Buntes Treiben. Gerstäcker Friedrich

Buntes Treiben - Gerstäcker Friedrich


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mehr, so scheuerte sein Bug, nicht weit von dort, wo zwei andere Canoes an einer Liane befestigt lagen, und dadurch die Nähe einer menschlichen Wohnung verriethen, den Korallensand.

      „Maita," brach da der Indianer das Schweigen - „hier bist Du auf Eimeo - soll ich Dich an's Ufer geleiten?"

      Das junge Weib war aufgestanden, und ihr Blick streifte zum ersten Mal die befreundete Küste, aber sie erwiderte keine Silbe. Ihr linker Fuß ruhte einen Moment auf dem Rande des Bugs, dann sprang sie leicht und flüchtig, ohne auch nur den Kopf nach ihrem Führer zurück zu drehen, an's Land.

      „Willst Du die Früchte nicht mitnehmen, Maita?"

      Keine Antwort.

      „Willst Du mir nicht ein Joranna sagen, Maita?" rief Patoi, dem es doch jetzt beklommen um das Herz wurde, als er die Frau so scheiden sah - aber er erhielt auch jetzt keine Antwort. Ihren Tehei fest um sich gezogen, schritt sie auf die nächsten Büsche zu und war wenige Secunden später in dem Gesträuch seinem Blick entschwunden.

      „Stolzes Ding," murmelte der Indianer zwischen den Zähnen durch - „nicht einmal eine Antwort hat sie für mich. Aber was thut's?" setzte er leicht hinzu - „vielleicht ist's besser so und war jedenfalls desto rascher abgemacht. Joranna, Maita! wir passen doch nicht zu einander, Du und Dein Vater, die nur immer von der Wiederherstellung ihrer verlorenen Freiheit träumen und danach drängen, während ich mich nach einem ruhigen Leben sehne. Joranna, Joranna! kehre in Deine Wildniß zurück und vergiß den armen Patoi, dem Du einstmals Dein Herz geschenkt."

      Eingeborene kamen am Ufer langsam herab, wohl nur um zu sehen, wer da in einem Canoe gelandet wäre. Patoi mochte ihnen aber auch nicht begegnen und sich am liebsten vor Niemandem auf Eimeo sehen lassen. Je schneller er deshalb nach Tahiti zurückkehrte, desto besser, und das konnte er noch recht gut in der nämlichen Nacht bewerkstelligen. Die Sonne ging allerdings unter, aber es war noch hell genug, um sicher /101/ aus den Riffen hinaus zu kommen, und erst einmal draußen auf der ruhigen See, durfte er sich Zeit lassen und langsam nach Tahiti hinüber rudern. Außerdem hatte er ja auch noch die von Maita verschmähten Früchte und Lebensmittel im Canoe, um unterwegs davon zu zehren, und wenn er erst das Binnenwasser von Tahiti erreichte, so trug ihn gegen Mitternacht die Fluth, ohne daß er sich weiter anzustrengen brauchte, von selber nach dem Hafen zu.4

      Noch einen Blick warf er auf das Ufer und die Stelle zurück, an welcher Maita in den Büschen verschwunden; aber es war kein lebendes Wesen dort zu erkennen, und sein Ruder wieder gegen den Sand stemmend, schob er sein Canoe in tiefes Wasser und ruderte dann rasch dem Eingang der Riffe zu. Die Leute am Ufer kümmerten sich nicht um ihn; Eingeborene landeten zu allen Tageszeiten und fuhren auch wieder ab, theils um zu fischen, theils um drüben in Tahiti Producte zu verkaufen - wer frug nach Einem von ihnen? Wenn er etwas von ihnen wollte, kam er schon selber.

      Patoi näherte sich jetzt der Einfahrt - noch einmal schaute er sich um. - Die kleine friedliche Bai lag still und einsam, und nur etwas weiter oben, am Dorf Afareaita selber, herrschte lautes fröhliches Leben, und sogar der Schall einer Trommel, die das junge Volk zum Tanze rief, klang zu ihm herüber. Aber Patoi fühlte sich nicht davon angelockt; er hatte in Eimeo nichts mehr zu suchen und mochte sich noch weniger zwischen die Bewohner mischen. Sein Weg lag hinüber nach Papetee und aus dem Binnenwasser dieser Insel hinaus, und je rascher er den zurücklegte, desto besser. Es dauerte auch nicht lange, so hatte er die Einfahrt erreicht, ruderte zwischen den sich überstürzenden Brandungswellen hindurch und hielt nun erst eine Strecke draußen, und jetzt in offener See angekommen, um erst einmal etwas Nahrung zu sich zu nehmen. /102/ Er war durch die lange Fahrt hungrig und durstig geworden und mußte sich erst wieder stärken.

      Zu dem Zweck legte er sein Ruder in das Canoe, öffnete mit dem kleinen Messer, das er bei sich trug, eine der jungen Cocosnüsse, trank daraus in langen, durstigen Zügen, und legte sich dann die gebackene Brodfrucht auf die Ruderbank, um beim Arbeiten davon zu zehren. Er durfte nämlich nicht zu lange ruhig sitzen, denn die Fluth hatte schon begonnen; sie fing an, ihn langsam gegen die Riffe zurück zu treiben, und erst wenn er die Höhe des zwischen Eimeo und Tahiti liegenden Meeresarms erreichte, mochte er darauf rechnen, durch die Strömung begünstigt zu werden.

      Von hier ab, wo er sich jetzt befand, konnte er aber die innere Bai in den Riffen von Eimeo nicht mehr übersehen, und doch rüstete sich dort ein kleines Canoe, um ihm hinaus auf die See zu folgen.

      Kaum war nämlich sein Fahrzeug hinter den Brandungswellen verschwunden, als Maita, von einer alten Frau gefolgt, wieder aus den Büschen trat und zu der Stelle hinabeilte, wo die beiden kleinen Canoes befestigt lagen. Sie hielt eine Ruthe in der Hand, an der etwa zwanzig oder dreißig kleine Fische hingen, und warf sie, dort unten angekommen, in eins der Fahrzeuge.

      „Und Du sendest mir das Canoe wieder zurück, Kind?" sagte die alte Frau besorgt. „Ich muß mich fest darauf verlassen können, denn es gehört dem Mitonare, und der würde entsetzlich böse werden, wenn er es erführe. Du weißt, Dein Vater steht sich nicht gut mit ihnen - er ist ein arger Trotzkopf und will nun einmal nicht glauben, was sie ihm vorerzählen."

      „Ihr könnt Euch darauf verlassen, Mutter, morgen Abend vor Sonnenuntergang wird es Anoui, mein jüngster Bruder, wieder hier an derselben Stelle angebunden haben."

      „Und Du willst in der Nacht fahren und ganz allein? Kind, Kind, in der Nacht hat ein junges Mädchen eigentlich nichts in den Binnenwässern zu suchen, ausgenommen, es fährt mit seinen Eltern auf den Fischfang. Bleib heut Abend bei /103/ mir, und morgen früh kannst Du, meinetwegen mit Tagesanbruch, Deine Reise antreten."

      „Ich muß fort, Mütterchen - es geht nicht anders," entgegnete Maita -- „kenne ich doch die Bahn, die ich zu nehmen habe, so genau, und der Vater möchte sich um mich sorgen."

      „Nun meinetwegen, Herz; Du folgtest überhaupt von klein auf nur Deinem eigenen Kopf - ich weiß es, was für Noth Deine Mutter mit Dir gehabt hat, also geh in des Himmels Namen! Was willst Du aber nur mit den Fischen? Deren giebt's doch bei Euch wahrhaftig genug. Hättest Du dafür lieber etwas mehr gegessen."

      „Ich danke Euch - ich bin satt - laßt mir die Fische und lebt wohl. Atua möge Euch für den Dienst segnen, den Ihr mir erzeigt."

      „Atua? oh mein süßer Heiland!" rief die alte Frau, „wenn das der Mitonare gehört hätte, und ich weiß nicht einmal, ob Dich sein Canoe trägt, sobald Du so gottlose Worte darin sprichst. Ach, was soll einmal aus Dir werden, wenn Du stirbst, Maita? - was soll nur einmal aus Dir werden? denke Dir, wenn Du für ewig in der Hölle braten müßtest, und der Mitonare schickt Dich hin, der Mitonare schickt Dich heilig hin!"

      Maita lächelte - es war das erste Mal, daß ihr Gesicht wieder einen freundlichen Ausdruck zeigte, und sie sah gar so lieb damit aus.

      „Sorgt Euch nicht um mich, Mütterchen," nickte sie, indem sie das Canoe vom Bande löste und hineinsprang, „der alte bleiche Mitonare wird wohl selber dorthin gehen müssen, wohin er geschickt wird, und niemand Andern senden können. Ich folge den Geboten der Götter, und sie werden mich schützen. - Joranna! Joranna!" und ihr Ruder einsetzend, glitt sie rasch über die unbewegte klare Wasserfläche, während die alte Frau ihr eine Weile kopfschüttelnd nachschaute und dann selber in ihre Hütte zurückkehrte. Es wurde dunkel, und sie konnte außerdem nicht viel mehr draußen erkennen.

      Indessen stand Maita in ihrem Canoe, das leicht und scharf gebaut war und rasch mit ihr über die Fluth schoß; /104/ aber sie handhabte ihr Ruder auch mit allen Kräften, als wenn es gälte, ein bestimmtes Ziel zu erreichen, nicht nur um in aller Ruhe nach Hause zurückzukehren. Die alte Frau würde sehr besorgt um sie gewesen sein, wenn sie gesehen hätte, daß sie nicht das Binnenwasser der Riffe hielt, in dem sie gefahrlos die ganze Insel umrudern konnte, sondern keck in ihrem schwanken Boot der Einfahrt entgegen hielt. Wollte sie wieder nach Tahiti hinüber?

      Jetzt hatte sie diese erreicht und hörte, aber nur wenige Secunden, mit rudern auf, um einen der größeren Fische von der Ruthe zu nehmen, den sie dann an ein Stück Bast band und über Bord warf. Der Bast war aber im Canoe selber befestigt, und der Fisch schleifte solcher Art im Wasser nach. Was wollte sie damit?

      Jetzt hatte sie das Ruder wieder aufgegriffen und arbeitete sich hinaus


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