Eine vernünftige Verbindung. Catherine St.John

Eine vernünftige Verbindung - Catherine St.John


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mal eine Guinee erbettelt! Der Earl war steinreich, vermutete Miles. Man musste ja nur an Eastley Hall denken, an das Jagdhaus in Melton Mowbray, an Eastley House in Mayfair… und ein großes Vermögen in sicheren Staatspapieren musste er doch auch besitzen?

      Miles selbst hielt nicht viel von Staatspapieren – sicher waren sie, denn was sollte England schon zustoßen, wenn nicht einmal Boney es geschafft hatte? Die Rendite war freilich entsprechend dürftig… er selbst investierte lieber in vielversprechende Projekte wie Kanäle, Fabriken und landwirtschaftliche Neuerungen. Dabei riskierte man vielleicht mehr, aber dafür war der Gewinn auch höher, wenn man sich nicht gerade verspekulierte… Er konnte mit seinen Finanzen durchaus zufrieden sein, aber davon konnte er einen Steinhaufen aus dem sechzehnten Jahrhundert wohl kaum instandsetzen! Und obendrein eine Familie ernähren! Und das außerdem auf dem platten Land, wo man die neuesten Gerüchte und Projekte nicht zu hören bekam!

      Dieser alte Teufel… er hatte ihn wirklich im Würgegriff.

      Der Steinhaufen war allerdings nur etwa zehn Meilen vom Haus der Allingtons entfernt, also vielleicht knapp zwei Stunden von seiner Wohnung hier. Wenn er auf Easton Manor wohnen würde – besser gesagt: hausen, denn wohnen konnte man das ja kaum nennen – , könnte er doch vier-, fünfmal in der Woche in die Stadt reiten oder fahren, sich in den Clubs umhören, an der Börse vorbeischauen, Kontakte pflegen…

      Andererseits: heiraten?

      Warum trat ihm jetzt wieder diese Miss Allington vor Augen? Sie war nett, das konnte er nicht bestreiten. Sie verstand offenbar, aus wenig etwas zu machen. Sie kümmerte sich gut um ihren Bruder, der sie eindeutig sehr schätzte. Der Vater freilich war offenbar nicht recht bei Trost.

      Hatte er keine anderen Möglichkeiten? Was war mit seiner reizenden Christabelle, bei der sich allerdings manchmal fragte, ob sie wirklich auf diesen Namen getauft war? Und eine Tänzerin konnte er nun wirklich nicht heiraten! Zumindest war sie nicht das, was er dem alten Teufel präsentieren konnte. Im Steinhaufen konnte er sie sich auch nicht vorstellen: Die süße Christabelle, die so viel Sinn für Luxus hatte, würde sich da schön bedanken!

      Nur gut, dass diesen Luxus auch noch andere finanzierten – er selbst war wahrscheinlich der knickerigste unter ihren Verehrern.

      Wenn er heiraten sollte, war es mit solchen Amüsements ohnehin vorbei, denn so sahen seine Vorstellung einer guten Ehe nicht aus, auch wenn man aus vernünftigen Erwägungen heraus geheiratet hatte.

      Welche Frau würde sich für einen Mann interessieren, der möglicherweise nur ein verfallenes Herrenhaus erben würde – schließlich konnten ja immer noch die beiden Söhne ausbleiben, nicht wahr? Eine Countess werden: gut, aber dafür in einer Ruine hausen?

      Miss Allington freilich war ein solches Leben wohl schon gewöhnt…

      Sie war recht hübsch, sie war absolut nicht dumm und sie schien tatkräftig. Er wiederum hatte genug Geld, um William nach Eton zu schicken – und auch gute Beziehungen zu dieser Schule. Ob sie das überzeugen konnte?

      Und was würde Phoebe dazu sagen? Sie wohnte notgedrungen auf Eastley Hall und wurde von ihrer Gouvernante erzogen. Ab und zu schrieb sie ihrem großen Bruder und beklagte sich, wie langweilig es auf Eastley Hall sei, immer nur Unterricht und bestenfalls eine Stunde ausreiten pro Tag, Miss Primford sei aber eine so schlechte Reiterin, dass man nur im Schritt gehen könne. Nachbarn kämen auch nie zu Besuch, für Geselligkeiten sei sie noch zu jung, behaupte der Großvater, der sie überhaupt gar nicht verstehe…

      Der Gedanke an Phoebe sprach auch dafür, dass er wirklich über eine Heirat nachdenken sollte. Aber konnte er seine kleine Halbschwester mit ihren zwölf Jahren wirklich in den Steinhaufen holen?

      Konnte er über den Steinhaufen überhaupt verfügen? Falls nicht – wo sollte er mit seiner Frau, den erhofften zwei Söhnen und obendrein noch Phoebe und ihrer Gouvernante eigentlich wohnen? Die Wohnung hier war doch eher eine Junggesellenwohnung – ein Salon, ein Arbeitszimmer, ein Schlafzimmer, eine Küche und eine Kammer für Nate. Außerdem eine Badekammer und außerhalb der Wohnung ein Örtchen mit Wasserspülung, für jede Wohnung ein eigenes: vergleichsweise neuzeitlich.

      Wie sahen die sanitären Einrichtungen auf Easton Manor wohl aus? Vermutlich gab es dort nichts dergleichen…

      Wenn man ihm die Möglichkeit geben würde, könnte er da natürlich Abhilfe schaffen… aus dem Steinhaufen ein außen traditionsreiches und innen modernes und bequemes Haus zu schaffen, das hörte sich doch eigentlich recht reizvoll an…

      Er lächelte und nippte an seinem Brandy.

      Personal würde man dort brauchen. Nun, Nate natürlich. Und so etwas wie eine Köchin? Das wusste Miss Allington bestimmt besser als er. Nate konnte allerdings auch einigermaßen kochen…

      Also musste er den alten Teufel noch einmal ins Gebet nehmen, um die genauen Bedingungen festzulegen. Einen Hausstand in dieser kleinen Wohnung wollte er nicht einrichten – und in Eastley House durfte er seinen Wohnsitz bestimmt nicht aufschlagen.

      Und sobald der alte Earl einigermaßen brauchbare Regeln festgelegt hatte, würde er bei den Allingtons vorbeischauen. Hoffentlich war Miss Allington nicht allzu romantisch veranlagt, denn eine Liebesheirat konnte er ihr nicht bieten, wohl aber ein recht friedliches Zusammenleben und die Arbeit an einer gesicherten Zukunft, auch für den jungen William.

      Morgen würde er erst einmal seinen Vermögensstand ermitteln. Was nämlich, wenn der alte Teufel sich stur stellte und ihm außer dem Steinhaufen gar nichts überließ? Weil er vielleicht Miss Allington nicht akzeptieren wollte?

      Dann könnte er sich natürlich auch eine andere geeignete Frau suchen…

      Ach, Unsinn! Miss Allington schien ihm doch genau passend zu sein. Aber mit ihr in dem Steinhaufen zu hausen, war das wirklich eine so gute Idee? Dass er dann wenigstens auf genügend Rücklagen zurückgreifen konnte, um das Manor bewohnbar zu machen, wäre das doch einigermaßen beruhigend; er durfte sich eben nicht verspekulieren – aber das war ihm noch nie geschehen.

      Kapitel 4

      „Wer war das eigentlich?“, wollte William am nächsten Morgen von seiner Schwester wissen. Emily, die praktisch bis zur Taille im Vorratsschrank steckte, fragte nur: „Wen meinst du? Wir haben fast nichts mehr zu essen im Haus. Nur aus Mehl kann ich nun auch kein Brot backen. Gerade noch vier Eier… Kannst du bitte im Stall nachsehen, ob die Hühner gelegt haben?“

      „Aber danach erzählst du mir, wer der Mann gestern war, der mit diesem wunderschönen Grauschimmel?“

      „Mr. Easton? Sicher, soweit ich etwas über ihn weiß. So lange haben wir uns ja auch nicht unterhalten. Die Eier?“

      William griff nach einem Korb und verließ die Küche. Emily griff sich einen Lappen und wischte angesichts der guten Gelegenheit die nahezu leeren Fächer sorgfältig aus. Gute Gelegenheit? Ach, diese Gelegenheit hatte sie nur zu oft! Der Vater gab das wenige Geld, das er noch hatte, lieber für Abschriften dubioser Dokumente aus, die dann doch nie bewiesen, dass er der soundsovielte Herzog von Sherborne sein müsste.

      Es reichte kaum noch dafür, Deirdre zu bezahlen und für das Nötigste an Essen zu sorgen.

      Eine ferne Glocke schlug an und Emily seufzte, bevor sie ihre Hände abtrocknete und die Küche verließ.

      Das größte Zimmer im Erdgeschoss war – natürlich – das Arbeitszimmer. Papierstapel allenthalben, staubige Vorhänge, ein monströser (kalter) Kamin und mittendrin an dem übergroßen Schreibtisch, den niemand je hatte polieren dürfen, saß ihr Vater und linste ärgerlich zur Tür, nachdem er sein Einglas beiseitegelegt hatte. „Bekomme ich kein Frühstück?“

      „Gewiss, Vater. Es ist aber nicht mehr viel da. Tee, etwas Brot und ein Ei? Mehr habe ich nicht zu bieten.“

      „Warum nicht?“

      „Weil wir kein Geld mehr haben. Eier legen die Hühner, Brot kann ich noch etwa zweimal backen, Wasser kommt aus dem Brunnen.“

      Sir Charles winkte ab. „Wenn ich erst


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