Pferdesoldaten 09 - Das Kanonenboot. Michael Schenk
nicht kannte, zuckte mit den Schultern. „Ist ein echtes Yankee-Schiff, Mister Muldoon. Die Engländer haben mit seinem Bau nichts zu tun. In den Yankee-Zeitungen steht, dass der Konstrukteur ein James Eads sein soll. Eine Schande. Der Mann stammt aus Saint Louis und baut Kanonenschiffe für die Yanks.“
„Also soll das Schiff gehoben und für unsere Navy in Dienst genommen werden“, stellte Kendrick fest. „Nun, das wird unsere Navy freuen. Sie kann sicher jedes Schiff gebrauchen. Gerade jetzt, wo die Yankees Vicksburg angreifen. Apropos Vicksburg… Lieutenant, wir sammeln hier Nachschub für General Pemberton. Waren die Föderierten hinter dem her? Es muss ja einen Grund für ihre Attacke auf Dillings geben.“
„Ohne Ihre nette Stadt beleidigen zu wollen, Mayor, aber einen anderen Grund kann ich mir kaum vorstellen.“ Barstowe wies mit einer ausholenden Bewegung über die Lagerhäuser. „Irgendwie haben die Yankees in Erfahrung gebracht, dass wir hier Lebensmittel, Munition, Waffen und andere Nachschubgüter sammeln. Das ist für die Union ein lohnendes Ziel. Ja, Sir, die werden zurückkehren.“
Der Blick des Bürgermeisters wurde erneut besorgt. „Diesmal haben wir Glück gehabt, Lieutenant, aber ich fürchte, wenn sie das nächste Mal kommen, dann brauchen wir mehr als ein Rammboot und etwas Glück.“
„Ich schließe mich Ihrer werten Meinung an, Mayor.“ Muldoon deutete eine übertrieben höfliche Verbeugung an. „Da meine hübsche Louisiana Pride keine Panzerung und keine Kanonen hat, wäre es durchaus hilfreich, wenn die unvergleichliche konföderierte Marine uns mit ein paar Panzerfregatten unter die Arme greifen würde.“
Barstowe lachte. „In diesem Bereich des Mississippi haben wir leider nichts dergleichen verfügbar.“
„Wir hatten Glück, dass diese berittene Batterie auftauchte, sonst wären die Yankees an Land gekommen und hätten uns mit ihren Soldaten überrannt.“ Kendrick sah den Offizier vorwurfsvoll an. „Wenn wir uns gegen die Gentlemen aus dem Norden wehren sollen, dann brauchen wir hier Truppen und wir brauchen Kanonen.“
„Bislang hielt man in Richmond unser kleines Dillings wohl nicht für bedroht“, meinte Barstowe verlegen. „Zwischen dieser netten Stadt und den Yankees bewegen sich mehrere Verbände unserer Truppen, so dass ein überraschender Angriff unmöglich erschien.“
„Ja, typisch Landratte“, spottete Muldoon. „Ans Wasser denkt euer fabelhaftes Hauptquartier wohl nicht.“
„Spätestens jetzt wird man das tun“, versicherte Kendrick. „Jetzt, wo feststeht, dass Dillings bedroht ist, wird die Konföderation uns sicherlich Hilfe schicken, nicht wahr, Lieutenant?“
„Davon bin ich absolut überzeugt, Town-Mayor Kendrick. Ohne Nachschub ist Vicksburg verloren und man wird alles daran setzen, dass die hier lagernden Versorgungsgüter die Stadt erreichen. Vicksburg darf auf keinen Fall fallen, denn der Mississippi ist von enormer Bedeutung für die Versorgung der Konföderation.“
Kapitel 3 Kriegsrat
„Vicksburg ist von immenser Bedeutung für die Konföderation. Nehmen wir die Stadt ein, dann können wir die Konföderation in zwei Teile spalten und durchtrennen eine ihrer wichtigsten Versorgungsadern, während wir sie für uns nutzen können.“
General-Major Ulysses Grant stand über den Tisch gebeugt, auf dem die Karte mit dem Verlauf des Mississippi und den zahlreichen Nebenflüssen ausgebreitet war. Zwei aufgelegte Blankwaffen verhinderten, dass sie sich wieder aufrollte. Wind, Wetter, Kaffee und zahlreiche Finger hatten der Karte zugesetzt, die zudem zahlreiche nachträgliche Markierungen aufwies, die teilweise persönlich von Grant vorgenommen worden waren.
Grant besaß eigentlich keinen zweiten Vornamen, der mit dem Buchstaben „S“ begann. Dieser war versehentlich bei der Einschreibung in der Offiziersakademie von West Point hinzugefügt worden. Der General mochte allerdings die Allegorie, die sich aus dem Namenszug U.S. Grant ergab, den man auf United States oder „unconditional surrender“ anwenden konnte, denn die bedingungslose Kapitulation eines Gegners war die bevorzugte Weise für Grant, einen Kampf zu beenden. Sehr viel später in seinem Leben würde Grant sich offiziell und nachträglich auf Ulysses Simpson Grant taufen lassen.
Grant war schlank und das schmale Gesicht wirkte ausgezehrt. Es mochte den Bedingungen im Feld geschuldet sein und der immensen Verantwortung, die der General trug. Seine Kritiker behaupteten allerdings, es sei die Folge der Vorliebe für Whiskey, während seine Befürworter den übermäßigen Alkoholkonsum bestritten. Beide Seiten hatten Unrecht. Grant schätzte durchaus einen „guten Tropfen“, wobei seine Vorliebe dem Apfelwein galt.
Im Gegensatz zu einigen anderen Unionskommandeuren war Grant beharrlich und scheute keine Verluste. Wo andere sich nach einer Niederlage zurückzogen und ihre Wunden leckten, bezog Grant Stellung und harrte aus. Einige Niederlagen hatte er auf diese Weise letztlich in einen taktischen Sieg verwandelt, denn er verhinderte zunehmend die bislang erfolgreiche Taktik seines Widersachers Robert E. Lee, aus der Defensive vorzustoßen und der Union blitzschnelle Schläge zu versetzen. Grant saß diese Schläge aus, nahm sie hin und führte seine Truppen baldmöglichst zum Gegenstoß. Die Verluste seiner Truppen waren stets höher, als die des Gegners, was Grant gelegentlich die Bezeichnung „Schlächter“ einbrachte, doch seine Kritiker vergaßen dabei, dass ein Angreifer immer die höheren Verluste hinnehmen musste.
Schon mancher Kritiker hatte die Ablösung des Generals verlangt, der jedoch die uneingeschränkte Unterstützung des Präsidenten Abraham Lincoln besaß. Grant kämpfte und er kämpfte erfolgreich, denn er drängte den Feind immer weiter zurück.
Nun war Vicksburg das Ziel des Major-Generals und erneut erwartete Grant nichts Geringeres, als die bedingungslose Kapitulation seines Gegenspielers Pemberton. Die Stadt war nun von den Unionstruppen eingeschlossen, doch der Kampf keineswegs entschieden.
„Alles hängt davon ab, ob es den Konföderierten gelingt, Nachschub an Truppen und Material in die Stadt zu bringen“, führte Grant weiter aus. „Sie haben sich ausgezeichnet verschanzt und kämpfen hartnäckig, aber ich habe beobachtet, dass sie vor allem ihre Artillerie recht sparsam einsetzen. Sie sparen Munition für unsere Angriffe auf und erwidern unseren Beschuss nur selten.“
„Außerdem dürften die Nahrungsmittel allmählich knapp werden“, fügte einer der anderen Generäle hinzu. „Die Rebellen haben bereits mehrfach versucht, die Stadt zu entsetzen, aber bislang konnten wir jede Verstärkung oder Nachschubkolonne abfangen und unsere Blockade wird immer dichter.“
Commodore Isaac Lumbers räusperte sich. „Der einzige, noch offene Weg, ist der Fluss. Mein Vorstoß nach Dillings hat gezeigt, dass die Rebellen dort ein großes Lager eingerichtet haben. Sie wollen den Nachschub über den Mississippi in die Stadt bringen.“
„Was unsere Kanonenboote bislang unterbunden haben“, warf ein anderer Marineoffizier ein.
Grant musterte Lumbers, der zuvor von seinem gescheiterten Unternehmen berichtet hatte. „Reden wir nicht drum herum… Mister Lumbers, haben die Rebellen eine Chance, den Nachschub auf dem Fluss nach Vicksburg zu transportieren?“
Der Commodore zögerte, bevor er bedächtig nickte. „In Dillings liegt eine Menge Nachschub, Sir. Wenn sie genügend Dampfer auftreiben und den Durchbruch versuchen, dann werden wir vielleicht nicht alle aufhalten können. Brechen sie bis zum Hafen von Vicksburg durch, dann haben sie den Schutz ihrer Artilleriestellungen.“
Grant nickte mit düsterem Gesicht. „Und wir haben erfahren, dass sie die Kanonen einzusetzen wissen. Immerhin haben sie einige unserer Turtles beschädigt und die Cincinnati versenkt.“
„Die Navy ist bereits dabei, die Flottille vor Vicksburg zu verstärken“, versicherte einer der Marineoffiziere.
„Mir wäre es lieber, wenn die Konföderierten es gar nicht erst versuchen“, knurrte Grant. „Weil sie nämlich nichts besitzen, für das sie einen Durchbruch riskieren würden. Ein verdammter Jammer, dass ihre Aktion misslang, Mister Lumbers, und sie die Lager in Dillings nicht vernichten konnten.“
„Ich