Krieg und Frieden. Лев Толстой

Krieg und Frieden - Лев Толстой


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      Die Tante empfing in ihrer Ecke die beiden jungen Leute, aber sie schien ihre Verehrung für Helene verbergen und nur von ihrer Angst vor Anna Pawlowna sprechen zu wollen. Als sie sie verließ, berührte die Hofdame wieder den Ärmel Peters und sagte: »Ich hoffe, Sie werden nicht zum zweiten Mal sagen, daß Sie sich bei mir langweilen.« Dann blickte sie lachend Helene an und sagte auf französisch, sie sei sehr erfreut, Helene zu sehen. Darauf wandte sie sich zu Peter mit derselben verbindlichen Miene. Im Lauf des etwas trägen, stockenden Gesprächs blickte Helene Peter mit jenem schönen, hellen Lächeln an, das er schon gewöhnt war, und das für ihn wenig Bedeutung hatte. Die Tante sprach von einer Sammlung von Tabaksdosen, die der verstorbene Graf Besuchow besessen hatte, und zeigte ihre Dose vor. Helene wünschte das Bild ihres Mannes zu betrachten, das auf diese Dose gemalt war. Auch Peter stand auf, um die Dose zu besichtigen, welche die Tante ihm über Helene, die neben ihm saß, hinüberreichte. Helene bog sich etwas vor, um Raum zu geben. Sie trug wie immer ein auf beiden Seiten tief ausgeschnittenes Kleid nach damaliger Mode. Ihr Marmorbusen war seinen Augen so nahe, daß er unwillkürlich die entzückenden Formen ihrer Schultern und ihres Halses betrachtete. Er vernahm bei jeder Bewegung das Knistern ihres Korsetts und fühlte die entzückende Nähe ihres schönen Körpers.

      »Sie haben also bis jetzt nicht bemerkt, wie schön ich bin?« schien Helene zu sagen. »Und daß ich ein Weib bin, welches jedem gehören kann und auch Ihnen?« Und in diesem Augenblick fühlte Peter, daß Helene sein werden müsse, daß das nicht anders sein könne. Sie hatte schon Gewalt über ihn erlangt. Als die Hofdame sich näherte, faßte sich Peter und errötete in der Befürchtung, etwas Unpassendes getan zu haben.

      »Man sagt, Sie lassen Ihr Haus in Petersburg wieder herstellen?« sagte Anna Pawlowna, während er sich dem großen Kreis näherte. »Das ist gut, aber ziehen Sie nicht von Fürst Wassil fort, es ist gut, einen solchen Freund zu haben, Sie sind noch so jung und haben guten Rat nötig! Sie zürnen mir nicht, daß ich das Vorrecht der alten Damen, offen zu reden, in Anspruch nehme?« Sie schwieg, wie immer Damen erwartend schweigen, wenn sie von ihrem Alter gesprochen haben. »Wenn Sie heiraten, so ist es etwas anderes.«

      Peter errötete verlegen.

      Zu Hause konnte Peter lange nicht einschlafen. Was war mit ihm geschehen? Er begriff nur, daß Helene, die er als kleines Kind gekannt hatte, eine schöne Dame geworden war und daß sie ihm angehören könne.

      »Aber sie ist dumm und hat das selbst gesagt. Und in dem Gefühl, das sie in mir erregte, lag etwas Häßliches, Verbotenes. Man sagt, ihr Bruder Anatol sei verliebt in sie gewesen, und sie in ihn, es hat eine ganze Geschichte gegeben, und Anatol sei deshalb fortgesandt worden. Ihr Bruder ist dieser Hippolyt, schade!« dachte er. Er erinnerte sich der Anspielung der Hofdame, des Fürsten Wassil und anderer und wurde von Schrecken erfaßt bei dem Gedanken, daß er sich schon zu tief in eine Sache eingelassen habe, die nicht gut sei und die er vermeiden müsse. Dann aber, wenn er zu diesem Schluss kam, erschien ihm wieder das Bild Helenes in seiner entzückenden weiblichen Schönheit.

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      Im November 1805 hatte der Fürst Wassil eine dienstliche Reise zur Revision in vier Gouvernements zu machen. Diesen Auftrag hatte er sich verschafft, um zugleich seine vernachlässigten Güter zu besichtigen. Er nahm seinen Sohn Anatol mit sich, um den Fürsten Bolkonsky zu besuchen und eine Heirat seines Sohnes mit der Tochter des reichen Grafen zustande zu bringen. Zuvor aber mußte er die Sache mit Peter zu Ende führen. Peter brachte in letzter Zeit ganze Tage zu Hause, das heißt beim Fürsten Wassil zu, bei dem er wohnte. Sein Wesen war in Gegenwart von Helene oft aufgeregt, lächerlich und einfältig, wie das eines Verliebten, aber noch immer hatte er keinen Heiratsantrag gemacht.

      »Das ist ganz schön, aber alles muß ein Ende haben«, sagte eines Morgens der Fürst mit einem Seufzer. »Das ist jugendlicher Leichtsinn, aber ich muß ein Ende machen. Übermorgen ist Helenes Namenstag, ich werde eine kleine Gesellschaft einladen, und wenn er nicht begreift, was er tun soll, so werde ich die Sache in die Hand nehmen, ich bin Vater.«

      Noch anderthalb Monate nach jener schlaflosen Nacht, wo Peter zu dem Schluss gekommen war, daß eine Heirat mit Helene für ihn ein Unglück wäre, war er nicht aus dem Hause des Fürsten Wassil weggezogen und sah mit Schrecken, daß er in den Augen der Leute immer enger mit ihr verbunden war. »Aber ich muß doch endlich erkannt haben, wer sie ist? Habe ich mich früher geirrt, oder irre ich mich jetzt? Nein, sie ist nicht dumm, sie ist ein schönes Mädchen«, sagte er zuweilen zu sich selbst. »Sie spricht wenig, aber was sie sagt, ist einfach und klar.« Peter wußte, daß man von ihm erwartete, daß er das entscheidende Wort spreche, aber eine unbeschreibliche Angst hielt ihn von diesem letzten Schritt zurück. Tausendmal sagte er sich: »Was soll daraus werden? Ich muß einen Entschluss fassen.« Aber mit Schrecken sah er ein, daß ihm die Entschlossenheit fehlte. Peter gehörte zu den Leuten, die nur dann stark sind, wenn sie sich ganz rein fühlen, aber von jenem Tage an, als jenes Gefühl des Verlangens bei der Betrachtung der Tabaksdose erwacht war, lähmte ein geheimes Schuldbewusstsein alle seine Entschlossenheit.

      Am Namenstag Helenes versammelte sich eine kleine Anzahl der nächsten Verwandten und Bekannten. Alle wußten, daß an diesem Tag das Schicksal Helenes sich entscheiden sollte. Der Fürst war in bester Laune, hatte für jeden ein Scherzwort, mit Ausnahme von Peter und Helene, die er nicht zu bemerken schien, und belebte die ganze Gesellschaft. Hell brannten die Wachskerzen und spiegelten sich in dem glänzenden Silberzeug und Kristall, in dem Schmuck der Damen und den goldenen Epauletten. Man hörte an dem einen Ende der Tafel, wie ein Kammerherr einer bejahrten Baronesse seine glühende Liebe versicherte und wie sie darüber lachte, während am anderen Ende von dem Missgeschick einer Maria Viktorowna gesprochen wurde. Am oberen Ende der Tafel schien alles in heiterster Laune zu sein, Peter und Helene aber saßen fast am unteren Ende des Tisches, und die ganze Aufmerksamkeit der Gesellschaft war nur auf dieses Paar gerichtet, sogar der Schein der Kerzen schien sich auf diese beiden glücklichen Gesichter zu konzentrieren. Peter fühlte, daß er das Zentrum des Ganzen war, was ihn zugleich erfreute und bedrückte, er vermochte nicht deutlich zu sehen, zu hören und zu begreifen.

      »Es ist also alles entschieden«, dachte er, »und wie ist das gekommen? So schnell! Aber wie wird es nun werden? Das weiß ich nicht! Aber es wird unfehlbar dazu kommen«, dachte Peter.

      Nach Tisch begab man sich in den Salon, und bald begannen die Gäste, sich zu verabschieden.

      »Ich glaube, ich kann Ihnen gratulieren«, flüsterte Anna Pawlowna der Fürstin ins Ohr und küßte sie innig. »Wenn ich nicht Migräne hätte, würde ich noch bleiben.«

      Die Fürstin gab keine Antwort, sie fühlte sich von Neid über das Glück ihrer Tochter gequält.

      Während die Gäste sich verabschiedeten, blieb Peter mit Helene lange Zeit allein in einem kleinen Salon. Er war auch früher während dieser sechs Wochen oft mit Helene allein gewesen, hatte aber niemals mit ihr von Liebe gesprochen. Jetzt fühlte er, daß das unumgänglich nötig sei, konnte sich aber durchaus nicht zu diesem letzten Schritt entschließen. Aber etwas mußte gesagt werden. Er fragte sie, ob sie mit dem heutigen Abend zufrieden sei, und mit ihrer gewöhnlichen Einfachheit erwiderte sie, dieser Namenstag sei für sie einer der schönsten.

      Einige Verwandte blieben noch im großen Salon beisammen. Fürst Wassil ging mit langsamen Schritten in das Nebenzimmer. Peter stand auf und sagte, es sei schon spät. Fürst Wassil blickte ihn streng und fragend an, doch bald wurde seine Miene freundlicher, und er zog Peter an der Hand auf den Stuhl neben sich nieder.

      »Nun, Helene«, wandte er sich sogleich an seine Tochter und wiederholte eine lächerliche Anekdote, die er eben gehört hatte, verließ dann aber bald wieder das Zimmer mit etwas finsterer Miene. Auch Helenes Gesichtsausdruck schien ihm düsterer geworden zu sein. Als Fürst Wassil wieder in den Saal trat, sprach die Fürstin leise mit einer älteren Dame über Peter.

      »Natürlich ist das eine sehr glänzende Partie, aber das Glück, meine Liebe …«

      »Ehen werden im Himmel geschlossen«, erwiderte die alte Dame.

      Fürst Wassil ging vorüber und setzte sich in eine Ecke auf


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