Nach Amerika! Bd. 1. Gerstäcker Friedrich

Nach Amerika! Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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Ich gehe hinüber, nehme das Käthchen mit – Geld zur Überfahrt krieg’ ich schon, und wenn ich meine beiden Schimmel um den halben Wert verkaufen sollte, und dort hilft der liebe Gott schon weiter. Verhungern werden wir nicht, und ich brauche mir hier nicht mehr unter die Nase reiben zu lassen: das sollst Du tun und das nicht, und d i e sollst Du heiraten, die Du nicht magst und willst, und die Dich lieb hat und Dich glücklich machen kann, der sollst Du das Herz brechen – weil ihr eben nur der volle Geldsack fehlt.»

       «Unsinn!» sagte der Apotheker, jetzt wieder und zwar im Ernst aufstehend. «Wenn jemand einmal rein verrückt geworden ist, läßt sich auch nicht mehr mit ihm streiten. Gehen Sie mit, Kellmann?»

       «Ja, gleich», erwiderte der Gefragte. «Weiß denn aber Euer Vater schon um den Plan, Mathes?»

       «Heute hab’ ich’s ihm gesagt», erwiderte der Gefragte leise, «aber er glaubt es noch nicht.»

       «Und ist es denn schon wirklich so fest bestimmt?» sagte Kellmann teilnehmend.

       «Meine Passage in Bremen für mich und – meine F r a u ist schon bezahlt», rief der junge Bursche da entschlossen. «Den fünfzehnten geht das Schiff ab und ich habe nur noch eben Zeit, das Notwendigste in Ordnung zu bringen.»

       «Ja, da kommt freilich jeder gute Rat zu spät», sagte Kellmann, jetzt ebenfalls aufstehend und seinen Hut ergreifend, «wenn der Sprung erst einmal geschehen ist, braucht man nicht mehr über das Springen zu streiten, und ich wünsche Euch das Beste in Eurer neuen Heimat.»

       «Ich weiß es, ich weiß es», sagte Mathes gerührt, «aber vielleicht seh’ ich Sie selber noch einmal auf freiem Boden drüben, mit Axt oder Pflug in der Hand, wie ein wackerer, richtiger Farmer.»

       «Wen – m i c h ? » rief aber Kellmann ordentlich erschreckt aus. «Ich nach dem vermaledeiten Lande, das alle unsere besten Bürger frißt? Nein, Mathes, für dies Leben nicht – aber wann geht Ihr fort? Vielleicht läßt Euer Vater doch noch mit sich reden und lenkt ein, wenn er sieht, daß es Euch wirklich Ernst ist.»

       Mathes schüttelte mit dem Kopf und der Aktuar rief :

       «Ein Bauer und einlenken, Kellmann? – Da kennt Ihr unseren deutschen Bauer nicht, worauf der einmal seinen Dickkopf gesetzt hat, da muß er durch, und wenn’s nicht geht, so zerhaut er sich eben den Schädel, aber er läßt nicht nach. Der alte Vogel und nachgeben; Du lieber Gott, wenn er den eigenen Sohn mit einem einzigen Wort vom Verderben retten könnte – er spräch’ es nicht.»

       « Na, da kann ich wohl auch meine Bude hier bald zuschließen und mitgehen», sagte Lobsich, sich den Kopf kratzend. «Schwerebrett, das ist mir – hm – hm – ist mir doch ‘was Unbedeutendes, das – das Amerika.»

       «Und was sagt denn das Käthchen dazu?» frug Kellmann jetzt Mathes, während die Übrigen schon aufgestanden waren und sich zum Fortgehen gerüstet hatten.

       «Die weint und will nicht mit», sagte Mathes leise. «Aber sie wird schon gehen.»

       «Sie will nicht mit?»

       «Sie meint, es bräche meinem Vater das Herz.»

       «Das Herz brechen? – Dem alten Vogel?» lachte aber dieser verächtlich. «Na, Gott sei Dank, die hat einen guten Begriff von ihm – als ob dem etwas das Herz brechen könnte!»

       «Nun, es fragt sich nur jetzt, wem sie es lieber bricht», meinte der Aktuar. «Dem Alten, wenn sie geht, oder dem Jungen, wenn sie bleibt – die Wahl wird ihr nicht schwer werden. Aber, Schollfeld, Ihr seid ja auf einmal so still geworden?»

       «Ach, laßt mich zufrieden», brummte dieser ärgerlich, «weiß es Gott, man möchte am Ende selber mit hinüberlaufen, um nur nichts mehr von dem verwünschten Auswandern reden zu hören.»

       «Hahaha!» rief da Kellmann. «Schollfeld bekommt auch überseeische Ideen!»

       «Überseeische – hätte bald ‘was gesagt», knurrte dieser aber, dem Gartentor zugehend, ohne weder Mathes noch Lobsich gute Nacht zu sagen.

       Die Übrigen wechselten noch kurzen Gruß mit ihren Bekannten dort, zündeten sich frische Zigarren an und schlenderte langsam, um den freundlichen Abend soviel als möglich zu genießen, die Straße hinab, der eigenen Heimat zu.

      * * *

Auswanderer verlassen Dorf

      Auswanderer verlassen ihr Dorf

      Drittes Kapitel

      Der Diebstahl.

       Zehn Minuten mochten sie so etwa schweigend nebeneinander hergegangen sein, als hinter ihnen auf der Straße eine Equipage17 und klappernde Hufschläge gehört wurden, die sie rasch einholten und an ihnen vorbeirauschten, eine dicke Staubwolke dabei über den Weg wälzend. Es war die Familie Dollinger mit dem neben dem Wagen hingallopierenden Fremden, dem Bräutigam der Tochter.

       «Die kommen schneller von der Stelle, als die armen Auswanderer vorhin», sagte Kellmann, als sie vorbei waren. «Wetter noch einmal, es ist doch ein anderes Ding, so ein paar flüchtige Rappen vor sich zu haben und wie im Flug durch die Welt zu jagen, als mit einem schweren Packen auf dem Rücken und wunden Füßen vielleicht mühselig die staubige Straße entlang zu keuchen.»

       «Ja, die Gaben sind ungleich verteilt in der Welt», seufzte der Aktuar, «was der eine haben m ö c h t e , h a t der andere schon, und das ist auch wohl das ganze Geheimnis der sozialen Frage; läßt sich aber nun einmal nicht ändern, und wir dürfen vielleicht den Kopf darüber schütteln und wünschen, daß es anders wäre, aber weiter eben nichts.»

       «Der auf dem Pferd war der Dingsda von Amerika», sagte der Apotheker jetzt, «der das schmähliche Geld hat und des reichen Dollinger Tochter noch dazu heiratet. Soll mir noch einmal einer sagen, daß Eisen der stärkste Magnet sei; Gold ist’s, und wo das liegt, zieht es anderes hin.»

       «Und wie steht’s mit Aktien?» lachte Kellmann.

       «Bah – bleibt immer dasselbe», brummte der Apotheker, «das Gold steckt darin und kann durch einen sehr einfachen chemischen Prozeß leicht herausgezogen werden – wenn man sie hat.»

       «Es wundert mich übrigens, daß der alte Dollinger sein Kind über das große Wasser hinüberziehen läßt», meinte der Aktuar. «Dem hätte es doch auch hier im Lande nicht an einer ebenso guten Partie gefehlt.»

       «Liebe», meinte Kellmann achselzuckend, «Liebe ist blind, sagt ein altes Sprichwort; dagegen lassen sich eben keine Gründe anbringen. Wär’s übrigens auch nicht wegen des großen Wassers, der Bursche gefällt mir außerdem nicht und ich möchte ihm meine Tochter nicht geben und wenn er bis über die Ohren in Gold stäke. Er hat ein verschlossenes, hoffärtiges Wesen, behandelt den gemeinen Mann wie einen Hund und spricht von allem, was wir hier haben, unseren Einrichtungen, unseren Gesetzen, unseren Vergnügungen selber, ja unserem Klima und Land, das doch zum Henker auch s e i n Vaterland ist, mit der größten Verachtung. Amerika, und immer wieder Amerika, hinten und vorn, ei, Blitz und Hagel, ich will gar nicht leugnen, daß es manche gute Seiten haben mag, das Amerika, wenn i c h sie auch gerade nicht einsehen kann, aber so viel besser wie unser Deutschland ist es doch auch nicht drüben, und wenn’s so einem Burschen da einmal zufällig geglückt ist, sollt’ er nicht als Lockvogel sich hier mitten zwischen uns hineinsetzen, um anderen vernünftigen Leuten unglückselige Ideen in den Kopf zu pflanzen.»

       «Wenn sich andere vernünftige Leute solche Ideen einpflanzen l a s s e n , geschieht’s ihnen ganz recht», sagte der Apotheker. «Man braucht nicht zu glauben, was jeder dahergelaufene Lump eben sagt.»

       «Nun, g a n z ohne kann’s aber auch nicht sein», meinte Kellmann kopfschüttelnd, «und ich – ich halt’ es immer für gefährlich. ‘s ist merkwürdig, wie rasch sich das mit der Hochzeit gemacht hat.»

       «Nun, wer sich die Braut gleich fix und fertig aus dem


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