Eine vernünftige Verbindung. Catherine St.John
„Das wäre wohl nicht das Problem, nur können wir das Schulgeld nicht aufbringen – und William ist wirklich ein kluger Junge, der eine angemessene Erziehung bekommen sollte.“
Miles trank einen Schluck Bier und betrachtete sein Gegenüber nachdenklich. Sie war keine Schönheit, sah aber angenehm aus, sie war schlicht, aber geschmackvoll gekleidet und hatte, soweit er es im Moment sehen konnte, eine hübsche Figur. Dem alten Teufel würde sie gefallen…
„Wie bitte?“ Miss Allington war erboste Röte ins Gesicht gestiegen.
Er erschrak. „Das habe ich jetzt aber nicht laut gesagt, oder?“
„Leider doch“, schnappte sie.
„Wer ist denn der alte Teufel?“, wollte William wissen, der sich wohl eine spannende Geschichte erhoffte.
Miles seufzte. „Mein Großvater. Ich habe ihn auf Eastley Hall besucht und er findet, ich sollte umgehend heiraten.“
„Ist das so schlimm?“
„Wie man es nimmt… bist du für eine solche Diskussion nicht noch ein bisschen zu jung?“
„William, deine lateinische Lektion!“, mahnte seine Schwester. „Geh hinauf und mach die Arbeit fertig, der Reverend will sie morgen sehen.“
William murrte pro forma, ging aber doch ohne weiteren Widerspruch, vor allem, als Miles sich bei ihm noch einmal für seine Hilfe bedankt hatte.
Sobald sich die Tür geschlossen hatte, sah Miss Allington Miles aufmerksam an. „Viele Eltern und Großeltern wünschen sich, dass ihre Kinder oder Enkel heiraten… sind sie alle deshalb alte Teufel?“
„Nein, sicherlich nicht. Der Wunsch ist ja ganz natürlich, nicht wahr?“
„Ja, vermutlich.“ Das klang etwas schwächlich.
„Ihr Vater wünscht sich nicht, dass Sie heiraten?“
„Ich glaube nicht, dass er meine – oder Williams – Existenz seiner Aufmerksamkeit wert findet. Dazu ist die Jagd nach diesem imaginären Herzogstitel wohl zu wichtig.“
Das hatte erstaunlich wenig bitter geklungen – eigentlich nur ein wenig, als sie von William gesprochen hatte.
„Das wäre aber doch seine Pflicht“, stellte er also streng fest. „Er macht sich gar keine Gedanken über seine Kinder?“
„Nein, absolut nicht.“
In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und ein älterer Herr im Schlafrock, eine Brille auf der Nase und ungekämmte Reste grauen Haupthaars rund um das faltige Gesicht, trottete herein. „Tee?“
Miss Allington goss ihm eine Tasse ein und reichte sie ihm. „Hier, Papa.“
Miles hatte sich artig erhoben und verbeugte sich nun. „Sir Charles, darf ich mich vorstellen?“
Sir Charles sah ihm einen Moment lang ins Gesicht, gab dann ein undefinierbares Geräusch von sich, griff mit der freien Hand nach einem Butterbrot von der Platte und verschwand wieder.
„Tut mir sehr leid, Mr. Easton, aber so ist er immer“, erklärte seine Tochter verlegen.
„Eigentlich seltsam“, fand Miles. „Ich könnte doch jemand sein, der einen wichtigen Stammbaum beschaffen könnte? Und dann ignoriert er mich?“
Miss Allington lachte auf. „Ganz recht! Manchmal frage ich mich allerdings, ob er noch selbst an seine Theorie glaubt. Vielleicht weiß er, dass es einen solchen Stammbaum gar nicht geben kann?“
„Und trotzdem hält er daran fest?“
„In Ermangelung einer anderen Wahnidee, wahrscheinlich. So kann er sich vorstellen, er sei ein großer Gelehrter, ein Historiker und Heraldiker. Aber eigentlich wollten Sie mir doch erklären, warum Ihr Großvater ein alter Teufel ist, nur weil er gerne eine Schwiegerenkelin hätte?“
„Und die zwei nötigen Urenkel“, grummelte Miles.
„Ach, Sie sollen die Linie fortsetzen?“
„Richtig. Er hat mir gedroht, wenn ich nicht bald „vernünftig“ werde, werde ich nur erben, was an den Titel gebunden ist, also ein praktisch unbewohnbares Stammschloss. Alles Schönere, also Eastley Hall und das gesamte Vermögen, fiele dann an einen braven Cousin.“
„Der schon zwei Erben in die Welt gesetzt hat, ich verstehe“, nickte Miss Allington.
„Aber nicht doch, er ist genauso unverheiratet wie ich, scheint aber auf unseren Großvater einen zuverlässigeren Eindruck zu machen als ich. Nun ja, James ist wohl wirklich harmlos – aber das bin ich doch auch?“
Miss Allington lachte wieder. „Sehen Sie mich nicht so auffordernd an, ich kenne Sie doch gar nicht! Dass Sie einen schönen Grauschimmel namens Dawn reiten und Ihr Großvater, der alte Teufel, Sie enterben will, ist noch kein umfassendes Charakterbild!“
„Sie formulieren das sehr hübsch, Miss Allington.“
„Danke schön. Noch ein Bier?“
„Danke, nein. Ich denke, ich sollte jetzt aufbrechen, wenn ich noch bei Tageslicht nach London kommen möchte. Aber ich habe vor, bald wieder vorbeizukommen, ich glaube nämlich, ich habe eine Idee, wie uns beiden – und William! - geholfen werden könnte.“
„Ach ja?“ Sie erhob sich und er tat es ihr gleich.
„Das erzähle ich Ihnen beim nächsten Mal, ich muss das alles noch durchdenken. Grüßen Sie den jungen William herzlich von mir! Ihrem Vater dürfte ein Gruß von mir wohl gleichgültig sein, nehme ich an?“
„Da gebe ich Ihnen Recht. Er hat sicherlich schon völlig vergessen, dass er vorhin hier einen Fremden gesehen hat. Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Heimritt.“
An der Tür küsste er ihr die Hand, was sie mit recht aufschlussreichem Erstaunen, aber guter Haltung quittierte.
Dawn blinzelte ihm satt und zufrieden entgegen und schnaubte leise, als Miles sich in den Sattel schwang.
Kapitel 3
Es war doch schon dunkel, als Dawns Hufe über das Pflaster von Piccadilly klapperten. Miles war so geistesabwesend, dass man von Glück sprechen konnte, dass Dawn den Heimweg auch alleine fand.
Schließlich blieb der Hengst in der Stallgasse hinter dem Haus stehen und gab ein mahnendes Geräusch von sich. Miles kehrte in die Wirklichkeit zurück, saß ab und rief einen Burschen aus dem Mietstall, der auch sofort kam und begann, das Pferd abzureiben. Miles steckte ihm noch eine Mohrrübe zu, klopfte ihm den Hals und begab sich in seine Wohnung, wo ihn sein Diener Nate empfing, ein kleiner, drahtiger Bursche, der ursprünglich aus dem East End stammte. „Willkommen zurück, Sir, hatten Sie einen angenehmen Aufenthalt?“
„Teils, teils“, seufzte Miles und trat ein, so dass Nate ihm Hut und Mantel abnehmen konnte. Schließlich kniete er vor ihm und zog ihm die Reitstiefel von den Füßen, nicht ohne das Leder misstrauisch zu inspizieren – nicht, dass der Herr einen Kratzer hineinpraktiziert hatte! Nein, alles tadellos…
„Werden Sie später noch ausgehen, Sir?“
„Ich glaube nicht, ich habe einiges zu überlegen. Bring mir einen Brandy und zwei Sandwiches ins Arbeitszimmer, Nate.“
Dort saß er dann, schaute gedankenvoll ins Kaminfeuer, nippte an seinem Brandy und dachte an den vergangenen Tag.
Der alte Teufel! Das war doch die reinste Erpressung! Würde er wirklich Eastley Hall dem kleinen Langweiler James vererben? Und er selbst bekäme nur diesen heruntergewirtschafteten Steinhaufen, Easton Manor? Aber der Alte war niemand, der leere Drohungen ausstieß…
Was beim Jupiter konnte ihn denn so verärgert haben? Miles war nun wirklich nicht der Enkel, der jede Woche beim Großvater auftauchte und um Geld bettelte! Er hatte ihn noch nie angebettelt. Gut, mit Ausnahme dieses einen