REMEMBER HIS STORY. Celine Ziegler

REMEMBER HIS STORY - Celine Ziegler


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und seine Worte nicht an mich ranzulassen. „Außerdem ist nirgends mehr Platz“, lüge ich.

      Nathan atmet jetzt schon gereizt durch und legt seine Gabel auf seinen Teller. „Was zum Fick soll das? Hier ist genug Platz, also setz dich gefälligst auch woanders hin.“

      „Du solltest vor den Gästen nicht so fluchen“, belehre ich ihn lässig und gehe seinem aggressiven Blick aus dem Weg.

      „Und du solltest verschwinden.“

      „Und du solltest vielleicht einen Antiaggressionskurs belegen.“

      Er atmet wieder genervt aus und wischt sich durchs Gesicht.

      „Ich tue doch nichts, als hier sitzen“, sage ich. „Ich werde dich nicht nerven. Versprochen.“

      Kurz starrt er mich noch an, dann nimmt er genervt wieder seine Gabel und isst weiter. Ab und zu versuche ich, ihn heimlich zu beobachten und seine Bewegungen genau zu scannen. Es ist einfach höchst interessant, wie er sich bewegt und einfach vor sich hin lebt. Die Narbe, die er unter seinem Auge hat, sieht man nicht mehr so stark wie damals, doch sie ist noch gut sichtbar. Ich weiß noch, wie heftig die Wunde damals aussah, als sie frisch war. Es sah einfach nur grauenvoll aus, doch niemand wusste – natürlich –, wovon sie stammt. Niemand wusste allgemein etwas über ihn.

      „Wo hast du eigentlich die Narbe unter deinem Auge her?“, frage ich, ohne nachzudenken, und bereue es sofort die Sekunde darauf.

      Ohne mich auch nur ein weiteres Mal anzusehen, knallt Nathan seine Gabel auf den Teller, nimmt ihn und steht auf, verschwindet im Personalraum.

      Ich drehe mich schnell um, um ihm wenigstens hinterherzurufen, dass ich es nicht so gemeint habe, aber dann taucht auch schon Grandpa vor meiner Nase auf.

      „Na“, sagt er grinsend und setzt sich auf Nathans ehemaligen Platz. „Wie ich sehe, hast du schon mit Nathan Bekanntschaft gemacht.“

      „Mehr oder weniger“, murmle ich und picke enttäuscht von mir selbst im Salat rum. Ich muss sachter an die Sache mit Nathan rangehen.

      „Was ist los? Du wirkst müde. Willst du früher Schluss machen?“

      Ich schmunzle Grandpa an. „Nein, ist schon in Ordnung. Ich komme nur noch nicht ganz mit Nathan klar“, sage ich wahrheitsgemäß, weil Vertrauen in unserer Familie schon immer ganz oben stand, auch bei Opa.

      „Nathan also.“ Er seufzt. „Ja, er ist ein sehr … spezieller Mensch.“

      „Ein sehr spezieller Mensch?“ Verhält Nathan sich vor anderen Kollegen, sogar vor seinem Chef, auch so dreist?

      „Na ja, er ist halt ein aufmüpfiger Bengel. Sehr aufmüpfig. Also wirklich sehr, sehr aufmüpfig.“

      „Das habe ich bemerkt. Aber wieso hast du ihn überhaupt eingestellt, wenn er so unfreundlich ist? Ich meine, er ist ja wirklich nur unfreundlich.“

      „Er ist billig und gut. Ich hätte nirgends einen so zuverlässigen Hausmeister bekommen können wie ihn, immerhin findet er sonst keinen Job, also arbeitet er hier für einen Hungerlohn. Dafür nehme ich gerne seine freche Art in Kauf.“

      Grandpas Worte schocken mich beinahe. Er sagt das so gleichgültig, als wäre es Alltag, Leute so auszubeuten. Auch wenn es nur Nathan ist. Eine Sache steht auf jeden Fall schon mal fest. Er muss einen schlechten oder gar keinen Schulabschluss haben, wenn er sonst keinen Job bekommt.

      „Wieso bekommt er denn keinen anderen Job?“

      „Das kann ich dir nicht sagen, dazu bin ich nicht befugt, auch wenn du meine Enkelin bist“, lacht er.

      „Hmm, okay. Und weißt du, wo er wohnt?“

      Opa hebt eine Braue. „Marie.“

      „Ja?“

      „Du hast dich doch nicht verguckt, oder?“

      Ich blinzle. „Was?“

      „Du weißt schon, was ich meine“, lacht Grandpa wieder. „Verguckt, verknallt, verliebt, das, was Jugendliche eben so tun.“

      „Um Gottes willen, nein!“, sage ich sofort und hebe beide Hände. „In Nathan absolut nicht. Er ist, wie gesagt, ein aufmüpfiger Stinkstiefel.“

      Erleichtert wischt Grandpa sich imaginären Schweiß von der Stirn. „Gott sei Dank. Er ist wirklich nicht das, was ich dir wünschen würde. Vor allem nicht deiner Mutter.“

      Ich verdrehe die Augen. „Wenn es nach Mama gehen würde, wäre ich sowieso für den Rest meines Lebens alleinstehend.“

      „Sie will nur nicht, dass dich so ein Idiot wie Nathan verletzt. Ich kann sie da verstehen, du bist ein hübsches Mädel. Die Jungs müssen dir reihenweise hinterherrennen.“

      „Grandpa“, lache ich. „Jetzt bleib mal auf dem Boden der Tatsachen.“

      „Hach, in der Richtung bist du wie deine Mutter. Sie wollte auch nie einsehen, dass sie der Männerschwarm schlechthin war.“

      Um halb sechs abends ziehe ich mir meine hellbraune Winterjacke an und dazu noch meine dicke Wollmütze. Ich bin nur froh, dass momentan kein Schnee liegt, also kann ich ohne nasse Füße nach Hause laufen. Ich verlasse mit dem Handy in der Hand das Hotel, um Mama eine Nachricht zu schreiben, dass ich pünktlich um sechs zum Essen zu Hause sein werde.

      Bis mir jemand auf dem Parkplatz auffällt. Ich blicke auf und sehe Nathan, wie er gerade auf ein Motorrad steigt. Er hat ein Motorrad? Es sieht nicht wirklich billig aus, deswegen wundere ich mich, wie er es sich leisten kann, wenn Grandpa doch meinte, dass er nur für einen Apfel und ein Ei arbeitet.

      Unmittelbar gehe ich zu ihm, stecke mein Handy wieder in die Jackentasche, ohne Mama zu schreiben. „Hey“, sage ich zu Nathan, der sich gerade den Helm aufsetzen will.

      Er blickt zu mir auf und lässt den Helm wieder sinken. Argwöhnisch beobachtet er jeden Schritt, den ich ihm näher komme.

      „Ich wusste gar nicht, dass du ein Motorrad hast“, versuche ich freundlich, ein Gespräch zu starten. Ich muss versuchen, so viel wie möglich aus ihm herauszubekommen.

      „Du scheinst auch anscheinend nicht zu wissen, dass du mir auf die Nerven gehst, also wundert es mich nicht.“

      Ich ignoriere seinen blöden Spruch und mustere das schwarze Gefährt unter ihm. „Das Teil sieht wirklich krass aus.“

      Er hebt eine Braue. „Krass“, wiederholt er spöttisch.

      „Ja, richtig fetzig!“ Ich bin dumm. „Ähm, ja, also einfach richtig cool.“

      „Wunderbar“, meint er monoton und will sich wieder den Helm aufsetzen.

      „Was ist das für eine?“, frage ich, worauf er den Helm wieder stöhnend sinken lässt. „Eine YUMAHA?“

      Nathan lacht gehässig. „Yumaha. Du meinst wohl eher YAMAHA und nein, das ist keine YUMAHA.“

      „Oh.“ Ich laufe sofort rot an. Was quatsche ich hier eigentlich? Ich blamiere mich mehr, als eine ordentliche Konversation mit ihm zu führen. „Meinte ich ja.“

      Kurz wartet Nathan, ob ich noch etwas Blödes zu sagen habe, dann hebt er wieder den Helm zu seinem Kopf.

      „Stop!“, sage ich schnell. „Ich, ähm, wo, äh, wo fährst du denn jetzt hin?“

      Zum gefühlten hunderttausendsten Mal atmet Nathan heute gestresst durch. Für einen Moment sieht er mich nachdenklich an, dann sagt er: „Du scheinst wirklich interessiert an meinem Shit zu sein, oder?“

      Unsicher zucke ich mit den Schultern. Eigentlich schon. Am liebsten würde ich alles wissen.

      „Okay.“ Er dreht den Schlüssel seines Motorrads. „Steig auf und ich zeig dir ein wenig von meiner Welt.“

      Kapitel 4

      Perplex


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