Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier. Klaus Perschke
Schlepptau drei bildhübsche, knusprigjunge, um die 17 bis 18 Jahre alte Japanerinnen.
Und sie kamen das Fallreep empor an Bord. Rosamunde begrüßte uns auf Deutsch und verteilte Visitenkarten und Stadtplanauszüge mit Hinweisen, wo man ihre Kneipe finden konnte. Natürlich wurde sie von uns eingekreist, bestaunt, willkommen geheißen.
Der Bootsmann kannte sie anscheinend schon länger, denn sie begrüßten sich freundlich. „Willst wohl meine Jungens verführen?!“ Worauf sie antwortete: „Keiner soll verführt, sondern nur bewirtet werden! Ein bisschen deutsche Gemütlichkeit!“ „Kenn ich, kenn ich!“ konterte der Bootsmann lachend, „aber erst müssen sie den Dampfer noch löschklar machen, da geht kein Weg dran vorbei, Rosi!“ Rosi verschwand lachend mit den drei Mädchen in ihrem Taxi. Wir standen alle noch mit ihren Visitenkarten in der Hand an Deck und waren in Gedanken bereits an Land.
Wer war diese ominöse Rosamunde Pilschke? Sie war eine Ex-Nachrichtenhelferin, die über einen Verbindungsstab der Reichsmarine in Japan stationiert war, und die in Japan schifflosen Besatzungen der Reichskriegsmarine, deren schwimmende Untersätze von den Alliierten versenkt worden waren, betreute, Unterkünfte und Verpflegung organisierte, weiterhin für den Rücktransport mittels U-Booten nach Deutschland zu sorgen hatte, solange noch deutsche U-Boote nach Japan durchkamen. Nach der Kapitulation der Japaner wäre sie beinahe in amerikanische Gefangenschaft geraten. Sie heiratete ihren japanischen Verbindungsoffizier zur Reichskriegsmarine, und beide tauchten unter. Als sich die Lage nach 1945 beruhigt hatte, kauften sich beide eine Hafenkneipe und verpflichteten junge elternlose japanische Mädchen, bei ihnen als Animiermädchen zu arbeiten. Und als die ersten deutschen Schiffe nach dem Kriege wieder in Japan auftauchten, spezialisierte sie sich hauptsächlich auf das „liebevolle Einfangen“ deutscher Seeleute, die sie an Bord ihrer Schiffe besuchte und in ihre Kneipe – ihr „privates deutsches Seemannsheim“ - einlud. Deutsche Seeleute hatten in der Regel einen guten Ruf bei den japanischen Mädchen, also nett und freundlich zu den kleinen Damen zu sein. Falls man nicht nur zum Trinken in die Kneipe gekommen war, sondern auch die Chemie zwischen Hein Seemann und der kleinen Butterfly stimmte, dann konnte man die begehrte Auserwählte bereits vorher bei der schönen Rosamunde auslösen und mit ihr in ein empfohlenes Apartment entfleuchen. Und, wenn dann bei denen, die vorher monatelang nur in einer wilden Männergesellschaft gelebt hatten, die Hormone beim Landgang verrückt spielten und der Überdruck ein gewisses Organ anschwellen ließ, dann galt das Sprichwort: „Wenn die Nudel steht, ist der Verstand im Arsch!“ Aber auch das musste man wieder in den Griff bekommen. Und deshalb die Taxifahrt zu Rosamundes Kneipe „Zum rostigen Anker“ (auf Japanisch kann ich das nicht übersetzen). Und schon beim Eintritt in ihre Kneipe, wurden einem die Knie richtig weich. Welch eine Augenweide, viele Rehe in der Nähe, sogar ganz nah. Und was für Rehe! Seeleute mit Herzschrittmachern wären schon am ersten Tisch eingeknickt. Welch charmante Elfen einem da zulächelten, einen willkommen hießen! Unwillkürlich setzten bei mir Herzrhythmusstörungen ein. Bloß nicht schlappmachen! Erst einmal ein japanisches Bier trinken, abkühlen! „Be cool“ sagt man heute. Aber wer die Wahl hat, hat auch die Qual bei diesem Angebot von zirka 20 auserwählten Grazien, die uns so gerne Gesellschaft leisten, unsere trübseligen Gedanken wegpusten wollten, die uns so zärtlich in die Augen schauen konnten und so einen Liebesreiz ausstrahlten, dass man freiwillig eine Flasche Sekt schmiss, Madre mia. Alles in deutschen Händen, aber zittrigen Händen. Und beim Tanzen schmiegten sie sich so eng an einen, dass einem schwarz vor Augen wurde. Und küssen konnten die Mandelschnuten, das waren Voltladungen, die einem vom Kopf bis zu den Zehen durch den Körper zuckten. Irgendwann gegen 22:00 Uhr konnte ich nicht mehr, ich wollte mein Turteltäubchen nicht verlieren und zog die Notbremse. „Mama San, was kostet meine Perle für diese Nacht?“ Und Rosamunde kam gleich zum geschäftlichen Teil, als sie meine Lolliaugen sah. Nein, nicht mehr zum nächsten Bier, gleich zum „Heiß baden” wollte ich kommen. Okay, heute ist Zahltag. Und Rosamunde lächelte ihrem Mädchen zu. „Treibt es nicht zu dolle, ich brauch die Kleene noch!“ Und so entschwanden wir, die anderen später nach mir. Halb zog sie mich, halb sank ich hin, und sie tauchte mit mir in einem kleinen Hotel unter, wo wir uns für den Rest der Nacht ein Apartment mieteten.
Ich war überrascht, was für ein modern eingerichtetes Apartment es war. Es bestand aus einem einladenden Aufenthaltsraum, einem hübschen Schlafzimmer und einem wahnsinnig fantasievoll eingerichteten Bad. So eine sturmfreie Bude in Deutschland, vielleicht in Bremerhaven oder Bremen, also nicht in Cuxhaven unter den Augen meiner Eltern, und ich wäre der King gewesen! Aber dann hätte ich diese Kleine auch noch mit nach Deutschland gebracht.
Und hier eine Skizze vom Schlafzimmer des Apartements
Und so hatte der japanische Innenarchitekt das Badezimmer eingerichtet, die Badewanne versenkt in echtes schwarzes Lavagestein, die Wasserhähne versteckt in Lavabrocken, das Ganze sah wie ein geologisches Kunstwerk aus.
Und als der Sealord Klaus Perschke gleich zur Sache schreiten wollte, wehrte sich meine Madame Butterfly: „We do first old japanese tradition, first hot bath. You will be very fit afterwards.” Und schon ließ sie ziemlich warmes, ich möchte sogar sagen, ziemlich heißes Wasser in ein typisch japanisches Sitzbad einlaufen, bis es dreiviertel voll war. Irgendwelche Kräuteressenzen, die angenehm nach Sandelholz dufteten, weckten meine Geister. Und als ich wieder meinen Überdruck nicht bändigen konnte, drückte mich dieses kleine Persönchen in diesen japanischen Kochpott. Ich hatte echt das Gefühl, ich werde wie eine Weihnachtsgans gebrüht und fing an zu stöhnen. Das war ein Schock! Doch kein Pardon, denn jetzt erst fing die Schrubberei an. Das tat gut, nur mir wurde richtig schwarz vor den Augen. Sie war in ihrem Element. Sie war eine Meisterin in der Kunst, Männer zu betören, ich war besiegt. Warum bekommt man diese „Japanese-hot-bath“-Kuren nicht von der Seekasse in Deutschland bewilligt? Warum nicht? Die Seekasse weiß garantiert nicht, was wirklich gesund ist für ihre zur See fahrenden Mitglieder. Und warum war mein dummer Bruder nicht zum Norddeutschen Lloyd nach Bremen gefahren und hatte sich für die BAYERNSTEIN vormerken lassen? Er hätte garantiert anmustern können und hätte das alles auch erleben dürfen. Stattdessen saß er jetzt mit seinem kalten Arsch vorn unter der Back auf seinem ohne Kohlen an Bord eingefrorenen Klütenewer auf einem eiskalten Kanonenofen und klapperte sich einen ab. Für Gott und Willi! Das war seine Strafe!
Ja, ich hatte mein Herz in Yokohama verloren! Und jetzt möchten Sie, verehrter Leser, wissen, wie die Geschichte noch ausging? Ich muss Sie enttäuschen. Das ist mein kleines, persönliches Geheimnis, das ich nur für mich behalte. Dieses Rumprotzen mancher Kollegen, wie sie es mit wem getrieben haben, liegt mir nicht. Ich bin bei diesem Thema eher ein Romantiker. Diese Typen gibt es auch unter den Seeleuten. Und diese Stunden in Japan waren hochromantisch. Wie gesagt, ich hatte echt mein Herz in Yokohama verloren. Das soll tatsächlich noch vorkommen in der so genannten christlichen Seefahrt. Auch Seeleute sind nur Menschen.
Aber meine Eindrücke über das Apartment, wie es ausgestattet war, die hatte ich am nächsten Morgen, kurz bevor wir die Stätte Amors verließen, noch schnell in einem kleinen Skizzenblock verewigt. Und diese Skizzen kann ich dem verehrten Leser hier noch zeigen. Wie bereits erwähnt, so hätte ich mir meine Junggesellenbude in Deutschland eingerichtet, wenn ich die Goldstücke oder D-Märkerchen auf meinem Sparbuch gehabt hätte. Das Leben ist doch manchmal ungerecht. Die einen zünden sich aus lauter Langeweile mit einem Fünfziger eine Zigarre an, die anderen müssen ihre Märker zusammenkratzen und sparen, damit sie während der Schulzeit über die Runden kommen. Bafög gab es 1957 für Seefahrtsschüler noch nicht. Auf solche Ideen kamen die so genannten christlichen Finanzminister der Adenauer-Regierung nicht.
Keiko Fujinaka hieß also mein kleines Butterfly. Und offenbar empfand sie Sympathie für ihren Verehrer aus Deutschland, der so verschossen in sie war.
Am nächsten Morgen, nachdem ich ihr noch diskret ein kleines Extra-Dankeschön gegeben und sie mir ihre private Adresse gegen meine Schiffsanschrift ausgetauscht hatte, brachte sie mich zum nächsten Taxistand. Zum Abschied hatte ich