Knallhart aufs Kreuz gelegt: Zwei Kriminalromane. Cedric Balmore
Nachmittag, wir haben zusammen Kaffee getrunken“, sagte Grandini. „Sie wollte anschließend ins Kino gehen und mich am Abend anrufen. Ich war nicht zu Hause, ich weiß also nicht, ob sie versucht hat, mich zu erreichen.“
„Du weißt, was ich fragen muss. Hatte sie einen Freund außer dir? Hat sie jemals versucht, dich auszunehmen? War sie gestern verändert, hattest du das Gefühl, dass sie sich vor etwas fürchtete oder...
„Nein, nein“, fiel Grandini Cantrell ins Wort. „Es wäre unsinnig, ihr unlautere Motive unterstellen zu wollen. Wenn sie sagte, dass sie mich liebt, dann war das ernst gemeint, dafür habe ich eine Antenne. Und sie war nicht anders als sonst.“
„Wo soll ich beginnen?“
„Sieh dich meinetwegen in ihrer Wohnung um. Befrage die Hausbewohner. Es muss doch einen Anhaltspunkt geben, einen Aufhänger! Wenn ich selbst Detektiv wäre, würde ich mich persönlich um Glorias Verschwinden kümmern, aber ich bin grundsätzlich dafür, schwierige Probleme dem Fachmann zu überlassen.“
Sie sprachen noch eine Viertelstunde miteinander, dann schaute Cantrell auf die Uhr und sagte: „Ich muss gehen.“
Grandini brachte seinen Besucher in die Halle. „Es regnet, ziemlich stark sogar“, stellte er fest. „Soll ich dich mit dem Schirm zur Straße bringen?“
„Es genügt, wenn du mir das Ding leihst. Ruf mich an, sobald du etwas von Gloria hörst. Ach so, noch etwas. Ich brauche ihre Adresse, ihr Foto und die Schlüssel zu ihrem Apartment.“
Grandini ging nochmals zurück ins Zimmer. Als er zurückkehrte, hatte er das Geforderte bei sich. „Es regnet stärker“, sagte er und überließ Cantrell ein Sporthütchen, das in der Garderobe hing. „Nimm lieber das, es ist besser als ein Schirm.“
Cantrell stülpte sich das Hütchen auf den Kopf, verabschiedete sich an der Tür, zog wie fröstelnd die Schultern hoch und sprintete dann über die breite, in Schlangenlinien zur Straße führende Zufahrt, durch den Regen. Grandinis Haus lag im Zentrum eines großen, gepflegten Grundstücks, bis zur Straße waren es gut zweihundert Yards.
Cantrell hatte noch nicht einmal die Hälfte der Strecke zurückgelegt, als es knallte. Er hatte das Gefühl, dass etwas seine Wange streifte, und rannte weiter, dann knallte es zum zweiten Mal.
Cantrell begriff, dass auf ihn geschossen wurde.
Er zuckte zur Seite und stürmte von der laternenbeleuchteten Zufahrt in das tropfnasse Dunkel des Gartens. Er stolperte über eine Wurzel und trat in eine Pfütze, dann stand er im Schutz einer alten, stämmigen Eiche und war bemüht, den Schützen auszumachen, der ihn aufs Korn genommen hatte.
Es regnete unaufhaltsam. Obwohl die zahlreichen, kleinen Laternen an der Zufahrt und das von der Straße in den Garten fallende Licht für ein Mosaik unterschiedlich heller Lichthöfe sorgten, war es unmöglich, das lastende Dunkel zu durchdringen, das sich zwischen Bäumen und Büschen staute.
Der Regen nahm zu. Cantrell stellte den Kragen seines Sportsakkos hoch. Er war dem Schützen gegenüber klar im Nachteil, denn dieser wusste, wo sich sein Zielobjekt befand, während Cantrell nur mühsam zu rekonstruieren vermochte, was geschehen war.
Vieles deutete darauf hin, dass der Schütze ein Gewehr benutzt hatte. Es war fraglos mit einem Schalldämpfer ausgerüstet, denn die beiden Schüsse waren im monotonen Geprassel des Regens fast untergegangen.
Cantrell hatte keine Lust, sich durchregnen zu lassen, also sprintete er im Zickzackkurs zurück, auf Grandinis Haus zu. Er erreichte es von der Rückseite und hämmerte mit der Faust gegen die Terrassentür.
Er wusste, dass auf der Innenseite das Scherengitter vorgelegt worden war, außerdem hatte Grandini die Vorhänge geschlossen.
„Wer ist da?“, ertönte Grandinis Stimme aus dem Hausinneren.
„Ich bin’s, Tony. Mach auf, bitte.“ Cantrell hörte, wie das Gitter geöffnet wurde. Er trat zur Seite, weil er keine Lust hatte, vor dem erleuchteten Fenster ein klares Ziel zu bieten. Grandini öffnete die Terrassentür. Cantrell huschte ins Innere des Raumes und schüttelte sich.
„Was ist los?“, fragte Grandini und starrte verdutzt auf Cantrells nasse, schmutzige Schuhe. Sie hinterließen auf der kostbaren Veloursauslegware hässliche Flecke. Cantrell nahm das Hütchen ab. „Hier, das kannst du wiederhaben, es wäre mir um ein Haar zum tödlichen Verhängnis geworden. Auf mich ist geschossen worden. Insgesamt zweimal. Trägst du das Hütchen oft?“
„Geschossen, auf dich? Hier im Garten?“, staunte Grandini und vergaß, Cantrells letzte Frage zu beantworten.
Der nickte, klappte den Jackettkragen zurück und setzte sich. „Man hat mich für dich gehalten. Wegen des Hütchens, nehme ich an.“ Grandini ließ sich in einen Sessel fallen. Er sah verdutzt aus. „Wir müssen die Polizei rufen“, sagte er nach kurzem Nachdenken.
„Das bringt nicht viel. Ich wette, der Kerl ist längst über alle Berge, und der Regen wird seine Spuren verwischen“, sagte Cantrell.
„Du hast recht. Polizei wäre nicht gut. Ihr würden die neugierigen Reporter folgen, und ich wäre mal wieder im Mittelpunkt einer dummen Pressekampagne. Geschossen! Wer sollte auf mich schießen wollen, und warum?“
„Das weißt du besser als ich.“
„Aber ich habe keinen blassen Schimmer, ehrlich!“, sagte Grandini.
„Kann es mit Glorias Verschwinden zusammenhängen?“
„Unsinn“, meinte Grandini kopfschüttelnd.
„Vielleicht will dir jemand was am Zeuge flicken. Dazu gehört auch eine durchaus denkbare Attacke auf deine Freundin Gloria“, sagte Cantrell.
„Ich sehe kein Motiv für ein solches Vorgehen“, meinte Rocco Grandini. „Was hätte unser Mann davon? Verbrecher wollen etwas erreichen, sie haben ein Ziel. Meistens sind sie hinter Geld her. Niemand hat bislang versucht, eine Forderung an mich zu richten.“
„Das kann noch eintreten. Es würde mich nicht wundern, wenn Gloria entführt worden wäre, und wenn man versuchte, ein Lösegeld von dir zu bekommen.“
„Das ist theoretisch durchaus denkbar“, meinte Grandini. „Ich gelte als reich, und ein paar Leute dürften erfahren haben, dass ich auf Gloria stehe. Aber niemand kann erwarten, dass ich für ein Mädchen, mit dem ich nicht einmal verlobt bin, eine Dollarmillion ausspucke.“
„Zehntausend Bucks sind auch ’ne Menge Geld, für viele jedenfalls. Ich wette, dass du sie springen lassen würdest, um Gloria freizukaufen.“
„Was ist mit den Schüssen im Garten?“
„Falls sie wirklich dir gegolten haben sollten, dienten sie sicherlich dem Zweck, dein Nervenkostüm anzuknacksen. Sie sollen dir klarmachen, dass du es mit Leuten zu tun hast, die vor nichts zurückschrecken. Man wollte dich nicht treffen, sondern warnen.“
„Sollen wir die Polizei einschalten?“
„Ich bin dafür“, sagte Cantrell. Er schaute sich um. „Wo steckt eigentlich das Mädchen?“
„Dany? Sie ist nach oben gegangen“, sagte Grandini, blickte Cantrell an, und lachte plötzlich. „Du hältst es doch hoffentlich nicht im Ernst für denkbar, dass Dany auf dich geschossen haben könnte?“
„Ich frage nur, wo sie ist.“
„Sie kam in die Halle, nachdem du gegangen warst“, sagte Grandini. „Sie flog in meine Arme und wollte wissen, ob ich nicht endlich Zeit für sie hätte. Ich schickte sie nach oben, ins Bett. Sie kann also nicht im Garten gewesen sein. Genügt dir diese Auskunft?“
„Okay“, meinte Cantrell und stand auf. „Ich fahre jetzt zu Glorias Wohnung und sehe mich dort ein wenig um. Wie würde Gloria übrigens reagieren, wenn sie wüsste, dass Dany die Nacht in deinem Haus verbringt?“
„Sauer, nehme ich an, aber sie würde nicht so dumm sein, es zu