Seefahrt 1956-58 – Asienreisen vor dem Mast – Nautischer Wachoffizier. Klaus Perschke
279).
Tsingtau, 27. Januar 1898:
Parade des Landungskorps des 1. Klasse Kreuzers „KAISER“ und 2. Klasse Kreuzers „PRINZ WILHELM“ vor Vizeadmiral Otto von Diederichs.
Quelle: Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag, Hamburg, 2005,S.278
Bereits 1750 gab es an der Haipo-Mündung die Gründung einer „Handlungscompagnie von Emden auf China“. Also außer den Missionaren waren bereits vorher die ersten ostfriesischen Kaufleute aufgetaucht und hatten ihre Geschäfte mit den Chinesen abgewickelt. Diese kleine Kaufmannskolonie musste „rund hundert Jahre hilflos mit ansehen, wie imperialistische Großmächte das Land in Einflusssphären aufteilten“ (siehe Seite 269). Als in der Heimat des Konfuzius chinesische Aufständische zwei Missionare des Steyler Mutterhauses töteten, führte das zu einem Aufschrei in Deutschland unter allen katholischen Christen. Und Wilhelm der Große schrie am lautesten. Deutsche Seestreitkräfte marsch, marsch! Diesen Schlitzaugen muss man eine Lektion erteilen! Mal zeigen was Kruppstahl ist! Natürlich waren Chinas Kaiser Guang Zu und die einflussreiche Kaiserwitwe Cixi in Peking mit diesen Drohungen und Einschüchterungen nicht einverstanden. Doch sie hatten keine andere Wahl. Ihre Regierung war machtlos wie ein Papiertiger. „Das schwache China hatte keine andere Wahl, als den „berechtigten Wunsch des von Gott gesandten deutschen Kaisers nach einem Platz an der chinesischen Ostküste zu erfüllen.“ (siehe Seite 282) Nun waren also auch noch die deutschen Langnasen ins Reich der Drachensöhne gekommen und machten gleich Nägel mit Köpfen, sprich, einen Pachtvertrag auf 99 Jahre. Der Vertrag sicherte dem deutschen Imperator sowohl ein deutsches Pachtgebiet als auch ein neutrales, unter deutscher Kontrolle stehendes Gebiet dazu. Offiziell wurde die Reichskriegsflagge am 21. Februar 1898 aufgezogen. Der Vertrag wurde aber erst im März 1898 ratifiziert. Das Pachtgebiet war kaum größer als Hamburg.
Unter dem Schutz der kaiserlichen deutschen Reichskriegsmarine wurde rangeklotzt, entstand nach den Plänen eines Berliner Städteplaners eine deutsche Vorzeigestadt. Im Januar 1898 trafen das in Cuxhaven neu aufgestellte III. See-Bataillon und die Matrosenartillerie, in Zukunft die „Tsingtauer“ genannt, in der Kiautschou-Bucht ein und wurden an Land vorerst in den ehemaligen Lehmunterkünften der chinesischen Garnison untergebracht. In der Regel blieben die Marinesoldaten zwei Jahre vor Ort, ehe sie aus der Heimat abgelöst wurden. Aus Deutschland brachten Handelschiffe kaiserliche Beamte, Architekten, Ingenieure und Facharbeiter, dazu Maschinen, Werkzeuge, Laboratorien und so genannte Tropenhäuser ins Land. Unter dem Schutz der „Tsingtauer“ wurden die Stadt- und die Hafenanlagen mit Volldampf vermessen und nach den modernsten Bebauungsplänen und Vorstellungen der Städe- und Hafenplaner errichtet. Es wurde für die damalige Zeit eine der modernsten Trinkwasseranlagen und Abwasserentsorgung für alle drei geplanten Stadtteile gebaut. Bereits im ersten Jahr gab es eine deutsche Schule, 1899 wurde nach der Gründung der Schantung-Bergbau- und der Schantung-Eisenbahngesellschaft mit dem Bau der Eisenbahnlinie Tsingtau–Kiautschou begonnen und die Verbindung zu den Kohlefeldern und Seidendistrikten hergestellt“ (siehe Seite 284). „Eine moderne Landordnung verhinderte Grundstückspekulationen, was dem geregelten Aufbau und einer nach Funktionen gegliederten Raumstruktur entgegenkam. Der Bebauungsplan sah mit dem Europäer-, Geschäfts- und Chinesenviertel drei klar zu unterscheidende Stadtteile vor. Der Ausbruch einer Seuche erzwang den Abriss weiterer chinesischer Dörfer in der Nähe der Reißbrettstadt (siehe Seite 285) In der Aguste-Viktoria-Bucht entstand die Europäerstadt, in der Chinesen Land kaufen und vermieten, aber vorerst noch nicht wohnen durften. Das ausradierte Dorf Tsingtau an der Tsingtaubucht wurde durch eine Geschäftsstadt ersetzt. Nordwestlich der Geschäftsstadt, zur Kiautschoubucht hin, wurde das bereits bestehende Dorf Tapautau zur Chinesenstadt mit Handwerker- und Händlervierteln ausgebaut. Auch Nichtchinesen konnten sich dort niederlassen. Das war die Situation um 1900. „Der Baumboom war kaum zu übertreffen: Die Iltiskaserne, das große Lazarett und Hotel Prinz Heinrich ab 1899, das Europäergefängnis und das Bahnhofsgebäude 1900, das Seemannshaus 1901, das Gouvernementsgebäude und die Bismarckkaserne 1903, die Polizeistation 1904, „...um Wohnraum für die vom Bauboom angezogenen Chinesen zu schaffen, wurden in einiger Entfernung die Arbeitersiedlungen Taitungtschen und Taihsittschen angelegt“ (siehe Seite 285). „Anfangs gab es eine Rassentrennung aus kolonialhygienischer Sicht. Erst durch den Sturz der Mandschu-Dynastie, welche den vornehmen Mandschu-Adel und wohlhabende Sympathisanten der Monarchie in das Gebiet von Tsingtau spülte, wurde auch das vornehme Europäerviertel multikulturell aufgemischt“. Die chinesische Oberschicht fühlte sich sichtlich wohl unter den Fittichen des deutschen Kaisers. Fünf Jahre nach Inbesitznahme von Kiautschou wurde durch den deutschen Gouverneur Truppel und Konteradmiral Henning von Holtzendorff die große Anlegemole 1 im Hafen von Tsingtau dem internationalen Schiffsverkehr übergeben. Aus Tsingtau, der Stadt aus dem Nichts, waren inzwischen eine „Haupt-, Handels-, Hafen- und Garnisonstadt“, weiterhin ein Flottenstütz- und ein Kulturmittelpunkt am Osteingang der Kiautschou-Bucht geworden (siehe Seite 291). Ich überspringe den Auslöser des Boxeraufstands und konzentriere mich nur auf „Klein Deutschland in Übersee“. „Wahrzeichen der Stadt ist nicht nur der „Einhundertfünfzig-Tonnen-Kran“ des Hafens, sondern die 1910 östlich der Bismarckstraße geweihte evangelische Christuskirche der zivilen Gemeinde, die der Architekt und Bauherr, Curt Rothkegel, in Anlehnung an die Schwesternkirchen in Deutsch-Südwest-Afrika in Windhoek und in Ostafrika in der Hafenstadt Daressalam entworfen und gebaut hatte.
Tsingtau, Geschäftshäuser im Europäerviertel
Quelle: Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag, Hamburg, 2005, Seite 284.
Im Pachtgebiet von Tsingtau hatten sich 73 europäische Unternehmen, wie die Firmen Schwarzkopf, Wieler, Karberg, Carlowitz, Siemssen und andere niedergelassen. Nahezu jede größere deutsche Bank mit Chinaengagement war durch ihre Filiale in den Geschäftsstraßen vertreten. Dazu kamen chinesische Unternehmen, die die Stadt als Standort gewählt hatten und für den Handel mit dem Hinterland unentbehrlich waren“. Es gab 1910 bereits Automobile und Telefon, fließendes Wasser und elektrischen Strom, dazu die Schantung-Eisenbahn mit Wagons auf Doppelachsen-Drehgestellen. Die einst kahlen Hügel um Tsingtau herum wurden aus sanitären und wasserwirtschaftlichen Gründen mit Laubbäumen, Akazien und Kiefern kräftig aufgeforstet. Damit die Täler des Lauschan ihren „reindeutschen Charakter“ erhielten, wurden die im Winter arbeitslos gewordenen Dörfler zu kostenlosen Aufforstungsarbeiten herangezogen (siehe Seite 292). Das Gesundheitswesen war vorbildlich und kostenlos für die Bevölkerung. Deutsche Gärtner hatten den örtlichen Chinesen beigebracht, wie man Obst- und Gemüseanbau verbessert. Deutsche Experten hatten die örtliche Rinderzucht durch schwarzbuntes Vieh aus den deutschen Küstenregionen mit ostfriesischem Blut aufgefrischt. Tsingtau wurde mit deutscher Gründlichkeit vom unscheinbaren Fischerdorf zur deutschen Musterstadt in Asien umgestaltet.“
Chinesische Geschäftshäuser in der Schantung-Straße ungefähr in der Zeit um 1910
Quelle : Bernd G. Längli, Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918, Mittler Verlag, Hamburg, 2005, Seite 285
„Es gab weiterhin die deutschchinesische Hochschule für Spezialwissenschaften, die nach der modernen pädagogischen Erfahrung deutsche Natur-, Medizin- und Geisteswissenschaften lehrten. Und auf diese Hochschule schickten Chinas beste Familien aus nahezu allen Provinzen ihre Söhne zum Studium. Im Januar 1913 fanden die ersten Abschlussprüfungen der juristischen und landwirtschaftlichen Fakultäten der deutsch-chinesischen Hochschule statt, übernahm die Schantung-Eisenbahngesellschaft die Aktien der Schantung-Bergbaugesellschaft und kostete eine Fahrt von Tsingtau nach Berlin 2. Klasse im Schlafwagen 536,75 Mark“ (siehe Seite 296). Das war Tsingtau, bis die Japaner kamen und alles platt machten. Grausame Japaner damals!
Verehrter Leser, das steht alles geschrieben bei Bernd G. Längli: Die deutschen Kolonien, Schauplätze und Schicksale 1884-1918. Sehr lesenswert! Doch wer liest heute noch solche Literatur