Sex. Dr. Jack Morrison

Sex - Dr. Jack Morrison


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weil wir die Absichten des anderen nicht kennen, aber auch weil wir keinen richtigen Verhaltenskodex mehr haben, der uns sagt, wie wir einander den Hof machen sollen. Wir verstehen nicht richtig, was der andere uns sagen will und welche Absichten er hat. Wir kennen auch das Ziel einer Beziehung nicht genau. Ist es nur Sex? Ist es was erntest, ist es was anderes? Das Ziel einer Beziehung ist also die ganze Zeit sehr ungewiss. Außerdem ist es schwierig für uns die richtige Balance zwischen Unabhängigkeit und Abhängigkeit zu finden. Aus diesen Gründen sind heutige Liebesbeziehungen sehr unsicher geworden. Wir wünschen uns also Klarheit, den Klarheit hilft uns diese Unsicherheit zu bekämpfen. Unsicherheit macht Angst. Heute lösen Liebesbeziehungen viel mehr Ängste aus als früher, weil sie unsicherer geworden sind.

      Es wieder Zeit das du dich unterwirfst. Leidenschaftliche Liebe hat damit zu tun, du musst lernen dich wieder zu unterwerfen. Versuche die Souveränität und das autonome im Alltag abzulegen

      Autonomie lernen wir in der Schule. Es ist die wichtigste Haltung, die wir Kindern heute beibringen. Und die Erwachsenen trainieren mittels psychologischer Ratgeber, gute und rationale Entscheidungen zu treffen. Wir bringen den Kindern bei sich nicht von anderen abhängig zu machen und schnell erwachsen zu werden. Wir vertreten die Idee der Freiheit, man muss sein eigener Herr und Meister sein, seine Emotionen beherrschen und eigene Entscheidungen treffen und zu dem streben wir das an, was wir Mündigkeit nennen oder psychische Gesundheit, auch eine Art von Unabhängigkeit. Wir wollen nicht von anderen abhängig sein. Andererseits geht es aber in einer Liebesbeziehung gerade darum sich abhängig zu machen, deshalb ist die entscheidende und schwierigste Frage, die sich uns in Liebesbeziehungen stellt: Wann geben wir unsere Unabhängigkeit auf? Aber wir denken an die Liebe, die Liebe unter Gleichen, wir machen uns gerade nicht abhängig, wir lassen einander frei! Ich denke, dass dies ein starker Widerspruch zur Leidenschaft steht.

      Wir müssen verstehen, was mit dem Modell der Leidenschaft aus dem neunzehnten Jahrhundert mit dieser leidenschaftlichen Liebe gemeint ist, denn wir sind uns als leidenschaftliche Liebhaber unserer Gefühle sehr bewusst, wissen aber auch dass diese eine eigene Kraft haben und den eigenen Willen so beherrschen, das wir nicht mehr unseren eignen Herrn und Meister sind. Wir sind nicht mehr bei Vernunft und unterwerfen uns tatsächlich den Willen eines anderen. Als ob die Liebe etwas wäre, was außerhalb von uns agiert, wie ein ungezogenes Kind, was sein Spiel mit uns treibt. Wir haben also keine Kontrolle über uns. Es unterscheidet sich grundlegend von unserem Ideal der Unabhängigkeit und Selbstkontrolle, dass in der heutigen Kultur vorherrscht. Ich würde behaupten, dass heute viel psychologischer Aufwand betrieben wird, damit wir unseren Liebespartner besser wählen, im Hinblick auf ein Ideal der psychischen Gesundheit und der Vernunft. Dieses Phänomen kommt immer mehr auf, deshalb entstehen Roman wie Shades of Grey, es steckt viel mehr Psychologie dahinter als man denkt. Ich denke am meisten sagt uns der Roman über die heutige Stellung der Sexualität und zwar das Sex und sexuelle Leistung wichtig sind für eine gute Liebesbeziehung.

      Es ist eine Bestandsaufnahme unserer sexuellen Kultur, wie ich sie nennen würde und zeigt die heutige Bedeutung der sexuellen Leistung. Anders gesagt, während wir anfangs des zwanzigsten Jahrhunderts die Sexualität befreien wollten, also gleiche Normen für Männer und Frauen schufen. Ebenso wurde gefordert das die Sexualität nicht mehr stigmatisiert wird, sind wir heute in einem anderen Stadium. Natürlich setzen wir voraus, dass die Sexualität befreit wurde, dass sie offener wurde. Vieles in der heutigen Kultur sagt uns, dass eine gute Liebesbeziehung durch gute Sexualität erhalten bleibt. Das Männer und Frauen sie auf hohem Niveau beherrschen, sich gegenseitig beherrschen und richtige Experten sein müssen. Schade denken wir so, denn so wird unsere sexuelle Kultur zu einer Leistung und schlussendlich zu einer Belastung. Somit haben wir eine Ambivalenz was die heutige Sexualität angeht. Intimität und große Liebe, wird durch großartigen Sex erzielt. Was für uns heute anders ist, als früher sind einige Dinge. Zuerst einmal ist sind wir miteinander anders umgegangen. Ich denke der Mann hat viel gesagt, wie wunderbar dir Frau ist, wie toll sie aussieht und das gleiche gilt für die Frau. Sie war sehr loyal, machte den Haushalt und kümmerte sich vorsorglich um alle Kinder. Man gehörte in gewisse höheren Verhaltens-und Charakternormen an, die einem wichtig waren. Anders als wir heute erwartete man deshalb keine Bestätigung vom anderen.

      Man gehörte früher einer Gemeinschaft mit gemeinsamen Wertvorstellungen an. Während sich heute Einzelpersonen in einer individualisierten Gesellschaft begegnen. Sich langsam kennenlernen und gegenseitig unterstützen. Aber es gibt noch weitere interessante Unterschiede. Man sagte früher auch das was man fühlte, bevor man eine Person überhaupt richtig kennen gelernt hatte. Man hatte noch keine Ahnung, was das gegenüber für einem empfindet und doch spüre man, dass es das Liebste im Leben sein kann. Das ist völlig anders, als für uns heute. Wir brauchen mindestens zehn Jahre gemeinsamen Lebens, um das zu jemandem sagen zu können. Um dann diese Gewissheit bezüglich deiner Gefühle zu erhalten. Früher wusste man nicht, ob man die Person liebt oder lieben wird, aber es war einem vollkommen klar, was man empfindet.

      Bemerkenswert sind auch wie früher die Frauen reagierten: „Bis gestern wusste ich nicht, dass ich dich liebe, aber jetzt weiß ich es“. Plötzlich hatten diese Frauen eine Offenbarung. Mit einem Schlag wusste eine Frau was sie für den einen Mann empfindet, ohne Ambivalenz, ohne Bedenkzeit, ohne dass Sie zu einem Psychologen gehen muss, um sich über Gefühle klar zu werden. Sie wussten es einfach, dass Sie Ihn liebt. All dies zeigt, das romantische Liebe keine lange Selbstanalyse voraussetzt. Sie gehorcht bestimmten Regeln und wird von den Liebenden klar und ohne Ambivalenz gespürt. Doch das widerspiegelt einen ganz anderen Umgang mit Romantik, als wir es heute haben und kennen.

      Ich denke, dass wir heute in der Liebesbeziehung vor allem das suchen, was man Anerkennung nennt. Wir wollen genauso akzeptiert werden, wie wir sind. Weil wir Beziehungen eingehen in einer Gesellschaft, in welcher der Liebesmarkt hart umkämpft ist und in der wir ständig bewertet werden. Man gibt uns ständig zu spüren, ob wir gut oder schlecht sind.

      Wir wünschen uns aber heute eine Liebesbeziehung, in der wir nicht mehr bewertet und beurteilt werden, denn wir stehen ständig in Konkurrenz zu anderen und versuchen besser als andere zu sein, sogar besser als wir selber. In der Liebesbeziehung wünschen wir uns, dass diese Konkurrenzspirale gestoppt wird. Wir wollen viel mehr, wie Psychologen sagen, anerkannt werden für was wir sind, für unser selbst. Wenn unser Lebenspartner perfektionieren wollte, würden wir uns nicht akzeptiert finden. Wir empfänden es als Bewertung und Verurteilung.

      Ich denke auch, dass es früher nicht allzu stark um Anerkennung ging, in Gesellschaften in denen die Menschen, um ihre soziale Stellung und Klasse wussten und letzteres weniger verhandelbar war als heute. Anerkennung ist kein Problem, wenn du weißt wer du bist. Wenn du deine soziale Stellung kennst und somit weißt, was von dir erwartet wird. Deshalb waren in älteren Gesellschaften Liebesbeziehungen nicht belastet durch die Erwartungen der gegenseitigen Anerkennung. Nicht weil die Menschen weniger Anerkennung bekommen, sondern weil sie weniger Anerkennung brauchen. Ihre soziale Klasse und Rolle waren nicht verhandelbar. Wenn diese Dinge verhandelbar werden, wenn also die Frage nach dem eigenen Wert nicht klar beantwortet wird. Wenn der Wert davon abhängig ist, wie du dich verhältst, wie du sprichst, was du sagst, wie du es sagst und dies an einer Prüfung abschneidest, wie gut deine beruflichen und sexuellen Leistungen sind, dann fühlst du dich unablässig bewertet und musst sich ständig beweisen und prüfen. Ich würde sagen, das ist ein Hauptaspekt der heutigen Identität. Man wird ständig beurteilt und bewertet.

      Eigentlich ist es ein Widerspruch. Auf der einen Seite fällt es uns heute schwer uns zu unterwerfen uns auch abhängig zu machen voneinander, weil wir autonom sein wollen und gleichzeitig ist das so, dass wir in der Beziehung so viel Anerkennung suchen, wir wollen dauernd geliebt und bestätigt werden vom Partner, also machen wir uns auf der anderen Seite aber auch aktiv abhängig von der psychologischen Anerkennung.

      Deshalb sind wir in Liebesbeziehungen mit so vielen Unsicherheiten konfrontiert. Zeige ich zum Beispiel zu viel oder nicht genug Liebe? Bin ich zu kalt? Bin ich zu kontrolliert? Eine der Hauptvorwürfe von Frauen an Männer ist: Sie seien zu autonom, zu beherrscht. Sie würden ihre Gefühle zu wenig ausdrücken. Während Frauen dazu erzogen werden ihre Gefühlswelt mehr zu offenbaren. Wie gehen wir also mit der Spannung zwischen männlicher Autonomie und weiblicher Expressivität um?

      Interessant


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