Die Pferdelords 03 - Die Barbaren des Dünenlandes. Michael Schenk
sich der Palast erhob,
stellten sie sich unter dem Banner des Königs dem Gegner, dessen Vorhut mit
Triumphgeheul auf sie einstürmte.
Nochmals zeigte sich die Zähigkeit des Pferdevolkes, als aus den Häusern
im Rücken des Feindes eine kleine Schar Kämpfer hervorbrach, begleitet von
den Frauen, die sich nicht nur darauf verstanden, Wunden zu heilen, sondern
diese auch dem Feind geschickt zuzufügen wussten. Männer und Frauen
starben massenhaft, nur die letzten Überlebenden zogen sich in den Palast
zurück.
Irgendwann erstarb der Kampflärm, und Stille senkte sich über die Stadt
Tarsilan. Die Krieger des Sandvolkes hatten gesiegt, aber einen hohen Preis
dafür bezahlt. Sie hatten keine Zeit, ihre Toten zu beklagen, ehrten sie jedoch
gemäß ihrer Tradition, bevor sie sich eilig nach Osten wandten, wohin die
Menschen des Pferdevolkes geflohen waren. Man durfte sie nicht entkommen
lassen, denn womöglich würde sich das Volk bald erholen und eines Tages
Vergeltung suchen. Also würde man den Pferdemenschen folgen und auch die
letzten Schädel nehmen.
Die Krieger des Sandvolkes nahmen den schnellen Schritt auf, der typisch
für ihre Clans war. Sie waren entschlossen, die Menschen des Pferdevolkes
noch vor der Grenze einzuholen. Diese führten auf der Flucht ihre Kinder, die
Alten und Kranken, ihre Herden und das nötigste Hab und Gut mit sich. Sie
würden nur langsam vorankommen, trotz all der Pferde, die sie dabeihatten.
Der Führer der Clans wusste, dass die Fliehenden von den letzten Männern
der königlichen Wache begleitet wurden. Doch das waren nicht mehr viele,
vielleicht gerade einmal zweitausend Lanzen.
Der Führer des Sandvolkes behielt recht. Sie holten die Fliehenden an der
Grenze ein, und tatsächlich waren es nicht mehr als zweitausend der
Pferdelords. Aber diese hier waren beritten.
Hinter den Barbaren blieb die ausgelöschte Stadt Tarsilan zurück. Der
Sand begrub die Wälder und die Stadt unter sich; er bedeckte gnädig den Ort
des Todes, um ihn eines Tages wieder freizugeben.
Kapitel 2
In der Gegenwart des Pferdevolkes…
Es war ein sanfter und warmer Wind, kaum mehr als ein Hauch, der
unmerklich von Westen nach Osten strich und nicht erahnen ließ, zu welchem
Sturm er anwachsen und welche Gewalt er bringen konnte. Der Wind
bewegte die langen grünen Umhänge, welche die Schultern der Reiter
bedeckten. Diese standen in langen Reihen, eine hinter der anderen, und
blickten nach Osten, dorthin, wo sich hinter steilen Gebirgszügen die neue
Heimat des Pferdevolkes erstreckte.
Zweitausend Reiter sahen ihr entgegen, doch keiner von ihnen würde sie
jemals erreichen.
Die ausgeblichenen Umhänge waren verschlissen und verfallen, so wie das
Fleisch der Reiter und ihrer Pferde längst verfallen war. Hölzerne Stützen
hielten Mann und Ross aufrecht und vermittelten den Eindruck von Leben,
wo schon so viele Jahre kein Leben mehr war.
Der Wind ließ Rüstungsteile und Knochen aneinanderschlagen und rief ein
leises Klappern hervor, als pochten die Hufe der Pferde noch über den Sand,
als schlügen die Reiter noch immer kampfeswillig die Waffen gegen ihre
grünen Rundschilde. Der Wind und der Sand des Dünenlandes forderten ihren
Tribut. Sie hatten die Knochen von den Sehnen gelöst, und ausgebleichtes
Gebein lag zwischen den Reihen der Reiter am Boden. Es wurde vom Sand
bedeckt, den der Wind herantrug, und von der nächsten Windbewegung
wieder freigelegt.
Die Toten trugen ihre Helme, an denen noch die Reste stolzer
Rosshaarschweife zu erkennen waren. Aber diese Helme bedeckten keine
Köpfe mehr, sondern steckten auf kurzen Stangen, denn jene, die den Reitern
einst das Leben raubten, hatten den Toten auch die Schädel genommen, als
Zeichen des Triumphes über die Männer mit den grünen Umhängen.
Die Toten waren Pferdelords und gehörten einst der Wache des Ersten
Königs an. Sie hatten die Grenzen des Pferdevolkes bewacht und das Volk
beschützt. Nun hatte ihr Volk eine andere Heimat gefunden, aber die Tote
Wache des Königs hielt noch immer die alte Grenze.
Kapitel 3
Die alten Lieder wussten zu berichten, dass die Menschen des Sandes einst in
festen Städten lebten. In Städten mit Häusern und Mauern aus Stein. Aber es
waren sehr alte Lieder, und kaum ein Angehöriger des Sandvolkes konnte
sich vorstellen, dass es tatsächlich jemals so gewesen sein sollte. Seit Urzeiten
schon waren ihre Heimstätten beweglich, um dem wechselnden Wüstenwind
trotzen und dem Sturm weichen zu können. Die Städte des Volkes hatten
keine Häuser und keine Mauern und auch keine Namen. Sie waren
Heimstätten und wurden nach den Clans benannt, die sie bewohnten. Die
Heimstatt des Nagerclans war typisch für die Zeltstädte des Nomadenvolkes.
Das Erste, was man von einer Heimstatt erblickte, waren die
Aussichtsplattformen, die sich auf einem geschälten Pfahl erhoben. Es waren
hohe und starke Pfähle, die man aus Bäumen gefertigt hatte und von denen
ein jeder mit Blut bezahlt worden war, denn im Land des Sandvolkes gab es
keine Bäume und schon gar keine Wälder. Man musste das kostbare Holz aus
den Ländern anderer Völker holen. Aber das Sandvolk hatte nicht viel, mit
dem sich handeln ließ, und so nahm es sich mit Gewalt, was es brauchte.
Manchmal gelang dies ohne Blutvergießen, manchmal brachte man
gegnerische Schädel für diese Kämpfe, manchmal musste man eigene
zurücklassen. Der Preis dafür – die hohen Pfähle – wurde sorgsam gepflegt
und mit den Zeichen der Krieger versehen, die um sie gekämpft hatten.