Die Damaszener-Rose. Johann Widmer

Die Damaszener-Rose - Johann Widmer


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      Töpferkunst, die sehr an diejenige einer Oase am anderen Ende der grossen Wüste erinnert.

      Manchmal, so an Freitagen zum Beispiel, sieht man den Meister der Töpferei, den reichen alten Hasan inmitten seiner grossen Enkelschar vor der Werkstatt sitzen, und dann erzählt er ihnen von einer abenteuerlichen Wüstenreise quer durch die weite Sahara, von einem äusserst bewegten Leben, von den Überraschungen des Schicksals, denen man nicht entrinnen kann, weil sie alle im grossen Buch des Lebens vorgezeichnet sind, Mektoub.

      Der Ring des Kalifen

      An den Markttagen, wenn die Händler ihre Waren am Boden ausgebreitet hatten, wenn sich die Käufer und die Schaulustigen auf dem knappen freien Raum drängten, wenn sich die Bettler in den ihnen zugewiesenen Ecken eingerichtet hatten und die Taschendiebe nach geeigneten Opfern Ausschau hielten, dann war bestimmt auch Sayd irgendwo in der Menge.

      Er war ein junger und hübscher Mann und was vorkommen kann, er war arm. Zwar hätte er arbeiten können beim Fellah, dem Oasenbauern hätte er Wassergräben ziehen können, Datteln pflücken, Gras schneiden, aber irgendwie liebte er Arbeit ganz und gar nicht. Arbeit, pflegte er zu sagen, Arbeit macht müde, schmutzig und verursacht mir schlechte Laune. Zudem ist sie gefährlich. Man kann von der Dattelpalme stürzen und sich das Genick brechen, beim Grasschneiden kann dich eine Schlange beissen oder man hackt sich mal eine Zehe ab.

      Schrecklich!

      Auch die staubige Arbeit beim Tischler sagte ihm nicht zu, im Laden des Teppichhändlers ermüdeten seine Arme beim Herumtragen der schweren Teppiche und das Geldzählen am späten Abend, beim Licht einer flackernden Ölfunzel fand er äusserst schädlich für die Augen, beim Silberschmied bekam er schreckliche Rückenschmerzen und als Koch hatte er immer die besten Brocken für sich selber aus der Suppe gefischt, aber das Gemüserüsten konnte er seinen zarten und gepflegten Fingern nun wirklich nicht zumuten. Nein, Arbeit war nun mal nichts für feine Leute mit guten Manieren.

      Faulenzen, grenzenloses Nichtstun, das behagte ihm so richtig. So mal zur Zerstreuung ein lockeres Spaziergängelchen, aber ja nie aufwärts, diskutieren mit anderen Faulenzern, aber bitte immer schön am Schatten oder einfach so faul und entspannt daliegen und vor sich hinträumen, aber natürlich auf einer schön weichen Matte und mit einem Glas eisgekühlten Schorbet neben sich, wenn in den Palmkronen die Tauben gurrten, das waren seine Lieblingsbeschäftigungen, das waren Arbeiten genau nach seinem Geschmack.

      Dass man dabei aber, selbst wenn man diese Künste noch so meisterhaft beherrschte, kein Geld verdiente, fand er eine der riesiggrossen Ungerechtigkeiten dieser Welt, hier hatte Allah, sein Name sei ewig gepriesen und hochverehrt, aber hier hatte doch der Schöpfer bei der Organisation der Menschheit etwas vergessen. Dem Fellah liess er das Gras immer wieder nachwachsen und dem Beduinen wurden immer wieder Lämmer und junge Kamele geboren, aber dem Faulenzer wuchsen höchstens die Haare im Gesicht und verursachten ihm die Mühen und Gefahren des Rasierens.

      Aber was willst du machen? Es ist nun mal alles so, wie es eben ist.

      Auf dem Marktplatz herumschlendern und sich von der Menge treiben lassen, mal da, mal dort stehenbleiben, sich etwas anschauen, so tun als ob man kaufen möchte, dann wieder weitergehen, das ist alles schön und recht, wenn man Geld in der Tasche hat, wenn man kaufen könnte, falls man Lust hätte.

      Sayd hatte keinen Kiersch, also keinen Piaster in seiner Tasche, er mochte suchen wie er wollte, ausser dem parfümierten Taschentuch, das er kürzlich gefunden hatte, waren die grossen Taschen seines Sirouals, seiner weiten Hosen leer, völlig leer.

      Das Ärgerlichste an diesem Tag war aber, dass ihm die Händler keinen Respekt zollten, dass sie ihm scheinbar ansehen konnten, dass er nichts hatte, er mochte angeben wie er wollte, die unverschämten Verkäufer schauten durch ihn hindurch, als ob er ein Luftgebilde wäre.

      Sagte doch vorhin der Schuhmacher, mögen ihn die Ghul, die bösen Geister nachts heimsuchen, sagte er doch, als ihn Sayd nach dem Preis eines modischen, leicht zugespitzten Herrenschuhchens gefragt hatte, sagte doch dieser pechfingerige Lederklopfer: «Für Leute, die viel Geld haben, ist dieser Schuh spottbillig, für Leute, die aber keines haben, ist er unerschwinglich teuer, daher sollten diese Leute gar nicht erst nach dem Preis fragen.»

      Und natürlich lachten alle, die in der Nähe standen. Ärgerlich so etwas und höchst beleidigend obendrein.

      An diesem Markttag schien ohnehin alles schief zu laufen. Der Garkoch neben dem Karawanserail, der ihm an anderen Markttagen immer etwas Essbares heimlich zugesteckt hatte, mal ein Brötchen, mal einen Teller Suppe, mal ein gebratenes Fischchen; dieser falsche Hund von Koch schien ihn heute überhaupt nicht zu kennen. Der hungrige Sayd mochte sich noch so oft in der Gegend der verführerischen Küchendüfte herumtreiben, dem geschäftigen Koch einen schönen Tag und viel Glück und gute Gesundheit wünschen, der Küchenmeister blickte beharrlich an ihm vorbei, erblickte irgendwo in der Menge einen Freund, begrüsste einen Kunden oder träumte ins Himmelsblau, aber von Sayd nahm er keine Notiz.

      Das nächste Missgeschick liess auch nicht lange auf sich warten, denn, das war Sayd klar, dass Unglücke immer die Eigenart haben, zu dritt aufzutreten. Das dritte Ärgernis war, dass er irgendwo seine schöne neue hellblaue Djellaba, sein weites Mantelkleid beschmutzt hatte. Er, der so grossen Wert auf saubere Kleidung legte, konnte sich unmöglich länger sehen lassen mit diesen Schmutzflecken und so beschloss er wehen Herzens, den Markt schon zu ungewöhnlich früher Stunde zu verlassen.

      Er steuerte auf den Ausgang bei den Gewürzhändlern zu, denn dort war das Sonnenlicht durch grosse Planen abgeschirmt und man würde im Schatten sein beschmutztes Kleid kaum bemerken. Mit deutlich sichtbarer Kummermiene wollte er eben den Marktplatz verlassen, als er vor sich einen Betteljungen sah, der sich flink nach einem Gegenstand bückte, der im Sand am Boden lag.

      Der Junge drehte erstaunt einen schweren goldenen Ring in seinen schmutzigen Fingern und wollte gleich draufspucken, um ihn zu reinigen, als Sayd ihm das Schmuckstück aus den Händen nahm, sich an den Finger steckte und sagte: «Gib mir das Ding, das ist was für vornehme Leute, das ist nichts für einen Betteljungen, siehst du wie der Ring mir passt. Wie angegossen. Und macht sich so gut an meinen gepflegten Händen.»

      Der zerlumpte Bursche begann laut zu schreien, schalt Sayd einen gemeinen Dieb, einen durchtriebenen Schurken und einen ausgekochten Halunken.

      Dieser herrschte ihn an: «Schrei doch nicht so! Sei froh, wenn ich dich von diesem Ring befreie, er hätte dir nur Unglück gebracht. Denn, stell dir mal vor, wenn du mit deinen Lumpenkleidern dieses Kleinod an deinen Händen trägst, so sagen die Leute du hättest es bestimmt gestohlen, führen dich zum Kadi und der nimmt dir den Ring ab und lässt dir zum Dank eine deiner schmutzigen Pfoten abhacken. Huh, all das herausspritzende Blut, der fürchterliche Schmerz und dann fehlt dir dein Leben lang eine Hand und alle können sehen, dass du ein Dieb bist. Das muss doch grauenhaft sein. Also sei bitte demjenigen dankbar, der dich vor so grossem Unheil bewahrt.»

      Als der Junge immer noch keine Ruhe geben wollte schlug ihm Sayd vor, zusammen zum Kadi zu gehen. Er würde dann behaupten, er hätte den Ring verloren, der Betteljunge hätte den Schmuck gefunden und behalten wollen. Der Kadi würde auch dann den Ring für sich behalten, Sayd müsste vielleicht eine Strafe bezahlen und dem Betteljungen würde wiederum eine Hand abgehackt. Ausser dem Kadi hätte niemand nichts vom ganzen Handel.

      Da der zerlumpte Junge immer noch nicht zufrieden war und nun sogar zu weinen begann, liess ihn Sayd einfach stehen und ging schnellen Schrittes weg, denn weinende Kinder, das war nun etwas, das seine zarte Seele wirklich schlecht ertragen konnte.

      Endlich hatte er Zeit das Kleinod genauer zu betrachten. Auf dem schweren Goldring war ein feuriger Rubin eingelassen, der von fünf kleineren Diamanten umgeben war. Das prachtvolle und meisterhaft gearbeitete Schmuckstück wäre der Hand des Kalifen würdig gewesen, aber da der Beherrscher aller Gläubigen am anderen Ende des arabischen Reiches lebte, schien es Sayd richtig zu sein, dass er es für den Nachfolger des Propheten


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