Adler und Leopard Teil 3. Peter Urban
Oberkommandierenden zu feiern, dessen militärisches Genie und dessen persönlicher Mut ihnen neue Hoffnung auf die Befreiung ihres Landes gab. Sie hatten seine beiden Siege gegen die Franzosen nicht vergessen. Zu seinen Ehren trugen sie ihre besten, lange, weiße Hemden, die um die Hüften von roten oder violetten Schärpen zusammengehalten wurden, große, breitkrempige Strohhüte und schwere, schwarze Umhänge. Die Stadt war überfüllt mit Limonadeverkäufern, Nußröstern, Bettlern, die jedem ihre traurige Geschichte erzählten, der ihnen ein Stück Geld hinhielt, Straßenmusikanten, die bereits die künftigen Siege des britischen Generals besangen und wandernden Mönchen, die glückbringende Bildnisse des heiligen Antonius vor sich hertrugen.
Arthur war dieser ganze Aufruhr um seine Person zuwider. Er dachte zynisch. “Erst heben sie Dich auf ein Podest, nur um Dich bei nächstbester Gelegenheit vom Sockel zu schmeißen und in die Hölle zu schicken. Wenn Du nur ein einziges Mal versagst, dann werden sowohl die Verbündeten, als auch England Dich in Stücke reißen.” Er hatte bewusst keine Uniform angezogen, um von Bord zu gehen und die Begrüßung durch den portugiesischen Kronrat und die Abgesandten der verschiedenen lokalen Widerstandsbewegungen über sich ergehen zu lassen. In seiner einfachen, dunkelblauen Feldjacke, ohne Orden und Rangabzeichen verließ er die Kabine. Colin Campbell hielt ihm zwar sein Schwert hin, doch Arthur schüttelte nur wortlos den Kopf. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass es am vernünftigsten war, jede Form martialischen Auftretens vorerst zu unterlassen. An Land schloss der alte Bischof von Oporto ihn herzlich in die Arme und entlockte ihm ein kleines, stummes Lächeln. Vor den anderen Mitgliedern des Empfangskomitees beugte der General kurz den Kopf zur Begrüßung. Ein knappes “ Wir haben viel Arbeit, meine Herren! Lassen Sie uns zur Sache kommen und ersparen Sie mir die Formalitäten.”, beendete den Empfang des neuen, britischen Oberkommandierenden im Hafen von Lissabon. Auf dem Weg in den Stadtpalast der Braganza zischte Arthur Colin Campbell ins Ohr. “Heute Abend möchte der Bürgermeister ein Bankett geben, um meine Ankunft gebührend zu feiern. Gehen Sie hin und repräsentieren Sie England. Ich muss so schnell wie möglich mit Beresford reden und Craddock schonend beibringen, dass er nicht mehr Chef der britischen Truppen in diesem Land ist. Unsere Männer stehen in Leyria und Alcobaça. Ich werde spätestens um fünf Uhr morgen früh im Sattel sitzen und mich zu unseren Soldaten begeben.” Campbell reagierte erstaunt. “Aber Sir Arthur. Sie können doch nicht so einfach verschwinden...” Wellesley zog die Augenbrauen hoch und blickte seinen Adjutanten finster an. “ Und ob ich so einfach verschwinden kann, Colin. Mein Job ist es Soult zu schlagen und nicht auf das diplomatische Feingefühl unserer lieben Verbündeten Rücksicht zu nehmen.” Damit war die Diskussion für den General beendet. “ Wozu habe ich zwei Adjutanten, wenn ich selbst meine Zeit bei nutzlosen Empfängen verschwenden muss “, dachte er, “und außerdem werde ich auf dem diplomatischen Parkett sowieso nur ausrutschen und wieder einmal irgendjemanden vor den Kopf stoßen oder in irgendein Fettnäpfchen treten!” Mit ungerührter Miene ließ er die Formalitäten im Stadtpalais der Braganza über sich ergehen. Als der Tag zu Ende ging, war er offiziell nicht nur Oberkommandierender des britischen Expeditionskorps sondern ebenfalls Generalissimus der portugiesischen Streitkräfte. Die wenigen Stunden die ihm noch in Lissabon blieben, reichten aus um mit John Beresford zu sprechen. Craddock erwies sich als weniger problematisch, als Arthur geglaubt hatte. Der Mann war froh, die Verantwortung für den iberischen Kriegsschauplatz abzugeben und nach England zu verschwinden.
Nach kurzer Nachtruhe saß Wellesley im Sattel von Kopenhagen. John Dunn begleitete ihn. Seine beiden verwirrten Adjutanten hatte der General mit dem Auftrag “ Macht Gut Wetter bei unseren Verbündeten und kommt irgendwann später nach. “, in Lissabon zurückgelassen. Als die beiden Männer die portugiesische Hauptstadt verließen, erwachte diese gerade zu neuem Leben. Ochsenkarren versperrten die engen Straßen. Fischhändler brachten den Fang der letzten Nacht zum Markt. In den kleinen Gassen mussten Arthur und der alte John immer wieder ausweichen, wenn von oben der Schrei “ Agoa Vai! “ ertönte und eine portugiesische Hausfrau ihr schmutziges Wasser aus dem Fenster kippte. Als sie endlich die Stadtgrenzen erreichten, tat sich dann allerdings eine wunderbare Landschaft vor ihnen auf. Überall blühten Blumen und es roch stark nach wilden Kräutern und Flieder. Sie ritten an der Tejo-Mündung entlang ins Landesinnere. Auf dem Fluss konnte man kleine, weiße Dreiecke ausmachen, die Segel von Frachtbarkassen. Ihr Weg führte an Sacavem, Alverca de Ribatejo und Vila Franca de Xira vorbei. Bei Carregado, das sie bereits früh um sieben Uhr erreichten, lenkte Arthur seinen Hengst von Weg hinunter in die Hügel. “ Wohin reiten wir, mein Junge?” Dunn war etwas verwundert über diese Richtungsänderung, denn sein General hatte ihm lediglich mitgeteilt, er wolle so schnell wie möglich nach Leyria. “ Wir machen einen kleinen Ausflug in die Berge, John! Ich möchte mir ein wenig die Ecke hier ansehen. Vielleicht fällt mir dabei etwas Vernünftiges ein!” Die Gegend vor Lissabon war sehr schwer zugänglich. Die Pferde mussten sich gewaltig anstrengen, um das weglose Gelände zu bewältigen. Drei Stunden später, die Sonne stand bereits hoch am Himmel und brannte gnadenlos, stieg Wellesley von seinem schwitzenden und schwer atmenden Hengst. Dunn war mit Elmore zurückgeblieben und würde noch eine Weile brauchen, um die Spitze der Hügelkette zu erreichen. Der General nahm seinem Tier Sattel und Kandare ab und lies den Hengst frei laufen. Kopenhagen hatte gelernt, auf einen Pfiff hin zurückzukommen und entfernte sich sowieso nie außer Sichtweite. Zu sehr war das Pferd auf seinen Herren fixiert. Kopenhagen rieb zutraulich seinen Kopf an Arthurs Schulter. “ Was willst Du, Dicker? “ Der General kramte bewusst langsam in seiner Jackentasche, während das Pferd ihn aufmerksam und mit gespitzten Ohren beobachtete. Er holte einen Bleistift hervor und zeigte ihn dem Hengst, “ Nicht gut, was?”, dann einige gefaltete Blätter, “ Auch nichts für Dich!”. Kopenhagen stieß seinen Herren energisch mit dem Kopf und brachte ihn fast aus dem Gleichgewicht. “ Ganz ruhig, Du Vielfraß ! Ich werde schon noch was finden!” Wenige Augenblicke später hatte Arthur eine harte Brotkruste auf der Handfläche liegen und der Hengst schnappte sich mit spitzen Lippen den Leckerbissen. Dann bekam er einen freundschaftlichen Klaps auf die Hinterhand. “ So, jetzt verschwinde. Ich muss ein bisschen arbeiten.” Arthur setzte sich ins Gras und breitete ein Stück Papier auf seiner Satteltasche aus. Er begann zu skizzieren. Die Gegend zwischen Sobral de Monte Agraco und Torres Vedras war eine natürliche Befestigungsanlage. Er wollte jedes Detail festhalten, bevor er aufbrach, um sein Expeditionskorps von Leyria und Alcobaca aus auf Oporto zu führen. Leise murmelte er vor sich hin “ Wer Lissabon hält, der hält Portugal. Und hier haben wir die gesamten Verteidigungslinien, die die Franzosen von Lissabon fernhalten werden.” Inzwischen war auch der alte John eingetroffen und band Elmore an einen Baum. Schweigend setzte er sich neben Wellesley ins Gras und sah ihm beim Zeichnen zu. Zwei Stunden später waren alle Seiten Papier, die der General in der Tasche gehabt hatte mit Ausschnittszeichnungen der Landschaft zwischen dem Tejo und Torres Vedras bedeckt. Zufrieden faltete Arthur die Blätter zusammen und verstaute sie wieder in einer seiner Satteltaschen. Dann sah er fragend zu Dunn hin. “ Mein Magen knurrt, John. Wie wäre es mit irgendetwas Essbarem.” Der alte Mann schüttelte den Kopf. “ Wir sind so früh aufgebrochen, mein Junge. Ich habe nichts eingepackt. Aber während Sie hier hoch geritten sind, wie vom Teufel verfolgt, habe ich mir ein bisschen Zeit genommen. Auf halber Strecke nach Arruda dos Vinhos habe ich einen Landgasthof gesehen...es roch nicht schlecht, als ich vorbeiritt.” Arthur pfiff durch die Finger und Kopenhagen kam angetrabt.“ Na los.“ Enthusiasmus lag in seiner Stimme. „Sehen wir uns die ländliche, portugiesische Speisekarte mal an.” Kurze Zeit später banden die beiden Männer ihre Tiere vor einem langgezogenen, flachen Haus aus Naturstein an. Im Inneren standen zwar nur einfache Holzbänke und roh gezimmerte Tische, doch aus der Küche kam ihnen, wie von Dunn angekündigt, ein verführerischer Duft entgegen. Eifrig eilte der Wirt zu seinen beiden neuen Gästen hin. In seinem ungelenken und rudimentären Portugiesisch erkundigte Arthur sich nach dem Tagesmenü. Der Wirt erklärte langsam und deutlich und es gelang Arthur mit einiger Mühe ein Mittagessen für Dunn und sich selbst und Wasser für die Pferde draußen vor der Tür zu bestellen. Als eine dicke Portugiesin in einem bunten Kleid zwei Teller mit einem dampfend heißen und fein duftenden Gericht vor die beiden Briten stellte, atmete der General auf. “ Es scheint also doch nicht so unverständlich zu sein, mein Portugiesisch. Sieht ganz danach aus, als ob dies tatsächlich Kaninchen in Knoblauchsoße ist. Und jetzt werde ich die Dame hier überreden, uns auch noch einen Krug Wein zu bringen!” Wieder mühte Arthur sich die richtigen Worte zu finden, während die Portugiesin ihn geduldig und freundlich