Der Wüstensklave. J. D. Möckli

Der Wüstensklave - J. D. Möckli


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Nun lass uns reingehen, wir werden sicher schon erwartet.«

      Kai nickt und geht zur Tür. Als er die Hand hebt und anklopfen möchte, wird diese aber schon geöffnet.

      »Da seid ihr ja. Ich dachte schon, dass euch der Schnee gefressen hat.« Grinsend lässt Yusaku die drei eintreten und nimmt Jamon den Korb ab. »Na los, ab nach oben mit euch. Wir haben im Wohnzimmer den Ofen angefeuert und einen kleinen Schrein aufgestellt. Wenn es euch recht ist, bitten wir hier um Glück fürs neue Jahr und gehen nicht durch den Schneesturm zum Tempel«, erzählt Yusaku ihnen, während sie nach oben in die Wohnung gehen, wo sie schon von Aja und Rashid erwartet werden.

      »Jungs, ihr habt es also doch noch hergeschafft. Ich fürchtete schon, ihr bleibt bei dem Wetter zu Hause.« Stürmisch umarmt Aja Kai und drückt ihn an sich, ehe sie auch Ren umarmt und sogar Jamon kurz an sich zieht.

      Noch immer mag er es nicht, von jemand anders als Kai oder Ren umarmt zu werden, dennoch legt er die Arme schnell um sie, ehe er zurücktritt und sich in dem gemütlichen Wohnzimmer umsieht. »Ich dachte, wir sind heute mit Dekorieren dran?«

      Grinsend kratzt sich Yusaku am Hinterkopf und zuckt dann mit den Schultern. »Ja, eigentlich schon, aber irgendwie waren wir nach dem Schreinaufstellen gerade so schön in Fahrt und haben gleich weitergemacht.«

      Vielsagend hebt Rashid eine Augenbraue an. »Meister Yusaku will nur nicht zugeben, dass Miss Aja ihn zum Aufräumen gezwungen hat, weil hier nach dem Aufbau ein gewaltiges Chaos geherrscht hat«, flüstert er Jamon zu, der sich nur mit Mühe ein lautes Lachen verkneifen kann.

      »Wieso erstaunt mich das nicht?«, erwidert er grinsend und zieht sich die Jacke aus.

      »Großvater, Sharik, gebt mir doch eure Jacken, wenn ihr jetzt hierbleibt.« Mit den Jacken geht er mit Rashid rüber ins Badezimmer, wo er sie dem großen Ägypter reicht, der sie in der Nähe des Ofens aufhängt, damit sie trocknen können. Da bemerkt Rashid die Flecken in Jamons Jacke und nimmt sie wieder vom Haken. »Ich wasche die schnell, dann ist sie trocken, bis ihr geht.«

      Erstaunt nickt Jamon. »Danke, aber das ist doch nicht nötig«, erwidert er perplex. »Großvater wollte das beim nächsten Waschtag machen.«

      Das Wasser in die Wanne laufen lassend, sieht Rashid ihn an. »Die Jacke ist vom Schnee nass geworden, also kommt es jetzt auch nicht mehr darauf an und die Flecken gehen jetzt noch besser raus.«

      »Verstehe«, murmelt Jamon und sieht zu, wie Rashid gekonnt einen Fleck nach dem anderen aus dem weißen Stoff wäscht und die Jacke dann sorgfältig noch einmal ausspült, ehe er sie neben dem Ofen aufhängt.

      »Es ist schon interessant. Meister Yusaku ist nicht gläubig, aber dennoch ist dieses Ritual an Silvester für ihn sehr wichtig und er war richtig betrübt, als sich das Wetter verschlechtert hat und Miss Aja meinte, dass sie hierbleiben sollten.« Rashid hat den Stoff noch einmal glatt gestrichen und dreht sich jetzt zu Jamon um. »Was ist mit dir? Glaubst du an die Götter? An Ra, dessen Sohn du bist? Und an die anderen?« Fragend sieht er den kleineren Mann an, der ernst zur Seite blickt und dann den Kopf schüttelt.

      »Nein, ich glaube nicht an sie. Für viele ist der Glaube an sie ein Trost, aber das war er für mich nie und ich habe zu viel gesehen, als dass ich an so eine höhere Macht glauben könnte.«

      Ernst nickt Rashid. »Das tut mir für dich leid. Für mich waren sie in den schweren Zeiten immer ein Pol der Hoffnung und schließlich haben sie meine Gebete erhört und mich zu einem gütigen Meister geführt. Dafür werde ich ihnen auf ewig dankbar sein.« Lächelnd legt Rashid die Hände auf Jamons Schultern. »Ich weiß, dass du durch deine Herkunft viel mehr weißt als ich und ich wohl nie verstehen werde, wie du wirklich zu den Göttern stehst, aber auch wenn du nicht an sie glaubst, so sind sie dennoch bei dir. Sie haben dir eine schwere Prüfung auferlegt und werden dir noch mehr auferlegen.« Ernst sieht er in diese Augen, die ihn tief in seinem Innern mit Ehrfurcht erfüllen und in die er unter anderen Umständen nie hätte schauen dürfen.

      Fest erwidert Jamon den Blick und legt die Hand auf die von Rashid. »Danke dir. Lass uns zu den anderen gehen.« Bewusst klärt er ihn nicht darüber auf, wie der Glaube des Volkes von seiner Familie über die Jahrhunderte hinweg instrumentalisiert worden ist und wie auch die früheren Pharaonen teilweise ihre Macht im Namen der Götter missbraucht haben.

      Gemeinsam gehen sie ins Wohnzimmer, bleiben aber stehen, kaum dass sie den Raum betreten haben. Jamon und Rashid beobachten schweigend, wie ihre Freunde und Familie mit gesenkten Köpfen vor dem kleinen improvisierten Altar stehen. Obwohl er weiß, dass keiner von ihnen gläubig ist, kann er spüren, dass ihnen dieser Moment des Innehaltens wichtig ist.

      Schließlich klatschen sie dreimal in die Hände, ehe sie sich umwenden und lächelnd zu Jamon und Rashid blicken.

      »Da seid ihr ja wieder. Wir sind hier soweit fertig. Wollen wir jetzt zu Abend essen?« Kai tritt auf seinen Liebsten zu und haucht ihm einen Kuss auf die Lippen. »Ich weiß, dir bedeutet das nichts, aber vielleicht willst du auch einen Moment innehalten«, raunt er ihm leise zu und legt ihm dabei die Hand auf die Wange. »Es tut unglaublich gut. Selbst wenn man nicht an die Götter glaubt.«

      Jamon schmiegt seine Wange in die warme Handfläche. »Sharik, ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich weiß zu viel«, murmelt er betrübt, löst sich dann aber doch von ihm und geht zu dem kleinen Schrein, vor dem die Räucherstäbchen immer noch ihren wohlriechenden Rauch aufsteigen lassen.

      Lange blickt er auf die schon beinahe hypnotischen Bewegungen der kleinen Rauchsäulen und bemerkt nicht, dass die anderen ihn allein lassen und leise in die Küche gehen. Erst als der Wind am Fenster rüttelt, erwacht Jamon aus seiner Trance und wendet sich um. Die Stirn runzelnd bemerkt er, dass er allein ist, und geht zur Tür. Dort bleibt er stehen und neigt lauschend den Kopf. Leise hört er Stimmen aus der Küche und folgt ihnen, bis er den wärmsten Raum der Wohnung betritt.

      »Da seid ihr ja. Tut mir leid, ich wollte euch nicht aus dem Wohnzimmer vertreiben.« Mit einem schuldbewussten Blick geht er zu seinem Sharik und legt ihm die Hand auf die Schulter.

      Lächelnd legt Kai seine Hand auf die seines Liebsten und schüttelt den Kopf. »Du hast uns nicht vertrieben. Wir wollten dir einen Moment Ruhe gönnen und haben uns hier gut unterhalten. Jetzt sollten wir aber langsam mal die Häppchen von Großvater zu Ajas Köstlichkeiten stellen und es uns im Wohnzimmer am Kaminfeuer gemütlich machen.«

      Mit einem schiefen Grinsen, da sein Magen wie auf Kommando knurrt, nickt Jamon und schnappt sich zwei der Teller, auf denen die Häppchen angerichtet sind.

      Gemeinsam gehen sie mit den gefüllten Tellern zurück ins Wohnzimmer und setzen sich auf das Sofa und die Stühle, die in einem Halbkreis um den Kamin und den niedrigen Couchtisch aufgestellt sind.

      Obwohl Jamon angesichts des Feuers nervös ist, lehnt er sich neben Kai zurück und lauscht den Gesprächen der anderen, ohne die Worte jedoch bewusst wahrzunehmen.

      Nachdem er sich satt gegessen hat, lehnt er sich an seinen Sharik. Plötzlich müde legt er den Kopf auf dessen Schulter und ist kurz darauf eingeschlafen.

      Kai blickt schmunzelnd zu seinem schlafenden Liebsten. »Er war die ganze Zeit über so angespannt. Kein Wunder, dass er jetzt so müde ist«, murmelt er leise und konzentriert sich dann wieder auf Yusaku. »Wir wissen nicht, wie es genau weitergeht. Jetzt, da er sich an seine Vergangenheit erinnert. Wir nehmen jeden Tag, so wie er kommt. Etwas anderes bleibt uns ja nicht übrig. Und noch kämpft Jamon ja mit den Erlebnissen nach seiner Versklavung.«

      Ernst nickt Yusaku und nimmt einen Schluck von seinem Tee. »Das kann ich mir lebhaft vorstellen. Kriegt er immer noch Panik, wenn man Liebe sagt?« Neugierig mustert er Jamon, der im Schlaf so entspannt wirkt, wie er ihn noch nie gesehen hat.

      Tief seufzend streicht Kai eine Strähne aus dem Gesicht seines Liebsten. »Er vermeidet das Wort, wo er nur kann, und wir lassen es nicht darauf ankommen. Er bestimmt das Tempo und ehrlich gesagt, habe ich mich inzwischen daran gewöhnt, es in dem Zusammenhang, mit dem er Probleme hat, nicht zu benutzen.«

      Ungläubig schüttelt Yusaku den Kopf. »Das kann ich


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