Meine Miesen Morde. Andrea Lieder-Hein
Pünktlich am Freitag war die nächste Kiste da, diesmal mit neuen Spargel, Kartoffeln, Lauch, Eiern und Bärlauch. Das schien ihr relativ normales Gemüse zu sein. Und Eier brauchte man immer. Onno würde sich wundern, was sie kochen konnte.
Im Internet suchte sie nach Rezepten und fand Spargel mit neuen Kartoffeln und Bärlauch-Rührei schön. Dann las sie noch, dass einst ein Koch seiner Prinzessin die Speise mit der sternförmigen Blüte der Hexenknolle würzte, und sie damit auf den sinnlichen Liebespfad lockte. Damit war Bärlauch gemeint. Vielleicht gelang es ihr mit Bärlauch auch mal wieder, Onno zu verführen.
An diesem Freitag Abend erstrahlte der festlich gedeckte Tisch unter Kerzen, vereinzelten Rosenblüten und kostbarem Rotwein. Onno staunte nicht schlecht, nahm Tomma in den Arm und gab ihr einen zärtlichen Kuss. „Großartig, könnte von mir sein. Spargel, toll. Ich hatte schon Befürchtungen, ich müsste wieder Currywurst essen gehen.“
Tomma sagte jetzt nichts, um die Stimmung nicht zu verderben.
Nach zwei Gläsern Rotwein stand er auf, hob sie vom Stuhl und trug sie ins Schlafzimmer. „So liebe ich das“, murmelte er noch, ehe er sein Hemd öffnete und Tomma langsam auszog. „Mit Bio wär das nicht passiert“, stöhnte er leise, ehe er seine Pflichten routiniert erledigte.
Dabei dachte er an Fraya, die Stewardess an Bord. Seine Hände wurden eine Spur erregter, als Tomma sich in Fraya verwandelte und er sich ganz hingeben konnte.
Sonntag Abend war Tomma etwas traurig, weil Onno fuhr. Es war so wunderbar gewesen. Das hatte alles der Bärlauch gemacht, frohlockte sie. Allerdings war ihr gleich danach etwas übel geworden. Die Übelkeit kam immer wieder und störte sie doch sehr.
Am Dienstag endlich war es so schlimm, dass sie zum Arzt ging. „Herzlichen Glückwunsch“, strahlte Dr. de Buhr, „Sie sind in der 14. Woche schwanger. Haben Sie denn gar nichts bemerkt?“
Tomma war in solchen Sachen recht nachlässig. Die Zeit zwischen den Wochenenden ging auch so schnell rum, und da hatte sie an so etwas gar nicht gedacht. War das nun eine gute Nachricht? Ob Onno sich wohl freuen konnte? Und überhaupt, dann musste sie auch noch Geld für Kindersachen abzweigen. Auf jeden Fall wollte sie Onno zunächst nichts von dem Kind erzählen.
„Hallo, Frau Janßen, noch anwesend?“ fragte der Arzt.
*
Auf dem Schiff galt Onnos erster Blick Fraya. Sie sah umwerfend aus in ihrem kurzen Rock, den Highheels und der engen Bluse mit dem weiten Ausschnitt. Darunter verbargen sich ihre Brüste, die er nur zu gut kannte und die er immer von links nach rechts zu kleinen braunen Türmchen auflutschte, ehe er sie ganz eroberte. Fraya liebte das. Tomma eher nicht. Schade, dass Fraya gleich die Uniform tragen musste. Aber auch darin sah sie beneidenswert verführerisch aus. Tomma war eben Hausfrau, und Fraya eine sinnliche Verführung. „Wie ein Dinkel-Keks neben einer Praline“, kicherte Onno bei dem Vergleich.
Hätte er einen Wunsch frei, er würde Tomma wegzaubern. Aber das gab es nur in Märchen. Also musste er selbst Hand anlegen. Da kam ihm die Idee mit der Biokiste sehr gelegen.
Er griff zu seinem Handy und simste Tomma, dass ihn der Bärlauch so erregt hätte, und ob sie wohl in der Gegend etwas Bärlauch pflücken könne. Da wuchs überall was, das wusste er wohl.
Bevor er Freitag nach Hause kam, hatte er ein Maiglöckchen-Blatt besorgt. Nachdem er das tolle Essen von Tomma bestaunt hatte und die Schälchen neben den Tellern mit dem Bärlauch-Salat und der Rauke sah, bat er noch um etwas Cayenne Pfeffer. Er nutzte Tommas Abwesenheit, um ihr klein geschnittenes Maiglöckchen-Grün in den Salat zu mischen.
Nach dem Essen schlug er zunächst einen Verdauungs-Spaziergang vor. Noch bevor sie wieder zu Hause ankamen, wurde Tomma übel. Onno stützte sie liebevoll und schleppte sie die letzten Meter ins Haus. Dort übergab sich Tomma mehrfach. Später setzte furchtbarer Durchfall ein und ihr Herz raste wie wild.
Mit gespielter Sorge in der Stimme rief Onno den Krankenwagen und begleitete seine Frau bekümmert ins Krankenhaus. Dort wartete er, wie es sich gehörte, im Vorzimmer auf das Ergebnis.
Es dauerte fast zwei Stunden, und Onno hatte gute Lust, einfach zu verschwinden, aber der Anstand gebot es, durchzuhalten.
Dann endlich kam der Arzt und berichtete ihm, dass das Kind leider nicht mehr gerettet werden konnte, aber Tomma sei in Ordnung.
Mit vorgespielter Verzweiflung warf Onno seine Hände vor sein Gesicht. Dabei dachte er, dass ein Kind ihm gerade noch gefehlt hätte. So ein schreiendes Blag, das immer nur futtern wollte oder nach Scheiße stank. Warum Tomma wohl nichts gesagt hatte? Na, schade wär’ auch nicht gewesen, wenn Tomma gleich mit ihrem Blag ins Jenseits abgedriftet wäre.
Der Arzt riss ihn aus seinen Träumen. „Sie können jetzt zu Ihrer Frau.“
Noch bevor Onno das Zimmer betrat, dachte er an die Herbstzeitlose, die sah wie die Maiglöckchen dem Bärlauch zum Verwechseln ähnlich. Fünf Blatt waren schon tödlich, und es gab kein Gegengift. Schöne Aussichten für diesen Sommer.
3. Weihnachtsgeschenk
Ilkea stand nackend vor dem großen Schlafzimmer Spiegel und schaute auf ihren Körper. Was für eine Klamotten-Größe hatte sie wohl? Darüber hatte sie nie nachgedacht. Immer, wenn sie was Hübsches sah, griff sie irgendwo hinein, und entweder es passte, oder es passte nicht. Dann nahm sie ein größeres oder kleineres. Größe 38 vielleicht? Oder 40, womöglich 42 oder 44? Sie wusste es nicht.
Nachdenklich durchsuchte sie ihren Kleiderschrank. Die Schilder in den Klamotten regten sie immer tierisch auf, deshalb schnitt sie sie gleich nach dem Kauf sofort raus, denn entweder sie schauten am Kragen hervor, oder sie piekten hinten am Hals. Also, nachschauen half nichts.
Pullover und Shirts glaubte sie in L oder XL gekauft zu haben. Sie mochte es schlabberig. Dann schwitzte man nicht so im Sommer, und im Winter passte immer noch was drunter.
„Besser zu groß als zu klein“, dachte sie sich, und entschied sich für Größe 44.
Es war gegen halb acht Uhr abends, als Eibe halb erfroren an Ilkeas Tür gongte. Sie öffnete und strahlte ihn an. „Schlüssel vergessen? Herrlich, der Schnee, oder?“, fragte sie ihn aufmunternd. Er knurrte nur leise was von Eises-Kälte und steif gefrorenen Fingern. „Aber das ist doch schön zu Weihnachten“, freute sie sich weiter, „das gehört dazu. Hast du Lust, mit auf den Weihnachtsmarkt zu gehen? Am Hafen soll ein zwanzig Meter hoher Weihnachtsbaum aus Glas stehen. Mitten auf dem Wasser, und lauter Zapfen aus Glas mit kleinen Glühbirnen darin. Das muss fantastisch aussehen.“
„Lass mich erst einmal wieder auftauen“, jammerte Eibe, „dann können wir immer noch gehen.“
Ilkea machte für jeden ein Glas Glühwein warm. „Vorglühen!“, rief sie aus der Küche und kam mit zwei randvoll gefüllten Gläsern heraus. „Ich hab’ übrigens Größe 44. Wolltest du doch wissen.“
Eibe wusste im Augenblick zunächst nicht, was Größe 44 mit dem Glühwein zu tun hatte, aber dann fiel ihm ein, dass er Ilkeas Kleidergröße wissen wollte, weil er ihr was Nettes zu Weihnachten schenken wollte. Was in Richtung Dessous. Aber 44? Hätte er jetzt nie vermutet. Sie war ganz schlank. Aber vielleicht wegen der dicken Busen.
In den nächsten Wochen schlenderte Eibe öfter mal durch die Fußgängerzone und schaute sich BHs und Slips an. Ihm schienen die Slips viel zu groß. Mit den BH Cups konnte er sich schon eher anfreunden. Aber der ganze Kick verwandelte sich in Luft, wenn Ilkea mit sexy Oberteil und schlabberigem Slip vor ihm stehen würde. Vielleicht war da ein Body die elegantere Lösung. Nicht so viel Fleisch, aber man konnte ja öffnen oder ausziehen.
Beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt hatten sie so manche schöne Stunde verbracht, hinterher oft eng umschlungen im Bett, und