TARZANS RACHE. Edgar Rice Burroughs

TARZANS RACHE - Edgar Rice Burroughs


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Dann trat er zurück und hob die Leiche in den Armen empor. Jetzt erst übermannte ihn der Schmerz. Laute unmenschlicher Wut, wilden Zornes und unbändigen Hasses brachen aus Tarzans Kehle hervor.

      Er warf einen Blick auf zerbrochene Waffen, ein zerschlagenes Feldglas und eine zertrampelte Mütze, die einer Soldatenmütze nicht unähnlich war. Er wusste sofort, wer dieses entsetzliche und völlig sinnlose Verbrechen begangen hatte.

      In stiller Trauer, mit aller Liebe und Andacht beerdigte Tarzan seine tote Frau in dem kleinen Rosengarten, der immer Jane Claytons Lieblingsplatz gewesen war. Neben ihr fanden die großen, schwarzen Krieger ihre letzte Ruhestatt, die ihr Leben im Kampfe für diese Frau gelassen hatten.

      An der einen Seite des Hauses entdeckte Tarzan ein frisches Grab, das nur oberflächlich zugeschüttet war. Die hier beerdigten Leichen bewiesen mit letzter Sicherheit, wer in seiner Abwesenheit die Farm in so gräulicher Weise überfallen hatte.

      Als die Sonne sank, befand sich Tarzan bereits auf der noch gut sichtbaren Fährte seiner Feinde. Nach und nach verwandelte sich seine dumpfe Trauer in das Gefühl eines unsagbaren Hasses, der hinfort seine Wege bestimmen sollte bis der letzte dieser Verbrecher seine Strafe erhalten hatte.

      Nachdem er nun die letzten äußeren Zeichen der Zivilisation abgeworfen hatte, verwandelte sich Tarzan in das Mensch-Tier zurück, als das er in der Wildnis aufgewachsen war. Die Regeln der Zivilisation, denen er sich aus Liebe zu seiner Frau unterworfen hatte, waren für Tarzan immer spürbare Fesseln gewesen. Zivilisation - dieses Wort bedeutete für Tarzan, den Affenmenschen, eine Beschneidung der Freiheit in allen Richtungen - Freiheit der Tat, Freiheit des Denkens, des Liebens und des Hassens. Er verabscheute Kleider. Sie waren ihm unbequem, lächerlich und unnütz. Kleider waren ihm der Ausdruck jener unsinnigen Ansicht, mit der die Zivilisation zu leben und zu sterben schien. Der Ansicht nämlich, dass man sich seines Körpers schämen müsse, den doch Gott zu seinem Ebenbilde geschaffen hat. Tarzan wusste auch wie blöd und dumm Tiere der niederen Gattungen aussahen, wenn man sie in menschliche Bekleidung steckte. Oft genug hatte er diesen scheußlichen Anblick im Zirkus erleben müssen, als er noch in Europa lebte. Der Affenmensch hatte von jeher Bewunderung gehegt für jeden wohlproportionierten, muskulösen Körper - ganz gleich ob es sich um Löwen, Antilopen oder Menschen handelte. Er hatte niemals begriffen, wie man Kleider für schöner halten konnte als eine reine, gesunde Haut. Oder wie man Jacke und Hose eleganter finden mochte als das weiche Spiel gerundeter Muskeln unter einer schmiegsamen Haut, die den gesunden Menschen auszeichnet.

      Im Leben der Zivilisation hatte Tarzan mehr Selbstsucht und Grausamkeit gefunden als in seinem heimatlichen, wilden Dschungel. Die Zivilisation hatte ihm eine geliebte Frau geschenkt und Freunde dazu, die er achtete und bewunderte. Dennoch war er niemals in ihr so heimisch geworden wie wir alle, die wir nichts anderes kennengelernt haben. Mit einer Art von Erleichterung warf Tarzan nun alles zivilisatorische Beiwerk ab und kehrte in den Dschungel zurück mit nichts als einem Lendenschurz und seinen Waffen.

      Das Jagdmesser seines Vaters hing an seiner Hüfte. Den Bogen und den Pfeilköcher hatte er über die Schulter genommen. Quer über die Brust, von einer Schulter zur anderen Hüfte unter dem Arm hindurch geschlungen, trug er das lange Gras-Tau. Ohne dieses Seil würde sich Tarzan nackter gefühlt haben als ein Mann, der plötzlich in Unterhosen auf einer belebten Straße steht. Ein schwerer Kriegsspeer, den er manchmal in der Hand, manchmal in einer Schlinge auf dem Rücken trug, vervollständigte seine Ausrüstung.

      Sein diamantbesetztes Medaillon mit den Bildern seiner Eltern, das er stets zu tragen pflegte, bis er es am Hochzeitstage Jane Clayton als kostbarstes Andenken überreichte, fehlte ihm. Seine Frau hatte es stets getragen. Aber er hatte es bei der Leiche nicht gefunden. Es war geraubt worden. Also verband sich nun sein Verlangen nach Rache mit dem Wunsch, das verlorene Kleinod zurückzugewinnen.

      Gegen Mitternacht begann Tarzan zu fühlen, dass sogar seiner übermenschlichen Muskelkraft Grenzen gesetzt waren. Während der ersten Stunden seines Marsches war er zu sehr in Trauer, später in Rachegedanken versponnen gewesen. Jetzt erst spürte er die erste Müdigkeit. Aber immer noch erfüllten ihn die Gedanken an eine furchtbare Rache, bei der er sich nicht mit dem Satz Auge um Auge, und Zahn um Zahn zufrieden geben würde.

      Innerlich und äußerlich hatte sich Tarzan zum Tiermenschen zurückverwandelt. Im Leben eines Tieres aber spielt die Zeit eine untergeordnete Rolle. Das Tier lebt vollkommen nur im Jetzt. Der Affenmensch hatte nach seinen Erfahrungen in der Zivilisation natürlich ein gewisses Zeitempfinden gewonnen. Aber genau wie ein Tier bewegte er sich ohne erkennbare Eile auf der Fährte vorwärts.

      Tarzan orientierte sich kurz im Busch und schlug dann die Richtung nach einem riesigen Baum ein, in dessen Krone er mehr als eine Nacht zugebracht hatte.

      Dunkle Wolken jagten über den Himmel. Von Zeit zu Zeit enthüllten sie das bleiche Antlitz Goros, des Mondes. Der Affenmensch wusste, dass ein Sturm aufkam, auch wenn sich im Dschungel noch kein Blatt rührte. Tiefe Dunkelheit war ringsumher. Doch Tarzan setzte ohne Zögern seinen Weg fort, wenn auch mit höchster Wachsamkeit.

      Mit leichtem Sprung schwang sich Tarzan in einen Baum und setzte den Weg durch die unteren Lagen der Äste fort. Seine feine Nase hatte ihm verraten, dass Numa, der Löwe, weiter vorn auf dem Pfad auf Beute lauerte. Zur Erde zurückgekehrt, sprang der Affenmensch eine Meile weiter plötzlich mit lautlosem Satz seitwärts in die Büsche, um Buto, dem Rhinozeros, den Weg freizugeben. Tarzan nahm jeden Kampf auf, der ihm unumgänglich erschien. Aber er vermied unnötigen Streit, so lange es ging.

      Schließlich fand er den Baum, der ihm Nachtquartier gewähren sollte. Hand über Hand greifend schwang er sich in den Ästen empor. Der Mond hatte sich hinter einer dicken Wolke verkrochen. Die Kraft des Windes nahm zu und ließ die Äste wild schwanken. Das Sausen des Sturmes erstickte alle anderen Geräusche im Busch. Immer weiter stieg Tarzan hinauf zu einer gewaltigen Astgabel, in die er vor langer Zeit eine Plattform aus trockenen Zweigen gebaut hatte. Die Dunkelheit nahm immer noch zu, je stärker die Wolkenschicht vor dem Mond wurde.

      Der Affenmensch hielt im Klettern inne. Mit bebenden Nasenflügeln sog er die Düfte um sich hei; ein. Plötzlich warf er sich mit der Schnelligkeit einer riesigen Katze weit hinaus auf einen im Sturm schwankenden Zweig, sprang ins Dunkel hinauf und ergriff den nächsten Ast, dann noch einen und noch einen, bis er weit oben abermals innehielt.-

      Was hatte Tarzan veranlasst, seinen geruhsamen Aufstieg in der Nähe des sicheren Stammes plötzlich zu unterbrechen und dann einen gefährlichen Umweg durch die äußeren Äste zu nehmen? Kein menschliches Auge hätte in dieser Finsternis etwas zu unterscheiden vermocht. Nicht einmal die kleine Plattform, die sich einen Augenblick zuvor noch dicht über Tarzan befunden hatte und die jetzt schon ein beträchtliches Stück unter ihm lag. Man hörte ein drohendes Fauchen und als der Mond hinter einer Wolke für Sekunden hervortrat, ließ sich auf der Plattform ein dunkler Körper erkennen. Es war Sheeta, der Panther.

      Der Affenmensch beantwortete das Fauchen der Katze mit einem gereizten Knurren, das grollend aus seiner mächtigen Brust stieg. Es war ein warnendes Knurren, um dem Panther klar zu machen, dass er sich in einem fremden Lager befand, wo er nichts zu suchen hatte. Aber Sheeta war nicht geneigt, den guten Platz ohne weiteres aufzugeben. Den schönen Kopf nach oben gerichtet, fauchte er zu dem großen, braunhäutigen Tarmangani hinauf.

      Ganz langsam bewegte sich der Affenmensch dem Stamme zu, bis er sich direkt über dem Panther befand. In der Hand hielt er das Jagdmesser seines längst verstorbenen Vaters - jenes Messer, das ihm zu einem ersten Aufstieg über die Tiere des Dschungels verholfen hatte. Er hoffte indessen, dass er es nicht würde gebrauchen müssen. Denn Tarzan wusste gut, dass mehr Streitigkeiten im Dschungel mit wildem Fauchen und Knurren als mit tatsächlichem Kampf ausgetragen werden. Nur wenn es um das Fressen ging oder um ein Weibchen, griffen die großen Tiere einander mit Fängen und Tatzen an.

      Tarzan stemmte sich fest gegen den Stamm des Baumes und lehnte sich näher zu Sheeta herab.

      Der Panther setzte sich auf. Seine entblößten Reißzähne glänzten nur wenige Fuß vom höhnisch verzogenen Gesicht des Affenmenschen entfernt. Tarzan knurrte und fauchte wild. Einmal schlug er mit dem Messerrücken nach dem Gesicht der großen Katze.

      »Ich


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