Adler und Leopard Teil 3. Peter Urban
bärtiger Mann mit wildem Gesichtsausdruck, der am Tresen Wein trank, beobachtete den General und seinen Sergeanten besonders intensiv. Dann verließ er durch die Küche unbemerkt das Landgasthaus und verschwand im nahen Wald. Weder Dunn noch Wellesley hatten diesen schweigsamen Gast bemerkt. Zufrieden füllten sie ihre leeren Mägen mit dem köstlichen Kaninchen und ihre Steinguthumpen mit einem gehaltvollen, wenn auch herben roten Landwein. Dann bezahlte Sergeant Dunn den Wirt mit ein paar Münzen und dankte ihm höflich für die freundliche Aufnahme. Auch er hatte während des Feldzuges im Vorjahr ein wenig Portugiesisch aufgeschnappt. Arthur stand bereits neben Kopenhagen und hatte eine große Landkarte über den Sattel gebreitet. Die Jesuiten von Loures hatten sie auf Bitten des Bischofs von Oporto für ihn gezeichnet. Jeder noch so kleine Waldweg und Schmugglerpfad in den Bergen war auf ihr wiederzufinden.“ Wir können jetzt über Carregado durch den Wald bis Rio Major reiten und von dort aus durch die Sierra dos Candeeiros nach Leyria.“ Überlegte er laut vor sich hin und zog dabei einen kleinen Kompass aus der Jackentasche, um ihn auf die Karte zu legen. Ein Augenpaar beobachtete ihn durch die Bäume. Er schien es nicht zu bemerken. Kurze Zeit später saßen die beiden Briten wieder auf ihren Pferden und verließen im ruhigen Schritt das kleine Bergdorf. Dunn ritt trotz seines fehlenden Unterschenkels sicher und gut. Doch die morgendliche Hetzjagd über Berg und Tal hatte den alten Mann sichtlich angestrengt. Aus diesem Grund beschloss Arthur, an diesem Tag nur noch bis Rio Major zu reiten und dort zu übernachten, um John die Möglichkeit zu geben, sich zu erholen. Die nächsten Wochen würden anstrengend werden, denn sein Feldheer würde sofort auf Oporto marschieren und die Stadt von Marschall Soult befreien, noch bevor dieser sich auf einen englischen Angriff einstellen konnte. Nur mit einem gezielten Überraschungsangriff konnte man die sieggewohnten Franzosen demoralisieren. Es musste vermieden werden, dass Marschall Viktors Armee vom Guadiana her zu Soult stieß und ihn verstärkte. Und das Korps von General Lapisse hatte bereits bei Alcantara die Grenze zu Portugal überquert und würde bald über den Tejo setzten und eine große Bedrohung für Wellesleys Flanke darstellen. Soweit wollte er es nicht kommen lassen, denn er konnte sich gleichzeitig noch nicht mit so vielen Feinden messen. Viele Stunden lang ritten die beiden Männer schweigend durch den Wald, jeder in seine eigenen Gedanken versunken. Nur von Zeit zu Zeit knackte es leise im Gebüsch hinter ihnen. Als es anfing dunkel zu werden, konnte Arthur sich nicht mehr des Gefühls erwehren, dass sich Augen in seinen Rücken bohrten. Zuerst hatte er auf das leise Knacken der Äste nicht geachtet, doch dann meldete ihm sein Unterbewusstsein die Regelmäßigkeit dieser Geräusche. Er fing an das Spiel der Ohren seines Hengstes zu beobachten. Kopenhagen drehte sie bei jedem Knacken nach hinten und hob leicht den Kopf. Irgendjemand folgte ihnen durch den Wald. Er zupfte John Dunn leicht am Ärmel und legte gleichzeitig den Finger der anderen Hand auf die Lippen. Dann zog er vorsichtig seine Pistole aus dem Halfter, das vorne am Sattel angebracht war und entsicherte die Waffe. „Bringen Sie sich in Sicherheit, John. Man folgt uns.“ Flüsterte er leise seinem Sergeanten zu. Der alte Mann wollte etwas erwidern, doch Arthurs kalten Augen geboten ihm zu schweigen und zu gehorchen. Er stieß Elmore die Sporen in die Flanken und das Tier stürmte mit gewaltigen Galoppsprüngen den Waldweg entlang. Wellesley hielt Kopenhagen zurück und ließ ihn auf der Hinterhand wenden. Als Dunn los galoppierte, stürmte auch der Verfolger der beiden Männer aus dem Gebüsch. Arthur versperrte ihm mit seinem Hengst den Weg und richtete die Pistole auf ihn. Das andere Pferd scheute und stieg. Der unbekannte Reiter fiel zu Boden. Der General wollte gerade den Abzug seiner Pistole durchdrücken, als der auf dem Boden Liegende mit schwerem Akzent auf Englisch rief. “Schießen Sie nicht, ich bin ein Freund.” Arthur glitt vom Pferd und kniete mit immer noch entsicherter Pistole neben dem Mann nieder, um ihn zu entwaffnen. Er zog ihm zuerst mit der Linken eine Pistole und ein Messer aus dem Gürtel und warf beide in die Büsche. Dann bedeutete er ihm, aufzustehen.
“ Wer sind Sie und warum reiten sie uns schon stundenlang durch den Wald hinterher?”
“ Sind Sie der irische General, der letztes Jahr die Franzosen bei Rolica und Vimeiro geschlagen hat.” Grob drückte Wellesley dem Bärtigen seine Waffe unters Kinn. “Ich stelle hier die Fragen. Wer sind Sie. Was wollen Sie.”
“ Mein Name ist Don Antonio Maria Osorio Cabral de Castro! Meine Männer kämpfen gegen die Franzosen. Wir sind aus Coimbra.”
“ Dann sind Sie aber verdammt weit von zuhause entfernt, mein Freund.” Die Pistole stieß immer noch energisch gegen das Kinn des Mannes.
“ Wir möchten uns Ihnen anschließen um unser Land von den grausamen Eindringlingen zu befreien, die unsere Frauen und Kinder umbringen und uns unsere Ernten rauben. Ich habe fünfzig kampferprobte und gut bewaffnete Männer unter meinem Kommando.”
Wellesleys Pistole senkte sich. Der Abzugshahn schnappte in die gesicherte Position zurück und Waffe verschwand wieder in ihrem Halfter, neben dem Sattel des Generals. Lange betrachtete er seinen Gegenüber. Das Gesicht des Mannes versteckte sich hinter einem dichten Bart, doch seine Augen waren jung und intelligent. Der Portugiese trug eine schwere, ärmellose Weste aus Schaffell und grobe Lederstiefel an den Füßen. Er sah aus, wie die meisten Bergbewohner dieses Landes. Doch seine edles Pferd, die gewählte Ausdrucksweise und eine gute Kenntnis der englischen Sprache ließen darauf schließen, dass er kein einfacher Bauer war.“ Holen Sie Ihre Waffen aus dem Gebüsch zurück und fangen Sie Ihren Schimmel wieder ein. Dann können wir weiterreden.” Wellesley saß auf und wartete bis auch der Portugiese im Sattel saß. “ Los, kommen Sie. Ich muss zuerst meinen Sergeanten einfangen.” Der Fuchs des Generals galoppierte an. Das Pferd des Portugiesen folgte. Eine Meile weiter wartete John Dunn. Er war verwundert, als er zwei Reiter auftauchen sah und wollte schon zur Waffe greifen.“ Es ist alles in Ordnung, John.” rief der Ire ihm zu, dann parierte er Kopenhagen in den Schritt durch. Der alte Sergeant schob die Pistole wieder zurück in ihr Halfter. “ Nun, Don Antonio! Nachdem Sie uns einen gehörigen Schrecken eingejagt haben, können Sie mir vielleicht erzählen, wie Sie sich eine Zusammenarbeit mit meinem Expeditionskorps vorstellen.”
“Sie sind also wirklich General Wellesley.” Arthur nickte. “Ich habe Sie mir viel älter vorgestellt. Sie haben ja nicht einmal einen Uniformrock an.” Arthur grinste. Er sah in der Tat in seiner dunkelblauen Jacke nicht sonderlich militärisch aus. „Warum sind Sie mir dann seit dem Landgasthaus bei Arruda dos Vinhos hinterher geritten.”
“ Nur sehr reiche oder sehr wichtige Männer besitzen Landkarten und einen Taschenkompaß…oder hohe britische Offiziere. Wie haben Sie eigentlich gemerkt, dass ich Ihnen folge.”
“ Ich bin weder blind, noch taub, Don Antonio und ich habe zwanzig Jahre Armeedienst überlebt. Das schärft die Sinne. Sie sollten Ihr Pferd nicht beschlagen, wenn Sie mich geräuschlos durch den Wald verfolgen wollen.” Der Portugiese lachte heiser. „Mein Freund, der Bürgermeister von Cintra hat Sie richtig beschrieben!“
“Und wie geht es meinem alten Bekannten und ihrem Namensvetter.“
“Gut. Er war es, der mir die Nachricht zukommen ließ, dass Sie heute von Lissabon nach Leyria reiten würden. Er meinte, es wäre sinnvoller für meine Männer, gemeinsam mit ihren Briten vorzugehen, als wie bisher alleine gegen die Franzosen zu kämpfen.”
“ Einverstanden, Don Antonio. Aber ich möchte mir ihre Truppe zuerst einmal ansehen und dann endgültig entscheiden, ob ich Sie gebrauchen kann, oder ob Sie mir nur Sorgen bereiten werden, wenn ich Ihr Angebot annehme.”
“ Sie vertrauen mir nicht, General Wellesley.” Arthur legte den Kopf schief und grinste. “Nicht im Geringsten, Don Antonio! Ich möchte Ihre Männer sehen. Nur so kann ich feststellen, ob es lediglich feurige Patrioten sind, die für Portugal sinnlos Selbstmord begehen möchten, oder ob Sie irgendeinen militärischen Nutzen für mich haben.” Der Portugiese lachte erneut heiser.“ Sie sind ein harter Mann, General!”
“ Nein, nur ein Realist! Wann kann ich Ihre Partisanen sehen?” Der Portugiese pfiff dreimal schrill durch die Finger. Von links und rechts des Waldweges strömten wild aussehende, bis zu den Zähnen bewaffnete, bärtige Männer auf struppigen Pferden auf Don Antonio und Wellesley zu. Der General nickte bewundernd, dann streckte er dem Portugiesen die Hand entgegen. “Sie und Ihre Truppe sind engagiert, Don Antonio! Wir werden gemeinsam gegen Bonaparte kämpfen. Schlagen Sie ein und dann reiten wir zusammen nach Rio Major und morgen weiter