Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski. Knut Freiwald

Ein Seemann erzählt von seiner Seefahrt in zwei deutschen Staaten - Herausgeber: Jürgen Ruszkowski - Knut Freiwald


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halbstündlich ablösen konnten und der Ausguck immer besetzt war. Wir hatten Glück, dass das Wetter gut war. Bei Sturm mit dem Rollen und Stampfen des Schiffes wäre es sehr schwierig geworden das Schiff auf Kurs zu halten.

      Dabei haben wir nun mit dem von Nord Hinder kommenden Verkehr zu kämpfen, welche auch den kürzeren Küstenweg nach Bremen oder Hamburg fahren wollen. Nächster markanter Punkt wird die Leuchttonne Texel sein. Wir können auf Seeumdrehungen gehen, bei dieser Wetterlage habe ich mich entschieden den Küstenweg, das heißt die Route Texel, Terschelling, Borkum Richtung Elbe 1 zu nehmen. Für schweres Wetter hatte ich den vorgeschriebenen Tiefwasserweg Nord Hinder – Deutsche Bucht – Elbe 1 vorbereiten lassen. In dem relativ flachen Wasser in Küstennähe kann es sehr gefährlich werden, da sich dort bei Sturm starke Grundseen bilden. Der Anlauf Hamburg ist für mich deshalb etwas Besonderes, da es ein langer Weg war, bis ich das Kommando eines Schiffes übernehmen durfte.

      Früher lag hier das Feuerschiff Texel, gefolgt dann von den Feuerschiffen Terschelling, Borkum, Weser und Elbe 1. Diese waren wichtige Seezeichen in der damaligen Zeit. Während meiner Lehrlingszeit sind wir mit dem MS „FRITZ REUTER“ einem Kühlschiff, diesen Weg zweimal im Monat gefahren, als wir Linie Rostock – Conakry – Rostock fuhren, um von dort Bananen zu holen. Ich werde nie vergessen, wie wir insbesondere bei schlechter Sicht angehalten wurden nach diesen Seezeichen Ausschau zu halten. Radargeräte als Hilfe für die Navigation waren gerade erst im Kommen. Eine große Hilfe war es dann später, als die Feuerschiffe mit Radarreflektoren ausgerüstet wurden.

      Langsam haben wir uns mit der „CIMBRIA“ frei gefahren. Dieses Fahrgebiet ist immer wieder eine Herausforderung durch sein starkes Verkehrsaufkommen.

      Zwischenzeitlich muss ich meine Aufmerksamkeit dem Schiffsverkehr widmen. Das Schiff ist gerade bei einem Überholvorgang. Dies ist teilweise schwierig, da der dafür notwendige Platz auf diesen vorgeschriebenen Zwangswegen des Verkehrstrennungsgebietes, doch recht beschränkt ist und die Wassertiefen neben dem Zwangsweg bei einem entsprechenden Tiefgang einem gefährlich werden könnte, ähnlich dem Überholvorgang von zwei LKW auf der Autobahn. Da die Geschwindigkeiten teilweise fast gleich sind, dauert der Überholvorgang eine gefühlte Ewigkeit. Das erinnert mich an meine erste Reise als Dritter Offizier auf einem Kühlschiff. Dieses hatte eine Dienstgeschwindigkeit von 20-22 Knoten, das war schon eine Umstellung. Zumal ich gerade von einem Massengutschiff kam, welches gemütlich mit 11-13 Knoten daher fuhr. Nun hieß es dicht heranfahren, kurz ausscheren, überholen und schnellstens wieder einordnen, ansonsten landete man weit ab von seiner Kurslinie. Vor allem große, harte Ruderlagen vermeiden, da das Schiff sich ansonsten wie ein Motorradfahrer in die Kurve legt. Diese Erfahrung musste ich damals auslaufend Hamburg nach Lotsenabgabe bei Elbe 1 machen. Der Kapitän hatte mir das Kommando übergeben und die Brücke verlassen. Ein Schiff kam an Stb.-Seite den damals vom Feuerschiff Deutsche Bucht kommenden Narrow Channel herunter. Da sich die Peilung nicht veränderte, musste ich ein Ausweichmanöver fahren. Wie gelernt und bisher praktiziert, leitete ich das Manöver frühzeitig, rechtzeitig und energisch (mit Ruderlage Stb. 15 Grad) ein. Mein Wachmatrose fragte noch. „Wirklich?“ Das Resultat war verheerend, das Schiff legte sich zur Seite, ich hörte dann nur noch ein hastiges Trampeln auf der Treppe zur Brücke. Das Brückenschott wurde aufgerissen und mein Kapitän kam auf die Brücke gestürmt und sagte: „Sind Sie wahnsinnig, wollen Sie das Schiff umkippen?“ Er übernahm sofort das Kommando mit dem Kommando Ruder Mitschiffs und brachte das Schiff wieder auf Kurs. Erschreckt musste ich feststellen, dass das Schiff während dieser kurzen Zeit doch erheblich vom Kurs abgekommen war. Zu meinem Glück hatten wir eine ausreichende Wassertiefe an dieser Stelle. Anschließend erklärte er mir, wie man bei diesen Geschwindigkeiten ein Schiff zu fahren habe. Dies hätte er mir vielleicht schon bei der Reisebelehrung erzählen können, da es mein erster Einsatz als Nautiker auf einem Kühlschiff war. Es war jedenfalls eine Erfahrung, die ich nie vergessen habe, da später die neuen Containerschiffe alle in diesem Geschwindigkeitsbereich unterwegs waren.

      Normal könnte ich gleich eine Mütze Schlaf nehmen, bevor ich vor Elbe 1 wieder auf die Brücke muss, doch vorher ist noch einiges zu erledigen.

      Seit der Einsparung des Funkoffiziers sind dessen Aufgaben dem Kapitän übertragen worden. Der gesamte Dienstverkehr mit Reederei, Charterer, Agenten etc. wird nun vom Kapitän abgearbeitet. Egal, ob er nun zuvor Stunden auf der Brücke verbrachte oder in den Häfen von den immer häufiger anstehenden Hafenkontrollen oder Inspektionen davon abgehalten wurde, sich zu erholen. Dies war früher Aufgabe des Funkoffiziers. Dazu kommen vorbereiten der Klarierung, Anmeldung an den nächsten Lotsen / Hafen, Heuerabrechnung und vieles mehr an Büroarbeiten. Dies bedeutet eine erhebliche Mehrbelastung für den Kapitän. Es ist nun seine Aufgabe dies alles unter einen Hut zu bringen. Deshalb gibt er teilweise diese Aufgaben an seine Offiziere weiter, da es zeitlich unmöglich ist, alles allein abzuarbeiten. Die Verantwortung verbleibt aber beim Kapitän, er muss für eventuelle dabei gemachten Fehler gerade stehen. Der Funker wurde ersatzlos eingespart. In den seltensten Fällen wurde mit Hinweis darauf die Heuer des Kapitäns erhöht. So kommt auch ein Kapitän bei sehr engem Fahrplan an seine Belastungsgrenzen. Eigentlich ist es die Hauptaufgabe eines Kapitäns, sein Schiff sicher von A nach B zu bringen. Nach Erledigung aller notwendigen Arbeiten versuchte ich noch etwas zu schlafen. Aber es ist nicht so einfach auf Kommando den Gedankenfluss zu stoppen und abzuschalten.

      Die Verkehrssituation hat sich beruhigt. Das Wetter bleibt uns weiterhin treu, klare Sicht bei Beaufort 4-5, also kein Problem für unser Schiff.

      Wir folgen weiter dem Küstenweg Richtung Elbe 1. Den Elbelotsen sollen wir am nächsten Tag um 6. Uhr bei Elbe 1 erhalten. So kann ich die Brücke verlassen, zumal gerade der 1. Offizier die Wache übernimmt.

      Der Wecker klingelt, es ist kurz vor drei, irgendwie muss ich wohl doch noch eingeschlafen sein. Denke mal, wir sind kurz vor meiner Linie wo die Brückenwache mich wecken soll. Also mache ich mich fertig, um auf die Brücke zu gehen und später bei Elbe I den Elblotsen zu übernehmen. Vorbereitet habe ich schon meinen kleinen Teller mit einem geschälten Apfel, Kuchen oder Plätzchen und nicht zu vergessen die Zigaretten, da ich damals noch Raucher war. Die Brückenbesatzung lachte schon immer, wenn ich damit ankam. Auf der Brücke ist noch der Zweite Offizier mit seinen Wachmatrosen. Alles normal keine besonderen Vorkommnisse. Die Verkehrslage ist überschaubar. Nachdem der 1. Offizier seine Wache übernommen hat, erkläre ich ihm, dass er die Lotsenübernahme bei Elbe I unter meiner Aufsicht fahren wird. Laut Reederei-Information soll er nach der nächsten Rundreise meine Ablösung sein und in Hamburg dann das Kommando der „CIMBRIA“ übernehmen.

      Inzwischen bin ich auf der Brücke. Der 1. Offizier hat seine Wache übernommen und wir besprechen die bevorstehende Lotsenübernahme bei Elbe I. Er ist ein erfahrener Offizier, und ich kenne ihn schon, seit er als Dritter Offizier bei unserer Reederei angefangen hat. Er kommt aus Bulgarien und gehört zu den Nautischen und Technischen Offizieren, die meine Reederei Anfang der 1990er-Jahre eingestellt hatte. Es waren sehr gut ausgebildete Seeleute. Sie hatten einen ähnlichen Ausbildungsweg durchlaufen wie wir in der DDR. Wir sind auch schon beide mehrmals auf anderen Schiffen zusammen gefahren. Ich freue mich für ihn, da er ein sehr guter 1. Offizier ist und seiner neuen Aufgabe sicher gewachsen sein wird.

      Die Tonne Elbe I wird gut sichtbar sowohl optisch als auch im Radar angezeigt, gemäß der Absprache lasse ich den 1. Offizier das Manöver der Lotsenübernahme fahren und halte mich im Hintergrund. Er macht die Sache gut, und der Lotse ist nun auf dem Weg zur Brücke. Nach Begrüßung des Seelotsen, der uns bis Cuxhaven bringen wird, erkläre ich ihm die Manövereigenschaften des Schiffes und informiere ihn über den Tiefgang des Schiffes. Dabei ist zu beachten, dass wir jetzt auf der Elbe kein Seewasser mehr haben. Interessiert frage ich ihn nach ehemaligen Kollegen, welche von unserer Reederei zu den Elblotsen gewechselt waren. So kommen wir ins Gespräch, er bleibt dabei konzentriert, gibt die notwendigen Ruderkommandos und behält den Verkehr im Auge. Er ist richtig erfreut, mal wieder mit einen deutschen Kapitän an Bord zu fahren. Nach seiner Aussage langsam eine Seltenheit.

      Das Schiff passiert gerade an Stb.-Seite die Kugelbake vor Cuxhaven. Der Lotse bereitet sich vor, das Schiff zu verlassen. In Cuxhaven kommt ein jetzt der Elbelotse an Bord, der uns bis zur Übernahme des Hafenlotsen in Hamburg begleiten wird.

      Während der Lotse runter an Deck zur Lotsentreppe geht, hat der


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