Krieg und Frieden. Лев Толстой

Krieg und Frieden - Лев Толстой


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so sagt man, und dabei läßt man ihm keine Minute Ruhe«, sagte Peter, der sich innerlich fragte, zu welcher Partei dieser junge Mann gehören möge. Boris sah, daß Peter ihn nicht erkannte, hielt es aber für überflüssig, sich zu nennen, und blickte ihm offen ins Auge.

      »Der Graf Rostow ladet Sie ein, heute bei ihm zu speisen«, sagte er nach längerem Schweigen, welches Peter peinlich zu werden begann.

      »Ah, der Graf Rostow!« rief Peter vergnügt, »dann sind Sie also sein Sohn? Denken Sie, ich habe Sie nicht wiedererkannt.«

      »Sie irren sich«, erwiderte Boris mit spöttischem Lächeln, »ich bin Boris, der Sohn der Fürstin Drubezkoi.«

      »Ach, wirklich! Ist das möglich? Ich habe so viele Verwandte in Moskau …. Sie sind also Boris? … Nun gut. Was sagen Sie zu Napoleons Expedition von Boulogne? Den Engländern wird es schlecht gehen, wenn es Napoleon gelingt, über den Kanal zu kommen.«

      »Hier in Moskau fragt man wenig nach Politik«, erwiderte Boris, »man spricht nur von Ihnen und dem Grafen! Jeder will wissen, wem der Graf sein Vermögen vermachen wird, und wer weiß, ob er uns nicht alle enttäuschen wird! Was mich betrifft, ich wünsche ihm das Beste.«

      »Ja, es ist traurig, sehr traurig«, stotterte Peter, der eine delikate Frage vorauszusehen glaubte.

      »Und Sie können glauben«, begann Boris wieder, indem er leicht errötete, »daß jeder danach trachtet, etwas von dem Millionär zu erhalten.«

      »Aha, da kommt es«, dachte Peter.

      »Aber ich muß Ihnen sagen, um jedes Missverständnis zu vermeiden, daß Sie sich sehr täuschen würden, wenn Sie meine Mutter und mich zu diesen Leuten rechneten. Ihr Vater ist sehr reich, und wir sehr arm, und darum eben habe ich ihn nie als einen Verwandten angesehen. Weder meine Mutter noch ich werden jemals ihn um etwas bitten oder etwas von ihm annehmen.«

      Peter bedurfte einiger Zeit, um das zu verstehen. Plötzlich ergriff er lebhaft und wie immer mit linkischer Gebärde die Hand des jungen Offiziers.

      »Seltsam!« rief er. »Könnte man glauben, daß ich … oder daß … Ich weiß sehr wohl …«

      »Ich bin froh, daß ich Ihnen das gesagt habe! Entschuldigen Sie mich, wenn Ihnen das unangenehm war. Mein Grundsatz ist, immer aufrichtig zu sein! … Aber was soll ich Rostow antworten, werden Sie kommen?«

      Nachdem Boris sich auf diese Weise aus einer schwierigen Situation befreit hatte, wurde er nach vorübergehender Verwirrung wieder unbefangen und liebenswürdig wie gewöhnlich.

      »Hören Sie«, sagte Peter beruhigt, »Sie sind ein merkwürdiger Mensch! Was Sie eben gesagt haben, war sehr gut! Sie kennen mich nicht, das ist natürlich. Wir haben uns so lange nicht wiedergesehen. Damals waren wir noch Kinder, deshalb hätten Sie glauben können … ich verstehe Sie sehr gut … Ich hätte nicht den Mut gehabt, das zu tun, aber es war doch sehr gut! – Ich bin entzückt, Ihre Bekanntschaft zu machen. Nun, wir werden uns noch besser kennenlernen, nicht wahr? Ich bitte Sie darum!« Er drückte ihm die Hand. »Wissen Sie, daß ich den Grafen noch nicht gesehen habe? Er hat mich nicht rufen lassen! … Was ist zu machen? Sie glauben also wirklich, Napoleon werde Zeit haben, über den Kanal zu setzen?«

      Er war mitten in einer Erklärung über die Vorteile der Expedition von Boulogne, als ein Diener kam, um Boris zu benachrichtigen, daß seine Mutter abfahren wolle. Boris nahm Abschied von Peter, der ihm mit freundlichem Händedruck versprach, zum Diner zu Rostow zu kommen. Lange ging er im Zimmer auf und ab, jetzt aber ohne unsichtbare Feinde zu durchbohren. Er empfand, ohne Zweifel infolge seiner Jugend und seiner vollständigen Vereinsamung, ein zärtliches Gefühl für diesen intelligenten und sympathischen jungen Mann und nahm sich vor, nähere Bekanntschaft mit ihm zu machen.

      Der Fürst Wassil begleitete die Fürstin zum Wagen, welche ihr von Tränen überströmtes Gesicht mit dem Taschentuch bedeckte.

      »Es ist schrecklich«, murmelte sie, »aber ich werde dennoch meine Pflicht bis zum Ende erfüllen. Ich werde wiederkommen, um hier die Nacht zuzubringen. Man darf nicht länger zögern, jeder Augenblick ist kostbar. Ich begreife nicht, warum die Nichten noch warten. Mit Gottes Hilfe wird es mir gelingen, ihn vorzubereiten … Adieu, Fürst, Gotte erhalte Sie!«

      »Adieu, ma chère«, wiederholte der Fürst nachlässig.

      »Sein Zustand ist sehr traurig«, sagte unterwegs die Fürstin zu ihrem Sohn, »er erkennt niemand mehr.«

      »Ich kann mir kein Bild davon machen, wie er mit Peter steht.«

      »Das Testament wird alles offenbaren, und auch unser Schicksal wird davon abhängen.«

      »Aber warum glaubst du, daß er uns etwas vermachen wird?«

      »Ach, mein Kind, er ist so reich und wir so arm!«

      »Dieser Grund scheint mir nicht überzeugend, Mama!«

      »Mein Gott, mein Gott, wie krank er ist!« wiederholte die Fürstin.

      17

      Als die Fürstin mit ihrem Sohn die Gräfin Rostow verlassen hatte, um den Besuch zu machen, versank die letztere in tiefe Gedanken und wischte von Zeit zu Zeit ihre von Tränen erfüllten Augen. Endlich klingelte sie.

      »Ich lasse den Grafen bitten, zu mir zu kommen.«

      »Ach, ach, meine kleine Gräfin, die Haselhühner in Madeira werden vorzüglich sein!« rief der Graf, als er sich furchtsam seiner Frau näherte. »Der Koch erhält seine tausend Rubel nicht umsonst, er ist sein Geld wert.« Er setzte sich.

      »Was willst du, meine kleine Gräfin?«

      »Höre, mon ami! Aber was ist das für ein Flecken?« sagte sie streng, indem sie mit dem Finger auf die Weste deutete. »Wahrscheinlich von den Haselhühnern«, bemerkte sie lächelnd. »Siehst du, Graf, ich muß Geld haben!«

      Das Gesicht des Grafen verlängerte sich, er suchte hastig nach seiner Brieftasche.

      »Ich brauche viel, fünfhundert Rubel«, bemerkte sie, indem sie den Flecken mit ihrem Taschentuch rieb.

      »Gleich, gleich! Heda!« rief er mit der Zuversicht eines Mannes, der zu befehlen gewohnt ist. »Mitenka soll kommen.«

      Mitenka war der Sohn eines Adeligen, den der Graf hatte erziehen lassen. Diesem hatte er alle seine Geschäfte anvertraut. Er trat langsam mit gemessenen Schritten ein.

      »Höre, mein Lieber, bringe mir –« er zögerte – »bringe mir siebenhundert Rubel! Ja, siebenhundert Rubel, aber nicht wieder schmutzige und zerrissene Scheine wie neulich. Ich muß neue haben, es ist für die Gräfin!«

      »Ja, ich bitte dich, Mitenka, saubere«, sagte die Gräfin seufzend.

      »Wann wünscht Exzellenz sie zu erhalten? Sie wissen, daß … übrigens, seien Sie unbesorgt«, beeilte sich Mitenka hinzuzufügen, der an dem hastigen Atem des Grafen einen Sturm voraussah. »Sie werden sie sogleich erhalten.«

      »Gut, gut, gib sie der Gräfin! Was für ein Schatz ist dieser Mensch«, sagte der Graf, ihm nachblickend, »nichts ist ihm unmöglich, und das gefällt mir, denn so muß es sein.«

      »Ach, das Geld, das Geld! Wieviel Unheil verursacht das Geld in dieser Welt. Aber dieses habe ich sehr nötig, lieber Graf.«

      »Es ist bekannt, kleine Gräfin, daß du schrecklich verschwenderisch bist«, erwiderte der Graf; dann küßte er ihr die Hand und kehrte in sein Zimmer zurück.

      Die Gräfin erhielt ganz neue Banknoten, und hatte sie eben sorgfältig mit ihrem Taschentuch bedeckt, als die Fürstin Drubezkoi ins Zimmer trat.

      »Nun, wie ist es, ma chère amie?« fragte die Gräfin etwas erregt.

      »Ach, schrecklich, er ist nicht wiederzuerkennen! Ich bin nur einen Augenblick geblieben und habe nicht zwei Worte sprechen können.«

      »Anna, im Namen des


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