Der Killer kam aus Santa Fu. Didier Desmerveilles

Der Killer kam aus Santa Fu - Didier Desmerveilles


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»Wir müssen uns da raushalten, Berthold«, sagte sie um einen gemäßigten Ton bemüht und wandte sich wieder dem Herd zu, wo die Soße für den Sonntagsbraten vor sich hin köchelte. »Mit dem Herrn Aksam muss man sich gut stellen. Das ist ein Mann von Einfluss. Und Mafia, so was haben wir hier in Hamburg doch gar nicht!«

      »Hast du 'ne Ahnung! Das pfeifen doch längst die Spatzen von den Dächern, dass dieser so genannte Reiseunternehmer seine Finger in allen möglichen schmutzigen Geschäften mit drin hat.«

      »Wer Geld hat, hat auch viele Neider!«

      »Man muss sich doch nur anschauen, wie der damals die halbe Belegschaft von Pigeon hat über die Klinge springen lassen. Spielt sich erst als der große Retter auf und betätigt sich wenig später als Leichenfledderer. Und zwischendurch hat er fleißig Geld vom Staat eingesackt. Das sind Mafia-Methoden und nichts anderes.« Berthold Müller erhob sich von seinem Küchenstuhl und begab sich schwerfällig an den Herd, wo seine Frau stand und im Kochtopf rührte. Er strich ihr über den Rücken und sagte etwas ruhiger: »Ich bin auch selber schuld. Ich hätte sie mir mal vor die Brust nehmen sollen, als sie diesen Fredo das erste Mal erwähnt hat, hätte mal genauer nachfragen sollen. Fredo? Was ist das denn für ein merkwürdiger Name? Ein Ausländer kommt mir sowieso nicht in die Tüte. Moslem dazu noch! Diese Türkischstämmigen, das sind doch alles Moslems. Geht jeden Sonntag in die Kirche, dass man sich selbst fast wie'n alter Heide vorkommt und kommt mit'm Moslem an.« Er schlug sich mit der Faust auf die Stirn und wandte sich ab. »Gott bewahre!« Was unausgesprochen blieb, war noch ein ganz anderes Unbehagen, das Berthold beschlich, wenn er an seine Tochter dachte: das Unbehagen darüber, dass er aus ihrem Leben herauswuchs, dass sie ihm entglitt und dass er nicht mehr diese durch nichts zu ersetzende Rolle in ihrem Leben spielte. Und das hatte gar nicht in erster Linie mit Fredo Aksam zu tun. Luisa war nach dem Auslandsjahr auf einem Konservatorium in England, das ihr musikalisches Talent fördern sollte, nicht in die elterliche Villa im provinziellen Hasloh zurückgekehrt, sondern in eine Ein-Zimmer-Wohnung in der Nähe des Eppendorfer Baums gezogen. Vordergründig war das mit dem kürzeren Schulweg erklärt worden: Luisa hatte sich für die Oberstufe des Johanneums entschieden, eines Hamburger Elite-Gymnasiums mit Schwerpunkt in der Förderung musisch begabter Kinder. Aber war das die ganze Wahrheit? Hatte das Auslandsjahr nicht vielmehr einen Ablösungsprozess beschleunigt, der nach Bertholds Geschmack viel zu früh eingesetzt hatte?

      »Aber schreiben kann er, der Fredo. Ich hab' ihr neulich heimlich über die Schulter geschaut, als er eine von seinen romantischen E-Mails geschickt hat.«

      »Süßholzraspeln, das können sie, diese Südländer.«

      »Er ist aber doch wohl in Deutschland geboren. Sonst könnt' er ja nicht so gut schreiben.«

      »Auf welchem Stern lebst du, Lieschen? So was kopieren die doch heute alles aus diesem Internetz.«

      »Immerhin eines muss man Fredo lassen. Er ist 'ne gute Partie – mit dem Vater!«

      »Du bist wohl von allen guten Geistern verlassen! Dir scheint das gerade recht zu sein, unsere einzige Tochter mit so einem ... einem Türken-Mafioso zu verkuppeln! Eher wird fünf 'ne gerade Zahl, als dass ich auch nur einen Cent von diesem Billigflug-Hausierer anrühre.«

      Ein Klingeln an der Haustür ließ den alten Müller innehalten. Die Eheleute sahen sich fragend an. »Na? Wer kann das denn sein?«

      Der Mann, dem Elisabeth Müller die Tür ihres noblen Hasloher Eigenheims aufmachte, hatte etwas Finsteres an sich, etwas Finsteres und Kühles. Er trug einen silbrig glitzernden Anzug und silbrig glänzte im Sonnenlicht auch sein auffallend stark gegeltes schwarzes Haupthaar, in dessen Ansatz sich eine Ray-Ban verfangen hatte. »Guten Tag, mein Name ist Vermino, Alessandro Vermino.«

      »Ja, womit...?«

      »Sie erlauben, gnädige Frau, dass ich mich kurz vorstelle. Darf ich ...?«

      »Bitte. Kommen Sie herein.«

      »Es geht um Luisa.« Vermino sagte das in einem Tonfall, dass Elisabeth sofort an etwas Schlimmes denken musste. Sie erblasste leicht.

      »Nichts Schlimmes, keine Sorge. Ich...«

      Elisabeth hatte sich gefasst. »Mein Mann ist in der Küche. Moment...«

      Sie geleitete den Fremden ins Wohnzimmer und ließ ihn auf einem der teuren Veloursledersessel Platz nehmen.. »Was darf ich Ihnen zu trinken ...?«

      »Oh, bitte keine Umstände«, lächelte Vermino. »Wenn Sie ein Glas Mineralwasser hätten, das wäre vollauf genügend.«

      Sie ließ Vermino allein zurück und war ganz froh in die Küche zurückkehren zu können. »Ein Vermino«, erklärte sie ihrem Mann, der gespannt wie ein Flitzbogen an der Tür lauerte. »Kennst du einen Vermino?«

      »Kruzitürken! Noch so'n Ausländer! Was will er denn?«

      »Wegen Luisa. Ich hab' da kein gutes Gefühl, Berthold. Rede du mal mit dem.«

      Gemeinsam kehrten sie ins Wohnzimmer zurück, wo Vermino es sich sichtlich bequem gemacht hatte. Ein Bein übers andere geschlagen saß er mit dem Glas in der Hand auf dem edlen Sitzmöbel. Berthold Müller war kein Mann von Höflichkeiten, die Zeit verschlangen, die er nie zu haben vermeinte, und sagte: »Herr Vermino, was verschafft uns die Ehre dieses so unverhofften Besuchs zur Mittagszeit?«

      »Oh, ich hoffe, nicht ungelegen zu kommen. Aber wenn es um die eigene Tochter geht, ich meine, um Ihre eigene Tochter, dann denke ich doch, dass es gar nicht ...«

      »Luisa? Was ist mir ihr?«

      »Ich weiß nicht, ob Sie es schon bemerkt haben, aber ihr hübsches Töchterlein ist in den falschen Mann – nun, nennen wir es mal: verschossen.«

      Bertholds Züge entspannten sich. Sollte sich hier ein unverhoffter Verbündeter eingefunden haben? »Doch, ist mir schon aufgefallen.«

      »Ich muss ein wenig weiter ausholen. Ich bin Geschäftsführer von Aksam-Tours. Das sagt Ihnen etwas? Ich darf annehmen, dass dieser Firmenname, der für Erfolg und Wachstum steht, Ihnen nicht gänzlich unbekannt ist.«

      »Das Hamburger Touristikunternehmen, dessen Oberhaupt ein gewisser Herr Erol Aksam ist, der Vater von Fredo Aksam. Und Fredo Aksam ist der Freund meiner Tochter.«

      »Ein Freund, der – so ist zu hören – Ihren Vorstellungen nicht so ganz entspricht.«

      »Die Frage ist nur«, knurrte Berthold, »was Sie das Ganze angeht.«

      »Nun, auf den ersten Blick ganz sicher nichts. Aber lassen Sie mich zunächst mal klarstellen, dass ich die Verbindung zwischen Ihrer Tochter und Herrn Fredo Aksam ebenfalls für eine ... sagen wir mal in bestem Hamburger Patrizierdeutsch: Mésalliance halte. Und nicht nur ich. Der von Ihnen schon passenderweise erwähnte Herr Aksam, Erol Aksam, ist derselben Meinung.«

      »Und – nun, wir haben gewisse Möglichkeiten, die Verbindung zwischen Fredo und Ihrem Fräulein Töchterchen zu unterbinden. Ich muss da etwas weiter ausholen:Wie Sie wissen oder zumindest erahnen, ist Herr Erol Aksam ein ziemlich einflussreicher Mensch und sein Einfluss macht vor den Entscheidungen in Betreff seines Sohnes schlechterdings nicht halt.«

      »Hört, hört!«

      »Alles, was ich von Ihnen erwarte, lieber Herr Müller und liebe gnädige Frau Müller, ist ein gewisses Maß an Kooperation.«

      Berthold Müller runzelte die Stirn und rieb sich die linke Schläfe. »Kooperation?«

      »Nun, ich muss da etwas weiter ausholen.«

      »Schon wieder.«

      »Ganz recht. Auch mir persönlich ist Ihr wertes Fräulein Töchterchen nicht fremd. Wie sie vielleicht wissen, hat Fredo vor ein paar Wochen seinen siebenundzwanzigsten Geburtstag gefeiert.«

      »So alt ist der Kerl schon, Lieschen!«

      »In kleinem Kreise, dafür in umso eindrucksvollerer Umgebung.«

      »Ja, im Metropol, das hat sie uns dann schon verraten.«

      »Zu


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