von Seiten des Staates streng geregelt. Dieses Auswahlverfahren mussten vermutlich auch zukünftige Mitarbeiter von Botschaften oder Konsulaten als auch Mitarbeiter von Kombinaten und Betrieben, welche für einen Auslandeinsatz vorgesehen waren, über sich ergehen lassen. Mit der Bewerbung bei der Deutschen Seereederei, ob nun als Koch, Stewardess, Elektriker oder Matrose, wurde automatisch ein Verfahren in Gang gesetzt, auf das der Bewerber absolut keinen Einfluss besaß. Es handelte sich um die Prozedur, ein Seefahrtsbuch zu beantragen einschließlich des dazu gehörigen Sichtvermerkes. Er selbst konnte weder Einfluss auf diesen Vorgang nehmen, noch hatte er bei einer Ablehnung irgendein Einspruchsrecht oder bekam Gründe für einen abschlägigen Bescheid genannt.

      Das Leben eines Seemannes nach der Wende, sofern er sein Berufsleben bei der Seefahrt fortsetzte, ist von Interesse, um nun das Leben eines Seemannes unter bundesdeutschen Bedingungen kennen zu lernen. Wie jeder Bürger der ehemaligen DDR musste auch ein Seemann sich von heute auf morgen mit einem völlig anderen Staat kapitalistischer Prägung und mit einer auf maximalen Gewinn ausgerichteten Seefahrt auseinandersetzen. Der Verfasser kann natürlich nur seine Seite darstellen. Alle in der Erzählung aufgeführten Örtlichkeiten existieren tatsächlich. Werden Namen genannt, handelt es sich um Persönlichkeiten aus dem Bereich der Seefahrt in der DDR oder um Namen der Schiffe, auf denen er unter der DDR-Flagge oder später unter der bundesdeutschen Flagge Dienst tat. Nur die Namen von Freunden und Beteiligten sind frei erfunden. Ein Stück Zeitgeschichte gelebt in zwei deutschen Staaten.

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      Krönung meiner Seefahrtzeit – 2005 – Kapitän MS „CIMBRA“

       Krönung meiner Seefahrtzeit – 2005 – Kapitän MS „CIMBRA“

Grafik 90

      Eigentlich ist es schon verwunderlich, wenn ich auf meine lange Fahrzeit als Seemann zurück schaue, dass mir als Höhepunkt meiner Laufbahn die Reise mit dem MS „CIMBRA“ im Jahr 2005 einfällt. Deshalb möchte ich meine Geschichte mit dieser Reise beginnen.

      Es war ein schöner Wintertag im Januar 2005, soeben hatten wir den Lotsen von Rotterdam abgegeben. Mein Blick geht aus dem Brückenfenster hinaus, das Meer ist nur leicht bewegt, die Wellen haben kleine Schaumkronen und vor allem: die Sicht ist gut. Die Nordsee kann um diese Jahreszeit ja wesentlich ungemütlicher sein. Wir fahren auf dem vorgeschriebenen Weg des Verkehrstrennungsgebietes Ansteuerung Rotterdam auslaufend. Es herrscht dort der übliche dichte Verkehr, aber alles ohne Probleme. Das MS „CIMBIA“ ist ein Vollcontainerschiff gebaut im Jahre 2002 und kann 2.824 Container transportieren. Übernommen habe ich das Kommando in Khor Fakkan. Es war die Krönung meiner bisherigen seemännischen Laufbahn als Kapitän, dass man mir dieses fast neue Schiff anvertraute. Von Khor Fakkan ging es dann nach Dubai, Muhammad Bin Qasim, Tuticorin, Colombo, Damieta, Antwerpen, Felixstow, Rotterdam und nun nach Hamburg, dem Endpunkt der Rundreise.

      Dieser Anlauf Hamburg war für mich etwas Besonderes, seit 1966 fuhr ich zur See, und schon oft war ich in Hamburg, ob als Matrose, Dritter, Zweiter oder Erster Offizier, dies aber sollte mein erster Anlauf sein als Kapitän eines Schiffes.

      Inzwischen haben wir Amsterdam / Ilmjiuden an Steuerbordseite passiert und ordnen uns in das Verkehrstrennungsgebiet vor Texel ein. Der Schiffsverkehr im Verkehrstrennungsgebiet vor Texel erfordert nun wieder meine Aufmerksamkeit. Das MS „CIMBRIA“ fährt unter Liberia Flagge. Die Besatzung besteht aus mehreren Nationen. Ich habe mal das Glück einen deutschen Chief Ingenieur mit an Bord zu haben. Ansonsten bin ich in der Regel der einzige Deutsche an Bord. Die Mannschaft besteht aus philippinischen Seeleuten. Die Offiziere und Ingenieure kommen aus Bulgarien. Im Laufe der Jahre habe ich mir angewöhnt in schwierigen Fahrtgebieten / Gewässer auf der Brücke zu sein. Der wachhabende Offizier fährt eigenverantwortlich, und ich halte mich im Hintergrund. Dies ist kein Misstrauen, aber so bin ich gleich standby, sollte es Probleme geben. Der Englische Kanal und die Nordsee sind ein sehr anspruchsvolles und kompliziertes Fahrgebiet, wo es schnell passieren kann, dass der verantwortliche Wachoffizier an seine Grenzen kommt. Für mich war es früher auch jedes Mal beruhigend zu wissen, dass mein Kapitän auf der Brücke war. So konnte er auf Grund seiner Erfahrung bei heiklen Situationen eingreifen beziehungsweise das Kommando übernehmen. Aber auf meine bulgarischen Offiziere an Bord konnte ich mich voll verlassen. Sie hatten eine sehr gute Ausbildung durchlaufen ähnlich wie wir in der damaligen DDR.

      Vollmatrose, mein Blick geht zum Ruderbock, dort steht ein Matrose, da wir Handruder gehen müssen. Heute AB (Able Seaman) genannt, Inhaber des Zertifikats „Rating Deck“ ein philippinischer Seemann.

      Schon ungewöhnlich für ein so relativ neues Schiff, aber unser Kreiselkompass hatte kurz vor Rotterdam den Geist aufgegeben. Den alten Kreiselkompass (noch mit Kreiselkugel) hat jedenfalls jeder E- Ingenieur wieder zum Laufen gebracht. Aber hier war ein Kreiselkompass der neusten Generation (ohne Kreiselkugel) installiert worden. Trotz Anstrengungen unseres E-Ingenieurs in Rotterdam und Assistenz eines Services war es nicht gelungen, den Kreiselkompass zu reparieren. Es fehlte ein bestimmtes Ersatzteil, das auch nicht auf die Schnelle in Rotterdam zu besorgen war. Das Ersatzteil sollte nun in Hamburg kommen. Warten in Rotterdam war keine Option, Zeit ist Geld, und wir hatten einen straffen Fahrplan. Die Entscheidung ohne funktionstüchtigen Kreiselkompass weiter zu fahren brachte ein paar Probleme mit sich, stetige Umrechnung der Kurse in den Magnetkompasskurs, die Wachoffiziere entsprechend Briefen und jeweils den Lotsen informieren. Der Magnetkompass steht üblicherweise auf dem Peildeck, die Anzeige wird mittels Spiegel, die sich in einem Rohr befinden, zum Ruderstand reflektiert. Das Steuern nach Magnetkompass gestaltet sich schwierig, da die Anzeige ständig in Bewegung ist. Für den Matrosen war es sehr anstrengend,


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