Ein Earl zu Weihnachten. Patricia Sveden

Ein Earl zu Weihnachten - Patricia Sveden


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sollte sie ihn eigentlich anreden? Mit Lord? Mylord? Immerhin war er ein Earl. Bella war im Augenblick immer noch zu verdutzt, um ein Wort herauszubringen. Aber wenigstens schien der anziehende Earl nicht böse auf sie zu sein. Vielleicht sogar das Gegenteil. War er überhaupt anziehend? Bella war im Augenblick derart überfordert und überrascht, dass sie gar nicht wusste, was sie empfand. Sie wollte im Grunde einfach nur weg von hier, um nicht weiter in Verlegenheit geraten zu können. Denn sie wusste wirklich nicht, was sie sagen oder tun sollte. Schließlich war es ja hoffnungslos, denn er war verlobt. Außerdem hätte er gewiss kein Interesse an einer Dienstmagd.

      „Ich gehe dann mal besser zurück in die Küche. Ich muss… äh…“, stammelte Bella etwas unbeholfen und wandte sich schnell ab, um in Richtung Küche zu gehen.

      Nun sagte auch John nichts mehr hinter ihr. John. Wie durfte sie ihn in ihren Gedanken nennen? Sieben Jahre lang hatte sie nun an John Miller gedacht, wenn sie sich an ihn erinnert hatte. Was hätte sie nicht alles dafür gegeben, ihm endlich gegenüberstehen zu können. So viele Jahre hatte sie sich nichts sehnlicher gewünscht. Und nun war es passiert, und es war nichts Besonderes gewesen. Bella hatte sogar das Gefühl, dass es unspektakulärer nicht hätte sein können. Wie schade. War da womöglich gar nichts zwischen ihnen? Vielleicht war das die Antwort auf all ihre Fragen. Vielleicht war es das Zeichen, ihn endlich hinter sich zu lassen und zu vergessen. Auch damals, vor sieben Jahren hatten sie kein Wort miteinander gesprochen, nur ihre Blicke sprechen lassen. Und nun wäre die Gelegenheit für ein Gespräch tatsächlich da gewesen, und Bella hatte jämmerlich versagt und nichts Vernünftiges über die Lippen bekommen. Nun gut, was hätte sie auch sagen sollen? Endlich bist du da? Ich habe dich so vermisst? Wenn sie das gesagt hätte, hätte er sie gewiss für verrückt gehalten. Aber wie es schien, konnte er sich noch an sie erinnern. Alleine das war schon sehr erstaunlich. Und was hatte er überhaupt damit gemeint, dass er froh darüber war, Bella wieder hier arbeiten zu sehen? Offenbar war sie ihm damals doch aufgefallen und in guter Erinnerung geblieben. Vielleicht hatte sie sich ja doch nicht alles nur eingebildet.

      Bella erinnerte sich, wie damals förmlich die Funken zwischen ihnen gesprüht waren, wenn sich ihre Blicke getroffen hatten. Bella hatte stets gehofft, dass es auch ihm, John Miller dabei so ergangen war. Sie hatte sich nie vorstellen können, dass ihn das kalt gelassen haben konnte. Eine derart starke Anziehungskraft musste doch von beiden Seiten gespürt werden. Vielleicht war es ja tatsächlich so gewesen. Bella hoffte es. Auch wenn sie das unerwartete Aufeinandertreffen von soeben nicht wirklich genossen hatte. Sie es sogar eher als unangenehm und beklemmend empfunden hatte. So hatte sie sich ein Wiedersehen mit ihm nie vorgestellt. Zu schade.

      7. Kapitel

      Das Dinner war vorüber und alle Gäste strömten aus dem Speisezimmer. Bella beobachtete, wie die rotblonde Dame sich erneut bei John Miller unterhakte und mit ihm den Raum verließ.

      Bella selbst war damit beauftragt, dem Küchenpersonal noch beim Abräumen der großen, vollgeräumten Tafel zu helfen, um dann anschließend mit ein paar anderen im Salon nach dem Rechten zu sehen. Sie half also eifrig mit und war sich nicht sicher, ob sie sich darauf freuen sollte, ihm später womöglich wieder zu begegnen, oder ob sie einen erneuten peinlichen Zusammenstoß lieber vermeiden sollte. Sie wusste es nicht. Sie wusste nur, dass sie sich irgendwie immer noch nach ihm sehnte und das unangenehme und ungeschickte Gespräch von vorhin am liebsten wiedergutmachen wollte. Denn so kannte Bella sich selbst gar nicht. Normalerweise war sie taff und keinesfalls auf den Mund gefallen. Für gewöhnlich konnte sie gut für sich selbst einstehen und war mutig und hellwach.

      Doch ihre plötzliche Begegnung zuvor mit John Miller hatte sie beinahe wie in einem Traum erlebt. So als wäre sie nicht ganz wach und bei Sinnen gewesen. Sie hatte die Kontrolle über sich selbst und ihr Sprachvermögen offenbar komplett verloren. Vermutlich dachte der Earl nun ohnehin, dass sie etwas seltsam war. Bella könnte es verstehen. Sie selbst würde das wohl auch über sich denken, wäre sie sich vorhin begegnet.

      Nachdem die Tafel soweit frei geräumt war und einige andere Dienstmädchen noch damit beschäftigt waren, diese gänzlich zu säubern, machte sich Bella auf zum Salon. Wahrscheinlich würde sie dort ohnehin nur die Damen antreffen, außer die Herren verzichteten an diesem Abend auf ein Glas Brandy. Da Greg kein großer Freund des Alkohols war, hatte diese Tradition mit seiner Übernahme des Anwesens so gut wie aufgehört. Früher, als Lord Fortescue hier noch das Sagen gehabt hatte, war es durchaus üblich gewesen, dass sich die Gäste nach einem gemeinsamen Dinner in die Damen und Herren aufgeteilt hatten. Die Frauen waren dann stets in den Salon zum Plaudern gegangen, während die Männer im Kaminzimmer oder sogar im Arbeitszimmer etwas Stärkeres getrunken hatten. Bella war nun gespannt, was sie an diesem Abend erwarten würde.

      Tatsächlich war es so, dass sie alle gesammelt im großen blauen Salon vorfand. Der Duke und seine Familie saßen zusammen mit einem Earl und Lord und Lady Fortescue an einem der gemütlichen kleinen Tische, die von einem Sofa und mehreren gepolsterten Stühlen umgeben waren. Claire und Greg standen zusammen mit Claires Jugendfreundin und deren Familie und einigen Tanten und Cousinen in einem Grüppchen beisammen. In dieser Runde entdeckte Bella nun auch die rotblonde Schönheit, die John Miller begleitete. Johns Eltern saßen aber mit zwei weiteren älteren Herrschaften an einem anderen Tisch und plauderten gediegen.

      Doch wo war John? Bella entdeckte ihn hinter der stehenden Gruppe an den Kamin gelehnt. Er starrte ins Feuer und wirkte nicht besonders begeistert, im Gegenteil. Bella kam es so vor, als fühlte er sich eher unwohl und als wollte gar nicht hier sein. Zu gerne wäre sie einfach zu ihm gegangen und hätte ihn danach gefragt. Dies war aber undenkbar, da sie nur eine Bedienstete war.

      Bella verstreute sich also mit den anderen Dienern quer durch den Raum, um die Gäste nach Getränkewünschen zu befragen. Sie begann damit an dem Ende des Salons, das möglichst weit entfernt und außer Sichtweite von John Miller war. Höflich nahm sie die Wünsche der sehr netten und bescheidenen Gäste entgegen und beeilte sich, mit den gewünschten Getränken wiederzukehren.

      Als sie gerade ihr Tablett geleert hatte wurde sie plötzlich von hinten angesprochen.

      „Entschuldigen Sie bitte. Könnten Sie mir rasch ein Glas Champagner bringen? Ich verdurste aufgrund der trockenen Luft. Und der Diener, den ich beauftragt habe, ist offenbar viel zu langsam für seine Aufgabe.“

      Bella wandte sich verdutzt um und erkannte sie. Es war die große, schlanke und rothaarige Verlobte von John Miller. Ungläubig und etwas überrumpelt sah Bella zu ihr hoch.

      Aufgrund fehlender Optionen anders handeln zu können erwiderte sie nur untertänig: „Natürlich, sehr gerne.“ Und machte schnell kehrt.

      „Schön kühl bitte! Es gibt nichts Schrecklicheres, als warmen Champagner“, hörte sie die rothaarige Schönheit, wie sie hinter ihr nachrief.

      Bella verdrehte unwillkürlich die Augen. Nun verstand sie, was Claire zuvor gemeint hatte. Diese Verlobte war tatsächlich mehr als furchtbar. Unausstehlich, um genau zu sein. Wie konnte John Miller sich nur eine solche Frau aussuchen? Und es mit ihr aushalten? Sah er vielleicht deswegen derart bedrückt aus? Dann sollte er diese Verlobung schleunigst lösen und die gute Dame ziehen lassen. Was allerdings noch schlimmer wäre – oder aber sogar ein Segen und der Schlüssel zu Bellas emotionaler Freiheit – dass John Miller selbst derart unausstehlich war und es bislang vor Bella nur gut verborgen hatte. Vielleicht passten er und diese kritische, anstrengende Frau ja bestens zueinander.

      Bella war nun mehr entschlossen denn je, es herauszufinden. Was hatte es dann aber mit ihren Gefühlen für ihn auf sich? Sie musste es unbedingt herausfinden. Denn wenn John Miller sich als ebenso schnöselig und ungut entpuppte, wäre sie endlich geheilt.

      Nachdem Bella der Verlobten das Glas Champagner gebracht hatte – diese hatte es mit gerümpfter Nase entgegengenommen, denn offenbar hatte es auch Bella nicht ganz geschafft, sie wunschlos glücklich zu stimmen – kehrte Bella ihr den Rücken zu und schnaubte einmal durch. Sie warf einen Blick zum Kamin, aber John Miller war nicht mehr dort. Schnell tastete sie mit ihrem Blick den Raum nach ihm ab, es gab tatsächlich keine Spur mehr von ihm. Wo war er abgeblieben?

      Bella besann sich darauf,


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