Sky-Navy 04 - Finale auf Regan III.. Michael Schenk
Flucht der Menschheit auf den Mars und in die Kolonien bewirkte, aufgrund der großen Entfernungen und langen Reisedauern mit dem Cherkov-Überlichtantrieb, dass die Kolonien möglichst bald eine eigene Industrie entwickelten. Hierzu gehörte, wenn auch in sehr bescheidenem Umfang, der Bau von Raumschiffen. Dennoch war der Konzern Hollmann-Constructions der unbestrittene Marktbeherrscher, wenn es um die Fertigung ziviler Schiffe ging. Einige wurden nach individuellen Plänen gebaut, andere waren standardisierte Konstruktionen in modularer Bauweise. Das Direktorat hatte Verträge mit dem Konzern abgeschlossen, so dass dieser das Monopol für die Konstruktion und den Bau militärischer Schiffe besaß. Dies hing vornehmlich damit zusammen, dass die Zulieferer wichtiger Komponenten auf dem Mars ansässig waren.
Während Boden- und Luftfahrzeuge auf der Oberfläche gebaut wurden, befanden sich die Werftanlagen für interplanetare und interstellare Schiffe generell im Orbit, da solche Raumschiffe gewöhnlich nicht für die Landung auf Planeten geeignet waren. Hollmann-Constructions trug dem durch drei große Orbitalanlagen über dem Mars Rechnung.
Die größte Werft bestand aus vier Segmenten. In der Mitte eine Konstruktion, die an zwei riesige Teller erinnerte, die man mit den Rändern aufeinander gelegt hatte, wobei die Teller einen Durchmesser von zwei Kilometern aufwiesen und der Rand immerhin fast vierhundert hoch war. Hier befanden sich Lager, Fertigungsräume und Verwaltung. Die drei anderen Segmente waren kleinere Ausführung und ringartig um das Zentrum verteilt. Ihre nach Außen weisenden Hangartore erstreckten sich über ein Drittel des jeweilige „Tellerrandes“. Dank der künstlichen Schwerkraft durch die Shriever-Platten konnte man unter normalen Bedingungen oder auch Schwerelosigkeit arbeiten.
Hoch-Admiral John Redfeather und sein Adjutant Lieutenant Faso benutzten eines der umgebauten Fast Landing Vehicles. Nach der erfolgreichen Rettung der Hanaris (Anmerkung: Sky-Troopers 1) waren hunderte der Landungsboote überflüssig und von der Navy ausgemustert worden. Hollmann-Constructions gehörte zu jenen Firmen, welche die Boote durch ein eingefügtes Mittelteil verlängerten und mit einem Hiromata-Antrieb ausrüsteten. Die modifizierten FLVs waren sehr beliebt, da sie eine kostengünstige Alternative zu großen Raumschiffen darstellten und man innerhalb von sechzehn Stunden jedes beliebige Sternensystem erreichen konnte. Auch die Sky-Navy benutze eine ganze Reihe der umgebauten Landungsboote, um mit ihnen die Lücke fehlender Patrouillenkreuzer aufzufüllen.
„Flight-Control HollCon Alpha an FLV-PB-017: Sie haben Freigabe für Direktanflug auf Sektion Zwei. Folgen Sie dem Leitstrahl auf 42 Punkt Vier.“
„Patrouillenboot-017 an Flight-Control HollCon Alpha: Empfangen Leitstrahl auf Frequenz 42 Punkt Vier. Direktanflug auf Sektion Zwei ist eingeleitet“, bestätigte der Pilot des FLV. Er wandte sich im Sitz um. Die Verbindungstür zum Laderaum stand offen. „Sir, wir docken in ungefähr zehn Minuten an. Wollen Sie zusehen?“
„Danke, Captain, ich komme nach vorne.“ Redfeather und Faso hatten die Dienstuniform der Sky-Navy angelegt, während die dreiköpfige Besatzung die schlichten Bord-Overalls trug. Immerhin würden sich Admiral und Adjutant mit dem Hoch-Manager von Hollmann-Constructions und später einem Hochherrn des Hohen Rates treffen.
Obwohl Redfeather immer wieder an Bord seines Flaggschiffes war, nahm er das Angebot des Piloten gerne an. In der durchsichtigen Kanzel eines FLV fühlte man sich dem Weltraum besonders nahe, nur durch zwei Zentimeter Klarstahl von diesem getrennt.
John Redfeather klappte den kleinen Notsitz nach unten und sah Pilot und Co-Pilot über die Schultern. Der Mars füllte die Frontscheibe fast vollständig aus. An seinem Rand war die Kartoffelform des Mondes Daimos zu erkennen, davor die Silhouette der Orbitalanlage. Der Hoch-Admiral musterte interessiert die Oberfläche des Planeten. Trotz des Terraforming herrschte noch jene Tönung vor, die dem Mars zu seiner Bezeichnung als „roter Planet“ verholfen hatte. Doch inzwischen gab es auch ausgedehnte Zonen, in denen das Grün und Blau von Vegetation und Wasserflächen dominierten. Mit bloßem Auge waren die großen Städte zu sehen, die längst über die Abmessungen ihrer einstigen Schutzkuppeln hinaus gewachsen waren. Was im Vergleich zur Erde fehlte, das waren hingegen die Bänder der Straßen. Der Verkehr zwischen den Siedlungen spielte sich fast ausschließlich in der Luft ab, deren Dichte und Zusammensetzung inzwischen fast den Erdstandard erreichte. Es gab immer noch Marsianer, die, nun jedoch aus eher nostalgischen Gründen, die alten „Sandkatzen“ benutzten. Jene Bodenfahrzeuge, mit deren Hilfe man einst die Marsoberfläche erkundete.
„Einiges los hier“, meinte der Co-Pilot. „Sir, sehen Sie mal zu Sektion Drei. Da baut man gerade einen der großen Interstellar-Frachter. Ein Riesending.“
Neben einer der kleineren Sektionen schwebte einer der typischen Modular-Frachter, wie sie von den großen Handelskonzernen bevorzugt wurden. Bug und Heck waren genormt und variierten lediglich in der Größe und Ausstattung. In ihnen befanden sich die Steuerung, Aufenthaltsräume der Crew, Energieversorgung, Lebenserhaltung und die Triebwerke. Zwischen diesen beiden Grundelementen fügte man den „Rumpf“ des Schiffes ein. Oft nicht mehr als ein metallenes Gerüst, in welches Tausende der ebenfalls genormten Fracht-Container passten. Die Verwendung einer geschlossenen Außenhülle war zu kostspielig und unpraktisch. Die offene Bauweise erlaubte das bequeme Laden und Entladen der Frachter. Shuttles, oft ehemalige FLVs der Navy, besorgten den Warenverkehr zwischen Schiff und Planetenoberfläche. Der Frachter, den der Co-Pilot meinte, mochte an die drei Kilometer lang sein. Redfeather bemerkte das Logo von United Mining Industries an der Flanke des Bugs. UMI war der größte Lieferant an Rohstoffen. Der Konzern unterhielt Abbauanlagen im Übertage- und Untertagebau sowie ein halbes Dutzend Verhüttungsstationen bei lohnenden Asteroidenfeldern.
Auf der Cockpit-Scheibe begann sich ein blaues Fadenkreuz zu bewegen. Der Pilot korrigierte die Fluglage, bis sich das FLV exakt im Anflug auf den zugewiesenen Landebereich befand. Auf der Oberfläche der Sektion Zwei befanden sich mehrere markierte Landefelder für Zubringer-Shuttles. Eines von ihnen blinkte nun. Gekonnt nahm der Pilot eine letzte Korrektur vor und setzte dann genau in der Mitte auf.
„Patrouillenboot-017 an Flight-Control HollCon Alpha: Landung vollzogen. Bereit für externe Versorgung und Zugang.“
„Verstanden, 017. Externe Versorgung wird vorbereitet. Anschlüsse offen. Zugang wird ausgefahren.“
Der Pilot wandte sich an den Tech-Sergeant neben Redfeather. „Jim, dock uns an.“
„Aye. Ankerklammern verriegelt. Anschlüsse für externe Versorgung arretiert. Externe Versorgung steht.“
Neben dem Landefeld schob sich der starre Zugangstunnel aus der Oberfläche. Sein Faltbalg fuhr, einem Rüssel ähnlich, an die Manschette der Personenschleuse des FLV. Im Inneren war ein leises Klingen zu hören, als die Halteklammern einrasteten und sich der Dichtungsrand aufblähte.
„017 an Flight-Control HollCon Alpha: Wir sind verankert und auf externer Versorgung. Zugangstunnel verriegelt.“
„Flight-Control HollCon Alpha an FLV-PB-017: Zugang ist unter Druck. Willkommen auf HollCon Alpha, Hoch-Admiral Redfeather. Hoch-Manager Lendricks erwartet Sie bereits.“
Es gab mehrere der flexiblen Zugangstunnel auf der Oberschale von Sektion Zwei. Hier legten die Shuttles mit Besuchern oder Arbeitskräften der Werft an. Für Zulieferer und ihre oft sperrigen Waren gab es große Gateways, die auf die Frachtschleusen der Pendler passten.
Der Tunnel führte Redfeather und Faso in das obere Deck der Sektion Zwei hinunter. Sie gelangten auf eine breite Galerie, von der aus man die gesamte Sektion mit ihren Arbeitsstationen überblicken konnte. Auf der Galerie gab es gemütliche Sitzgruppen, Ruhezonen mit großen Pflanzen und die Möglichkeit, eine Erfrischung oder einen Imbiss zu sich zu nehmen. Hier verbrachten viele der Männer und Frauen ihre Ruhepausen. Sie sprachen angeregt miteinander oder verfolgten eine Sendung auf einem der Holoschirme. Keiner hatte einen Blick für das, was fast hundert Meter unter ihnen geschah. Eine rundum verlaufende Wand aus Plastikglas schirmte alle vom Lärme und den Gerüchen der Werfthalle ab.
John Redfeather und Faso traten an den Rand der Galerie und blickten interessiert nach unten. Ein paar der Arbeiter sahen sie neugierig an. Offiziere der Navy waren auf der Werft kein seltener Anblick, doch bei diesem Besucher