Wilde Welt. Gerstäcker Friedrich

Wilde Welt - Gerstäcker Friedrich


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an fast alle Creatoren des Dictators in diesem Landstrich, einige von nicht unbeträchtlichen Summen Geldes begleitet. In jedem Ende des Felleisens fand sich auch ein schwerer Sack mit Doublonen, und Don Diego, der die Gier der Indianer nach Gold kannte, sagte, indem er sie dem Häuptling entgegenhielt:

      „Da, Osantos - da hast Du, was Du willst. Es ist dreimal so viel, als ich zu finden glaubte und Euch versprach. Mir die Papiere, die Euch doch nichts helfen können, Euch dagegen das Gold, und was sich sonst noch vielleicht an Werthsachen vorfindet. Ich denke, Ihr könnt mit solchem Vertrage zufrieden sein."

      „Ja," nickte der Wilde, und ein eigenthümliches Feuer /61/ glühte in seinen Augen, als sein Blick auf der zitternden Gestalt des schönen Mädchens ausruhte. „Dir die Papiere - uns alles Andere, das war der Vertrag. Don Diego ist ein guter Mann, er hält was er verspricht, und macht dann keine Ausflüchte. Ninm denn Deine Papiere und geh wohin Du willst; Osantos ist Dein Bruder; Sonne und Mond mögen auf Deinen Pfad scheinen und frisches Gras vor Dir emporsprießen."

      Don Diego sah zu ihm auf und erfaßte den Blick, der glühend an Josefen hing. Ein unheimliches Gefühl drohender Gefahr durchzuckte ihn dabei; noch aber wußte er demselben keinen Namen zu geben. Indessen hatte er mit diesen wilden Stämmen schon zu viel zu thun gehabt, um nicht zu wissen, wie vorsichtig sie behandelt sein wollen. So fest verschlossen sie unter den eigenen eisernen und unbeweglichen Zügen ihre Absichten und Gefühle verbargen, so fest verschlossen mußte man ihnen gegenüber selber sein, wenn man sich nicht ganz in ihre Hände geben wollte. Nur wirklich Geschehenes hatte eine Berechtigung besprochen zu werden.

      Glücklicher Weise war Josefa selber mit den Sitten dieser Stämme noch zu wenig bekannt, schon das Schlimmste zu fürchten. Die Pampas-Indianer ermorden nämlich gewöhnlich alle männlichen Gefangenen, die in ihre Hände fallen. Die Mädchen und Frauen aber schleppen sie mit sich in ihre Wildniß, aus der selten oder nie ein Entkommen ist. Ihre Häuptlinge setzen einen Stolz darauf, eine oder mehrere weiße Frauen in ihren Wigwams zu haben, und es läßt sich denken, welch' ein trostlos elendes Leben diese unter den Wilden führen.

      Don Diego kannte und wußte das Alles, und wieder über das Felleisen gebeugt, seine aufsteigende Bewegung zu verbergen, wühlte er in den Papieren. Der Indianer aber achtete gar nicht auf ihn; sein Blick hing triumphirend an dem schönen Mädchen, und er wandte kaum den Kopf, als seine Leute einzeln und schweißbedeckt von der Verfolgung der zersprengten Feinde zurückkehrten.

      Don Diego hatte indessen seine Untersuchung geschlossen und eine Masse unnützen Ballasts an Proclamationen, Zei-/62/tungcn und gleichgültigen Erlassen des Dictators herausgeworfen. Die Briefe und Depeschen schlug er dann in ein kleines Paket, um sie Abends ungestört durchzuarbeiten, steckte das in seine Satteltasche und nahm jetzt vor allen Dingen seine Waffen wieder an sich, sein Messer und seinen Lasso, lud sein abgeschossenes Pistol, und durchsuchte dann den Körper des gefallenen Officiers nach den Papieren, die er bei sich führte.

      Während er über diesen gebeugt stand, hörte er eine leise flüsternde Stimme an seiner Seite: „Seňor - Seňor!"

      Langsam drehte er den Kopf dorthin und erkannte den alten Gaucho Felipe, der vorsichtig auf dem Gras sein Antlitz ihm zuwandte und stöhnte:

      „Schöne Geschichte das, caracho, die Sie uns mit den verdammten Indios eingebrockt haben. Meine Kehle wird wohl jetzt nur wenige Pesos noch werth und der Schluck caňs heute Morgen das letzte gewesen sein, was ohne auszulaufen hindurchgeflossen ist. Helfen Sie mir aus der Patsche, wenn es irgend geht, und ich will Ihnen zeitlebens dankbar sein - ich weiß aber schon, Zureden hilft bei den Canaillen so gut wie nichts, und wenn sie einmal Blut geschmeckt haben, wollen sie mehr und mehr -- bis sie eben satt sind."

      Dem scharfen Ohr des Indianers war die Stimme nicht entgangen. So sehr er in den Anblick seiner Beute vertieft sein mochte, drang das Flüstern doch zu ihm, und rasch den Kopf hebend, erkannte er kaum die Richtung, aus der es kam, als er seinem Pferde die Sporen eindrückte und nach wenigen Sätzen, die Lanze zum Stoß erhebend, neben Felipe hielt.

      „Halt, Osantos," rief aber Diego, rasch dazwischen springend und die Waffe fassend, „ohne den Mann da hätten wir unsere Beute nicht gewonnen. Er wußte um Alles und hat uns nicht verrathen. Er ist mein Freund und hat unsere Sache treu gefördert."

      Osantos sah einen Augenblick unschlüssig von Diego hinüber zu dem Alten, der sich indessen langsam emporgerichtet hatte.

      „Gut," sagte er endlich, „sein Leben gehört Dein sammt /63/ den Papieren. Er mag sein Pferd nehmen und nach Hause ziehen.“

      „Daß sie ihm dort den Hals abschnitten, nicht wahr?“ lachte Diego, der rasch überdachte, wie er an dem alten schlauen Gesellen im Fall der Noth eine wackere Hilfe haben könne. „Nein, Osantos, die Weißen wissen, daß er sie verrathen hat und vergessen es ihm nie. Er so wenig wie ich dürfen wieder in jene Ansiedelungen zurückkehren, sondern müssen sehen, daß wir Montevideo erreichen können. Dort allein sind wir sicher."

      „Und Rosas?"

      „Nur diese Papiere, die wichtige Aufschlüsse über seine Absichten geben, bringe ich meinen Freunden," erwiderte Diego, „dann kehre ich mit frischer Hilfe zurück, und mit Eurem Beistand und dem noch vieler und treu gesinnter Gauchos wollen wir den Tyrannen lustig aus seinem Nest treiben und ihm das blutsattc Messer aus der Hand winden."

      „Es ist gut - wir werden warten," sagte der Indianer, und sich dann zu seinen Leuten wendend, rief er ihnen in seiner Sprache die Befehle zu, nach denen sie sich rasch in vollem Trupp sammelten und zum Abmarsch bereit hielten. Die rothen Bursche hatten indessen schon Alles, was sie irgend gebrauchen konnten, zusammengepackt und zum Transport fertig gemacht. Die Sättel der getödteten oder verkrüppelten Pferde waren mit den Zäumen fest an einander geschnürt und auf eins der erbeuteten Pferde gebunden. Ebenso nahmen sie den erschlagenen Feinden Lasso, Bolas, Messer, Sporen und Kleidungsstücke ab. Auch die Carabiuer sammelten sie sorgsam mit den Patrontaschen, und als das Felleisen mit dem darin befindlichen Gelde ebenfalls vorsichtig zusammengeschnürt und aufgeladen war, gab ein gellender Schrei des Anführers das Zeichen znm Abmarsch. Sie wußten, daß die zersprengten Feinde fortgeeilt waren, Hilfe zu holen, und mußten, ehe sie ihnen wieder begegneten, vorher wenigstens ihren Raub in Sicherheit gebracht haben.

      Don Diego hätte am liebsten sogleich die Indianer verlassen, aber er durfte nicht wagen, sich schon hier der Gefahr auszusetzen, mit einer andern Abtheilung der Truppen zu-/64/sammenzutreffen. Außerdem fürchtete er sich Osantos gegenüber das Wort auszusprechen, das, wie er voraussah, den trotzigen Häuptling zum Widerstände reizen würde - Josefa nämlich in seiner Begleitung mit fortzuführen. - Und welches Recht hatte der Wilde, sie ihm vorzuenthalten? Lieber Gott, wer frug hier in den Pampas nach einem andern Recht, als dem der Gewalt. Osantos hatte die Macht; Josefa gehörte mit zu dem überfallenen und zersprengten Trupp. Don Diego hatte ihm überdies von ihr früher kein Wort gesagt, sich nicht das geringste Anrecht auf sie ausbedungen - weil er überhaupt keine Ahnung hatte, daß sie je könnte dieser Gefahr ausgesetzt werden, und so vernünftig und billig es überhaupt gewesen wäre, sie selber entscheiden zu lassen, welchen Weg, welche Gesellschaft sie vorziehe, so dachten die Wilden doch keineswegs daran, einer Frau ein solches Recht zuzugestehen. Die Frau war nach ihren Begriffen vollständig abhängig vom Manne, als ihrem Herrn, und es verstand sich von selbst, daß sie ihm gehorchen müsse. Der Sieger hatte außerdem volle Macht über den Besiegten, also Osantos in diesem Fall einzig und allein zu entscheiden, was er für gut finde, zu thun und zu befehlen.

      Der Trupp hatte sich indessen schon in Bewegung gesetzt, nach rechts und links dabei seine Späher aussendend, ob nicht ein oder der andere Feind versteckt dort liege. Osantos hielt noch immer auf der Stelle, aus Josefa wartend, und diese, ihr Pferd jetzt an Diego's Seite pressend, sagte in französischer Sprache:

      „Seňor, ich vertraue Euch vollkommen und will mit der heiligen Jungfrau Beistand meine Sicherheit und Rettung in Eure Hand legen. Wollt Ihr aber Euer Versprechen halten, so führt mich, so rasch Ihr könnt, fort von hier, denn ich fühle, daß mir hier eben so große, wenn nicht noch größere Gefahr droht, wie von den Kreaturen des Dictators."

      „Ihr überschätzt die Gefahr nicht, Seňorita," entgegnete mit einem scheuen Blick nach dem Häuptling


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